Lucio Cecchinello hat sich mit seiner LCR-Mannschaft fest in der MotoGP etabliert und kann immer wieder Achtungserfolge verbuchen. Das Motorsport-Magazin sprach in Mugello mit dem Team Manager über Randy de Puniet, Aussichten und einen möglichen Gänsehaut-Moment.

Foto: adrivo Sportpresse
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MSM: Zu Beginn der Saison gab es einige Klagen wegen des Handlings der Honda. Wie siehst du die Situation?
Lucio Cecchinello: Honda hat in den vergangenen Jahren oft den Projektleiter gewechselt. Das bedeutet, die Maschine wurde immer wieder mit einer völlig anderen Dimension, anderem Schwerpunkt und anderer Gewichtsverteilung gebaut. All diese Wechsel brachten die Teams und die Fahrer immer in ernste Probleme, wenn es darum ging, das passende Setup zu finden, damit der Fahrer das richtige Gefühl hat und die Maschine richtig handhaben kann, bei den Richtungswechseln schnell sein kann und die Maschine sauber in die Kurvenmitte bekommt. Wir hatten bei den Wintertests ein paar Probleme und wir sind vielleicht das einzige Honda-Team, das im Vergleich zu den anderen mit wenigen Problemen nach Katar kam.

MSM: Randy ist in den vergangenen eineinhalb Jahren viel konstanter geworden. Du hast bereits den Einheitsreifen als Grund dafür erwähnt. Gibt es noch andere Gründe dafür?
Lucio Cecchinello: Ich glaube, dass Randy nun Rennen für Rennen ein Ziel hat und wenn er auf dem sechsten, siebten, achten Platz ist, dann weiß er, er liegt in unserem Zielbereich. Denn wir wissen genau, dass die zwei Werks-Yamahas, die zwei Werks-Ducatis und die zwei Werks-Hondas nur sehr schwer zu schlagen sind. Also sind da schon sechs Fahrer, die vorne sind. Er denkt nun konservativer als in den Jahren davor. Das ist aber auch etwas schade, da wir wissen, dass er ein größeres Potential hat. Er muss etwas mehr an sich glauben. Ich denke, wenn Randy ein ganzes Rennen mit den Spitzenfahrern mithalten kann, dann wird sich ein Schalter bei ihm umlegen und er wird fantastisch sein.

Cecchinello sieht in De Puniet noch mehr Potenzial, Foto: Milagro
Cecchinello sieht in De Puniet noch mehr Potenzial, Foto: Milagro

MSM: Es wurde schon viel über deine Herangehensweise zum Sponsoring gesagt. Wie lief die Sponsorensuche für dieses Jahr?
Lucio Cecchinello: Ich muss da sehr ehrlich sein. Der ganze Sponsorenmarkt im Motorsport ist runtergegangen, vor allem nachdem die Tabak-Konzerne weg waren. Deren Ausstieg stimmte ich auch zu. Wir hatten aber in den vergangenen zwei Jahren auch das Problem der Wirtschaftskrise. Irgendwie erleben wir eine schwere Zeit. Wir müssen alle Ausgaben optimieren und wir müssen viel mehr mit den Werbe-Agenturen kommunizieren. Momentan wird eng mit Motorrad-Teileherstellern und Motorrad-Accessoire-Produzenten zusammengearbeitet und man tut auch viel mit Werbe-Agenturen. Bislang ist unser Sponsoren-Budget nicht so schlecht, da wir ein großes Netzwerk an Kontakten aus der Werbebranche haben und Schritt für Schritt treten wir mit ihnen in ernsthafte Gespräche ein. Wir bekommen jetzt von dort auch die ersten Sponsorings. Aber die Menge an Sponsoring ist viel geringer als früher. Wenn früher etwas viel brachte, bringt es nun 30 Prozent weniger oder sogar noch weniger. Das müssen wir aber akzeptieren und um das Budget zu erreichen, müssen wir mit mehr Sponsoren sprechen. Deswegen wechsle ich oft die Aufkleber an unseren Maschinen.

MSM: Der Start der Moto2 war sehr erfolgreich. Hast du Pläne, in Zukunft mit deinem Team in der Klasse mitzumachen?
Lucio Cecchinello: Wir lieben die Moto2. Sie ist toll, denn die Teams können dort mehr auf Ingenieurs-Seite arbeiten, so wie das vor vielen Jahren war. Momentan möchten wir uns aber auf die MotoGP konzentrieren, denn wir wissen, in der MotoGP zu sein, verlangt viel Arbeit und Mühe und ich möchte mich lieber hundertprozentig auf die MotoGP konzentrieren. Wenn wir aber einen großen Sponsor und ein großes Budget an Land ziehen und damit die richtigen Leute für die Moto2 anheuern können, warum nicht?

