KERS, das kinetische Energierückgewinnungs-System, sorgte 2009 nicht nur in der Formel 1 für Aufsehen und Diskussionen, auch in der Motorrad-WM gab es deswegen dicke Luft. KTM hatte ein derartiges System entwickelt und es wurde vom Motorrad-Weltverband wieder verboten, obwohl man sich innerhalb der Regeln befand. Später gab es dann auch eine Entschuldigung der FIM, was aber nicht viel half.

In unserem Special "Best of 2009" können Sie noch einmal den Hintergrundbericht zum KERS von KTM aus der April-Ausgabe des Motorsport-Magazins nachlesen, in dem dargelegt wird, warum das System regelkonform ist. Dies ist die ungekürzte Fassung und beinhaltet auch Passagen, die aus Platzgründen im Magazin leider gestrichen werden mussten.

KERS - oder KTM erfindet regelkonformes System

Warum es darüber überhaupt eine Diskussion gibt, soll ihnen der exklusive Bericht auf den nächsten Seiten näher bringen. Bei genauerer Betrachtung müsste das Energierückgewinnungssystem von KTM erlaubt sein. Marc Marquez hat es in Jerez und Barcelona schon getestet und war damit um eine Sekunde schneller als ohne. Ob es wirklich eingesetzt werden darf, ist im Moment noch nicht klar. Machen Sie sich ihr eigenes Bild.

Artikel 2.1.1. des FIM-Reglements führt an, dass zum Antrieb des Motorrades nur ein Verbrennungsmotor mit innerer Verbrennung dienen darf. Daraus geht hervor, dass die gesamte Energie, die dem Motorrad zur Verfügung steht, vor dem Motoranlaufen im Brennstofftank des Motorrades gespeichert zu sein hat. Diese Bedingung bleibt auch dann erfüllt, wenn die Vorrichtung KERS an das Motorrad angeschlossen ist. Vor dem Start des Verbrennungsmotors ist in allen Superkondensatoren Null Energie.

Das Prinzip der Tätigkeit des Verbrennungsmotors ist, die im Brennstoff enthaltene chemische Energie in mechanische Energie zu transformieren. Diese wird in weiterer Folge zur Erhöhung der kinetischen Energie des sich bewegenden Motorrads benutzt.

Harald Bartol hätte das KERS gerne eingesetzt, Foto: Sutton
Harald Bartol hätte das KERS gerne eingesetzt, Foto: Sutton

Im Verlauf der Tätigkeit des Verbrennungsmotors kommt es bei der Fahrt beim Benzinverbrennen zur Lockerung der Energie aus dem Brennstoff und deren Transformation in mechanisch-kinetische Energie, die dann die Bewegung des Motorrades durch den Hinterradkontakt mit der Piste ermöglicht.

Bei einem Bremsvorgang des Motorrades kommt es zur Rücktransformation der kinetischen Energie. Diese kinetische Energie wurde dem Motorrad primär nur durch die Transformation der chemischen Energie im Motor beim Verbrennungsprozess geliefert. Hier erfolgt die Zustimmung mit dem Artikel 2.1.1., wo steht: "zum Motorradantrieb muss der Motor mit innerer Verbrennung dienen".

Ein Teil dieser Energie wird nicht mit der Transformation auf die Wärme verloren, sondern wird auf die elektrische Energie überführt und diese wird in einem Kondensator gespeichert. Bei der Beschleunigung und dem Erreichen einer gewissen Tourengrenze des Verbrennungsmotors kommt es zur Lockerung, der in den Kondensatoren gespeicherten elektrischen Energie und ihrer Rücktransformation in mechanische Energie. Diese wird zur besseren Gleichmäßigkeit des Ganges bei dem Zweitaktzylindermotor ausgenutzt. Es handelt sich allerdings um dieselbe Energie, die aus dem Brennstoff mit Hilfe des Zweitaktmotors transformiert wurde.

Aus dem Obenerwähnten geht klar hervor, dass die gesamte zum Antrieb des Motorrades benutzte Energie, auch im Falle der KERS-Benutzung, ausschließlich mit Hilfe des Verbrennungsmotors gewonnen wird. Die Regeln führen nicht an, auf welche Weise die Energie des Verbrennungsmotors für den Motorradantrieb benutzt werden muss. In den Regeln steht nur, zum Antrieb muss ein Verbrennungsmotor benutzt werden.

KERS hätte den Motor gar nicht alleine antreiben können, Foto: Kirn F.
KERS hätte den Motor gar nicht alleine antreiben können, Foto: Kirn F.

Die Vorrichtung KERS betreibt das Motorrad nicht. Der Einzylinderzweitaktverbrennungsmotor weist im Laufe einer einzigen Tourenzahl ziemlich große Ungleichmäßigkeit bei den Winkelgeschwindigkeiten der Kurbelwelle auf; zum Unterschied von ihrem Konstantwert beim Elektromotor. Der Elektromotor - also das elektronische Schwungrad - vergleicht nur den Unterschied der Winkelgeschwindigkeiten der Kurbelwelle beim Verbrennungsmotor. Das Drehmoment des Elektromotors - des elektronischen Schwungrades - wächst mit den Touren, und sein maximaler Wert erreicht 1,19 Nanometer bei 12.860 Touren pro Minute. Dieses kleine Drehmoment ist nicht im Stande, den Kolben des Verbrennungsmotors durchzukurbeln und auf keinen Fall das Fahrzeug in Bewegung zu bringen oder sogar den Antrieb des Fahrzeugs zu sichern.

Dadurch ist die Bedingung im Artikel 2.1.1. erfüllt, dass für den Antrieb des Fahrzeuges nur ein auf dem Zweitaktprinzip arbeitender Verbrennungsmotor dienen kann. Im Falle des Ausschaltens des Verbrennungsmotors im statischen oder dynamischen Betrieb wären die Leistung und das Drehmoment des Elektromotors nicht imstande, das Motorrad in Bewegung zu bringen und seinen Antrieb zu sichern.

Im Falle der jetzigen Motorräder wird ein Teil der Leistung des Verbrennungsmotors auf die elektrische Energie mit Hilfe von Batteriestrom transformiert. Dieser dient zur Speisung der Motorradelektronik und der anderen Vorrichtungen, wie zum Beispiel der Brennstoffpumpen oder der Wasserpumpe des Kühlungssystems (alle diese Vorrichtungen beinhalten auch einen Elektromotor). Gleiches gilt auch für KERS.

Marc Marquez musste ohne KERS auskommen, Foto: Ronny Lekl
Marc Marquez musste ohne KERS auskommen, Foto: Ronny Lekl

Nirgendwo in den Regeln steht, welche Menge der Energie des Verbrennungsmotors man abnehmen oder auf elektrische Energie transformieren kann. Ferner ist auch nicht angeführt, welche Zusatzvorrichtungen auf dem Motorrad sein können und wie viele das sein dürfen. Im Falle, dass KERS ausfällt, kann das Motorrad weiter fahren und das Rennen beenden, was bei den anderen Zusatzeinrichtungen so nicht der Fall wäre. Sollte KERS als ein Zusatzteil des Antriebes angesehen werden, dann müssten auch die anderen Bauteile (Brennstoffpumpen, Wasserpumpe, des Kühlungssystems) als ein Zusatzteil angesehen werden, weil sie im Gegensatz zu KERS nötig sind, um das Motorrad überhaupt zu betreiben.

Artikel 2.3.1.

Dieser Artikel führt an, dass die Motoren entweder Zweitakt oder Viertakt sein müssen. KERS kann hier nicht eingerechnet werden, weil es sich um eine Zusatzvorrichtung zu einem selbständigen Motorrad handelt. Somit ist der einzige Motor der Zweitakt-Verbrennungsmotor. Sollte man KERS in den Artikel 2.3.1. eingliedern, dann müssten auch weitere Elektromotoren, die ein Zusatzteil des Motorrades bilden (Wasserpumpe, Brennstoffpumpen, Auslassschiebersteuerung) darin eingegliedert werden. Diese stünden dann im Gegensatz zu Artikel 2.3.1. der FIM Road Racing World Championship Grand Prix Regulations 2009.

Weiter muss man hier erwähnen, dass der Elektromotor im System die Funktion des elektronisch gesteuerten Schwungsrades erfüllt, das die Schwankung der Winkelgeschwindigkeiten der Motorkurbelwelle ausgleicht. Diese Schwankung ist bei einem Einzylinderzweitaktmotor markant.

Dieses KERS wäre zu groß gewesen, Foto: Sutton
Dieses KERS wäre zu groß gewesen, Foto: Sutton

Das elektronische Schwungrad liefert dem Verbrennungsmotor keine Energie, und zwar in der Phase der Position der Kurbelwelle, wo die augenblickliche Winkelgeschwindigkeit bei der Kurbelwelle des Zweitakteinzylinderverbrennungsmotors höher ist, als die Winkelgeschwindigkeit des sich drehenden Schwungrades. Daraus geht klar hervor, dass die einzige Quelle der Bewegung des Fahrzeugs der Zweitaktverbrennungsmotor ist und bleibt.

Sollte diese Vorrichtung im Gegensatz zu den jetzigen Vorschriften der FIM Road Racing World Championship Grand Prix Regulation 2009 stehen, dann müsste hier der Elektromotor auf der Vorgelegewelle des Getriebegehäuses platziert werden, wie es bei allen anderen Rekuperations-Systemen der Fall ist, wo man den Effekt des elektronischen Schwungrades verliert. Die Vorgelegewelle besitzt eine weit ausgeglichenere Winkelgeschwindigkeit im Laufe einer Tour als die Kurbelwelle des Verbrennungsmotors.

Der Verbot dieses Systems steht im krassen Widerspruch mit dem Artikel 2.1.2., der einen innovativen Zugang und Durchsetzung neuer Ideen ermöglicht.

Der Hintergrundbericht zum KERS von KTM wurde in der April-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: