Voriges Wochenende in Brünn betonten die Flamminis, es wird in der MotoGP keine Serien-Motoren geben, das hätten sie von der FIM schriftlich. Wie ist da der aktuelle Stand der Dinge?
Herve Poncharal: Das erste, was ich sagen kann, ist, dass ich viel Respekt und Bewunderung für Vito Ippolito habe. Vito Ippolito ist der Präsident der FIM. Die CRT-Regel [Claiming Rule Teams] für 1000cc könnte einen seriennahen Motor haben, wie es die Presseaussendung der FIM besagte. Das ist also ein Statement der FIM. Die Weltmeisterschaft ab 2012 wird 1000cc und eine Bohrung von 81 Millimeter haben. Man kann Prototypen haben, die erhalten sechs Motoren pro Saison und 21 Liter Sprit pro Rennen, man kann CR-Teams haben, die bekommen zwölf Motoren pro Saison und 24 Liter Benzin pro Rennen. Das steht in der FIM-Presseaussendung, die ihr auch bekommen habt. Auf der anderen Seite schrieb Vito Ippolito einen Brief an Infront, in dem er schrieb: 'Ihr seid die einzige Weltmeisterschaft, die Serien-Motorräder einsetzen darf'. Er weiß, was er tut und ich vertraue darauf, dass Vito Ippolito nicht dumm ist. Wenn er die CRT so unterstützt, so wie er das bereits in der Presseaussendung getan hat, dann glaube ich, es heißt, wir können eine MotoGP-Klasse mit 1000cc haben, zu der CR-Teams gehören und die Superbikes haben ihre Serien-Maschinen.

Warum glaubst du, dass das Verhältnis zwischen den Serien doch nicht so gut ist, wie manchmal angenommen?
Herve Poncharal: Ich sehe nur, dass es immer wieder Angriffe von der einen Seite gegen die andere gibt. Die andere Seite hat nie etwas über die andere Weltmeisterschaft gesagt. Sie haben nie ein Wort über die andere Weltmeisterschaft gesagt. Sie haben nie große Pressekonferenzen gemacht, in denen über die andere Weltmeisterschaft gesprochen wurde. Sie reiten keine Angriffe, in denen sie sagen, sie werden juristisch dieses und jenes machen. Wir haben die gleichen Dinge über die Moto2 gehört und jetzt haben wir die Moto2 und sie haben die Supersport. Niemand sagt, dass es da ein juristisches Problem gibt, also sehe ich nicht, warum es in der Königsklasse so sein sollte. Ich vertraue da wieder auf Vito Ippolito, dass er die Teile des Vertrages versteht, die Infront und die FIM verbindet und dass er die Teile des Vertrages versteht, die Dorna und die FIM verbindet. Vito versteht sehr wohl, was ein Claiming Rule Team ist. Ich denke, das ist es, basta. Ich denke, die beiden Weltmeisterschaften sollten nicht kämpfen, sie sollten sich ergänzen. Aber eine Weltmeisterschaft will direkt mit der anderen konkurrieren. Für mich ist die Basis so, dass die Superbike-Weltmeisterschaft seriennahe Motorräder einsetzt. Sie haben schon früher erlaubt, dass ihre Maschinen etwas aus dem Rahmen gelaufen sind. Wir kennen die Geschichten von Petronas, der Fogarty-Maschine und so weiter. Wir kennen auch das aktuelle Gerede über Aprilia und über alle Maschinen. Wie viele sich da wirklich an die Regeln halten, weiß ich nicht. Sie lassen es also immer mehr zu einer Art Prototyp kommen. Ich denke, das ist falsch. Ich will da aber keine Debatte starten, aber Vito weiß, was er zu Flammini gesagt hat und es gab die Presseaussendung zu den CR-Teams. Eine Weltmeisterschaft sagt immer etwas gegen die andere.

Also gibt es für Dich prinzipiell Unterschiede zwischen den Meisterschaften?
Herve Poncharal: Wenn man sich ansieht, was nun passiert ist, wenn man sich die Moto2 ansieht und sie neben die Supersport stellt, dann versteht man leicht, das eine ist ein Prototyp und das andere eine seriennahe Maschine. Wenn man eine CBR600 nimmt, wie Laverty oder Sofuoglu sie verwenden und dann die Maschinen von Elias oder Takahashi damit vergleicht, dann sehen sie einem MotoGP-Motorrad doch sehr ähnlich. OK, wenn man die Verkleidung abnimmt, dann sieht man, das ist ein Serien-Motor. Aber im Moto2-Motorrad ist nicht ein Teil, der aus der Serie kommt. Nicht einmal der vordere und hintere Kotflügel, der Tank oder der Sitz, nichts. Genauso wird es für die MotoGP sein. In der Moto2 kann man außerdem keinen Hersteller haben. Honda kann nicht kommen und sagen, wir haben die Moto2 gewonnen, denn hier haben wir ein Tech-3-Motorrad, eine Kalex, eine Moriwaki, eine Suter und so weiter. Sie wird von Honda angetrieben, aber mehr nicht. Ich denke, jeder sollte da ruhig bleiben und wir sind ruhig. Wenn man sieht, wie viele Teams sich für diese Weltmeisterschaft bewerben wollen und bewerben, damit sie mitmachen können, dann bietet diese Weltmeisterschaft vielleicht mehr Wert fürs Geld oder passt besser in die echte Welt, wie sie sich aufgrund der Wirtschaftssituation nun darstellt. Wir hatten 93 Anträge für die Moto2, wir mussten das auf 40 reduzieren und dann kommen noch zwei Wildcards dazu, wir haben beinahe jedes Wochenende 42 Motorräder in der Startaufstellung. In der Supersport sind es weniger. Ich weiß ja nicht. Sicher gab es im Winter die Debatte, dass sie 150 PS haben und wir 125, dass sie schneller sind und so weiter. Aber voriges Jahr brauchte Crutchlow 37 Motoren, wir haben sechs pro Saison. Ich denke, die aktuelle finanzielle Situation ist sehr angespannt und wir müssen auf die Kosten schauen. Ansonsten werden wir mehr und mehr Teilnehmer verlieren und das wollen wir nicht.

Weil wir über Vito Ippolito sprachen. Es wird dieses Jahr Wahlen bei der FIM geben. Denkst du, Vito wird noch eine Amtszeit bleiben?
Herve Poncharal: Ich bin nicht Teil der Politik, aber wenn ich etwas sagen kann, dann dass wir mit Vito einen tollen Präsidenten haben. Das meine ich ganz ehrlich. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, niemals zuvor hatten wir so eine Beziehung zu einem FIM-Präsidenten. Ich würde es gerne sehen, wenn er noch eine Amtszeit machte. Denn er ist offen, er hört den Teams zu, er hört den Herstellern zu, er hört den Fahrern zu, er hört den Promotern zu und er will verstehen und helfen. Er will nicht diktieren. Ich habe das Glück, IRTA-Präsident zu sein, also gehöre ich zur Grand Prix Commission und Vito ist dort oft dabei. Er ist sehr offen, er liebt Motorräder und den Motorradsport. Er hatte früher selbst ein Team. Für mich ist es ein Traum, einen Präsidenten wie Vito zu haben. Ich möchte, dass dieser Traum weitergeht.

Die Zukunft der 125er ist mittlerweile beschlossen?
Herve Poncharal: Ja.

Kannst du mir sagen, wie sie aussieht?
Herve Poncharal: Du hast die Presseaussendung gesehen. AB 2012 wird die 125er durch die Moto3 ersetzt. Die hat einen Zylinder, vier Takte, maximal 250cc Hubraum und eine Bohrung von 81 Millimetern. Ich als IRTA-Präsident sehe, wie viele Probleme die Team Manager in der 125er momentan haben - so wie vorher die Team Manager in der 250er. Wir haben viel Druck von vielen Teams, die uns um Hilfe gebeten haben. Sie brauchten eine Änderung, da es mit der Klasse nach unten geht. Das war die aufregendste Klasse, sie ist immer noch aufregend, weil die drei Spanier wirklich stark sind, aber man kann sehen, dass dies die Klasse ist, in der der Abstand zwischen dem ersten im Qualifying und dem 15. oder 20. am größten ist. Manchmal sind es 3,5 Sekunden, das geht nicht. Wenn man sich das Rennen ansieht, dann sind der Vierte oder Sechste manchmal 40 Sekunden oder eine Minute zurück. Da hast du dein Problem. Die Moto3 sollte helfen, so wie das die Moto2 tat. Jetzt ist außerdem jeder in der Moto2, das sind zu viel. Was wir mit der Evolution der MotoGP und der 125er, die zur Moto3 wird, wollen, ist mehr Balance in allen Bereichen. Denn die Teams, die in der Moto2 Probleme haben, könnten in die Moto3 gehen. Jetzt wollen sie das noch nicht, weil es die 125er ist. In der Moto3 wären sie glücklich, denn das Budget wird dort erschwinglicher sein. Die besten Moto2-Teams, die es sich leisten können, könnten in die MotoGP gehen. Dann hat man mehr Leute in der MotoGP, mehr in der Moto3 und etwas weniger in der Moto2. Dann wäre es besser ausbalanciert. Jetzt geht die 125er zurück, die MotoGP ist sehr dünn besetzt und die Moto2 ist zu groß. Wir müssen das ausbalancieren und wenn wir die neue Regeln für die drei Klassen haben, werden die Weltmeisterschaften viel gleichwertiger sein.

Dreht sich also alles um das, was um den Motor liegt. Denn wenn man das mit Motocross vergleicht, da haben sie von Zweitakt auf Viertakt gewechselt und es wurde viel teurer als vorher...
Herve Poncharal: Ich denke, das ist schwer zu vergleichen. Motocross ist Motocross. Wenn man sich die Moto2 ansieht, so musste man voriges Jahr in der 250er noch eine Maschine von Aprilia leasen und die kostete 1,2 Millionen Euro. Am Ende des Jahres ging sie wieder ins Werk zurück, da ist es egal, ob das Zweitakt oder Viertakt ist. 1,2 Millionen gingen raus und am Ende des Jahres stand nichts mehr in der Garage. Dieses Jahr kostete es pro Fahrer maximal 300.000 und am Ende des Jahres gehört dir das Chassis, das Fahrwerk, die Bremse, alles. Man kann es weiterverkaufen oder noch ein Jahr weiter verwenden, wenn man nicht so ein gutes Budget hat. Denn das Paket wird weiter konkurrenzfähig sein, da die Regeln für drei Jahre gleich bleiben. Das macht also Sinn. Wenn man 100.000 für Motor und Reifen ausgibt und die Maschine 200.000 kostet, dann kann man diese 200.000 auf zwei oder drei Jahre rechnen und das ist viel billiger. Und jeder kann gewinnen. Auf dem Papier haben alle Maschinen die Fähigkeit zu gewinnen. Ja, man braucht den richtigen Fahrer und so weiter, aber es ist nicht unmöglich. Wenn man früher eine private Aprilia für drei Jahre hatte, hatte man keine Chance auf den Sieg. Nur vier oder fünf Leute hatten in der 250er überhaupt eine Chance. Da waren Simoncelli, Barbera, Bautista, Aoyama und das war es dann schon. Jetzt können viel mehr Leute gewinnen. Wenn wir also so viele Interesse von allen Teams aus allen Meisterschaften an dieser Klasse haben, dann liegt das daran, dass diese Klasse in die heutige Realität passt. Die sieht so aus, dass wir die ökonomische Situation haben, wie sie eben ist, dass wir eine gute Show brauchen und weiteres. Und jedes Team kann zu seinem Sponsor sagen, auf dem Papier kann ich hier Rennen gewinnen. Das war vorher nicht der Fall.