MSM: Was denkst du über den Wechsel zu 1000cc in der MotoGP?
Lucio Cecchinello: Sagen wir, dass ich den Wechsel von 1000cc zu 800cc nie mochte. Denn auch wenn die MotoGP eine Prototypen-Klasse ist, so glaube ich, dass wir immer eine enge Verbindung zu den Straßenprodukten brauchen. Mit der 800er haben wir einen Motor entworfen, der am Markt nicht verkauft wird. Wir entwickeln Motoren mit pneumatischen Technologien, die am Markt nicht verkauft werden. Ich denke, es ist gut, wenn der 1000cc-Motor wieder kommt, denn die Werke werden wieder dazu motiviert, hier zu sein - auch andere Werke wie BMW, Aprilia oder wer auch immer. Denn sie werden eine viel direktere Verbindung zu ihren Straßen-Produkten sehen. Bereits vertretene Hersteller, die bei ihren Verkäufen auch Probleme haben, werden motivierter sein, um in dieser Klasse weiter zu investieren. Denn sie werden Technologien viel näher am Markt entwickeln. In Wahrheit ist es so, dass die in Zukunft gebauten Motoren von BMW, Aprilia oder auch der 1000cc-Honda sehr nahe an den Straßen-Produkten dran sein werden. Das ist sehr gut für den Sport und für die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.

MSM: Haben Privatteams bessere Chancen gegen die Werksteams, wenn die 1000er kommen?
Lucio Cecchinello: Ein weiteres Ziel dieser Regel ist es, eine sehr starke Weltmeisterschaft aufzubauen, so wie wir es in der Moto2 sehen. Denn letztendlich ist es den Fans egal, ob wir eine Karbonbremse haben, die 100.000 Euro kostet. Sie möchten viel lieber Kämpfe, Wheelies, Berührungen und Slides sehen. Sie brauchen das Spektakel. Es sollte also definitiv gut werden.

MSM: Du warst selbst ein Weltklasse-Fahrer. Reizt es dich manchmal, auf die RC212V zu springen und eine Fahrt zu machen?
Lucio Cecchinello: Ich würde das liebend gerne machen. Ich glaube aber, es gibt mehrere Phasen im Leben. In einer Phase spielt man mit den kleinen Soldaten und dem kleinen Plastik-Motorrad. Dann gibt es die Phase, in der man Sport macht, Spaß hat, den Kopf frei hat und nicht daran denkt, dass man etwas riskiert. Dann gibt es eine weitere Periode, in der man plötzlich merkt, dass man erwachsen werden muss. Und die Jahre gehen vorbei. Auf der einen Seite würde ich also liebend gerne auf die Maschine springen, aber ich weiß auch, dass jetzt nicht mehr die Zeit dafür ist, da ich wichtige Verantwortungen habe, um die ich mich kümmern muss. Wenn ich eine Verletzung hätte, würde das viele Probleme für mein Unternehmen bedeuten. Lass mich also davon träumen, dass ich wieder auf die Maschine steigen werde, sobald ich in Rente gehe - nur um Spaß zu haben natürlich.

MSM: Wenn wir gerade beim Träumen sind. Was würde es für dich bedeuten, wenn dein Team ein MotoGP-Rennen gewänne?
Lucio Cecchinello: Wow. Du verursachst mir jetzt eine Gänsehaut, wenn du so etwas sagst. Für mich wäre das wie der Gewinn einer Weltmeisterschaft, denn es ist so schwierig in dieser Klasse. Das wäre fantastisch. Für mich wäre es schwierig, da nicht zu weinen.

Cecchinello würde weinen, wenn sein Team ein MotoGP-Rennen gewinnen sollte., Foto: LCR Honda
Cecchinello würde weinen, wenn sein Team ein MotoGP-Rennen gewinnen sollte., Foto: LCR Honda

MSM: Für dich als Team Manager, wer ist dein Favorit auf den WM-Titel dieses Jahr?
Lucio Cecchinello: Ich denke, es wäre gut für unseren Sport, wenn jemand wie Lorenzo den Titel gewinnt. Ich glaube, er macht einen sehr guten Job und wenn Lorenzo dieses Jahr gewinnt, wird Valentino sicher noch ein Jahr weitermachen, denn bevor er aussteigt, will er zumindest einen zehnten Titel.

Das Interview mit Lucio Cecchinello stammt aus unserem Printmagazin Motorsport-Magazin. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: