Wie oft hast du von deinem Sieg am Sonntag geträumt?
Jordi Torres: Nie, um ehrlich zu sein. Natürlich träumt jeder Fahrer davon, zu gewinnen. Ich wusste, dass ich mich ganz gut mache und hart daran arbeitete, mich langsam zu verbessern. Diese Angewohnheit, jeden Tag hart zu arbeiten, nichts auf morgen zu verschieben, hat uns an den Punkt gebracht, an dem wir alles in der Hand hatten, um zu gewinnen. Ich bin Realist. Ich wusste, dass wir auf dem richtigen Weg sind, aber ich habe sicherlich nicht geglaubt, dass wir schon bereit waren, zu gewinnen, vielleicht weil ich zu hart mir selbst gegenüber bin. Soweit ich das beurteilen konnte, hätten wir alles noch klarer haben müssen, wenn gewinnen wollen, aber am Sonntag ist mir klar geworden, dass das meine Chance war. Der Sachsenring war für uns ein guter Kurs und wir haben das Meiste aus unserem Paket herausgeholt, was entscheidend war. In einer derart harten Serie wie der Moto2 muss man etwas aus Gelegenheiten machen, wenn sie kommen, denn es kommen nicht jede Woche all die verschiedenen Faktoren zu deinen Gunsten zusammen.

Dein erstes Podium und dein erster Sieg - du hast ein paar Schritte ausgelassen!
Jordi Torres: Und das erste Rennen, das ich angeführt habe - ich habe alles auf einmal erreicht! (lacht) Dieser Sieg ist zustande gekommen, weil wir jeden Tag mehr von uns verlangen und das wird uns dabei helfen, in der Zukunft noch mehr zu pushen. Vielleicht hilft mir der Sieg dabei, über jeden Komplex, den ich eventuell habe, hinwegzukommen, denn jetzt weiß ich, dass ich von Anfang bis Ende an der Spitze fahren kann. Es ist ein Sieg der Konstanz und wir können nicht aus den Augen verlieren, wie er passiert ist, denn die Moto2 ist eine Serie, in der es einen schnell erwischen kann und in dem Moment, in dem du nicht ganz bei der Sache bist, kannst du viele Positionen verlieren. Dieser Sieg hilft uns dabei, bis zum Ende der Saison konstant zu bleiben.

War es so, wie du es dir vorgestellt hast?
Jordi Torres: Ich weiß nicht, ich bin mir nicht sicher, wie ich das beantworten soll. Wir wussten nach dem Training, dass unsere Pace gut ist, aber Pol [Espargaro] hatte die Oberhand und im Rennen war es dann andersherum. Glücklicherweise können sich Situationen unter Rennbedingungen ändern. Das Gute ist, dass wir die Pace hatten, uns nahe der Spitze qualifiziert haben und dann das Meiste daraus gemacht haben. Ich habe mich hinter Pol wohl gefühlt. Ich konnte pushen, wenn ich dachte, dass es der richtige Moment dafür ist, und zum Glück konnte er nicht mit mir mithalten. Was ich wusste, war, dass es auf dieser Strecke nicht viele Überholmöglichkeiten gibt. Daher musste ich meine Chance nutzen.

Massive Erleichterung

Man sagt, dass man den ersten Sieg nie vergisst...
Jordi Torres: Jorge [Martinez; Aspar-Teamchef] hat mich am Montagmorgen angerufen und mich daran erinnert! Ich bezweifle, dass ich ihn je vergesse. Aber was ich hoffe, ist, dass das Ergebnis durch noch großartige Dinge in den Schatten gestellt wird.

Hast du das Ganze schon begriffen?
Jordi Torres: Das habe ich, als ich über die Linie fuhr. Ich war mir sehr bewusst, dass ich es mir nicht leisten konnte, auch nur für eine Sekunde nachzulassen, bis ich die schwarz-weiß-karierte Flagge sehe. Ich war superkonzentriert aufs Fahren, aber als ich über die Linie gefahren bin, spürte ich eine massive Erleichterung. Ich habe eine halbe Runde lang in meinem Helm geschrien und mir sind alle möglichen Dinge durch den Kopf gegangen. Dieser Sieg hat viel Anspannung, die sich über viele Jahre hinweg in mir aufgebaut hat, freigelassen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.

Was war dein erster Gedanke, als du über die Ziellinie gefahren bist?
Jordi Torres: 'Das kann nicht wahr sein' war das erste, was ich gedacht habe. Dann konnte ich nicht mehr schreien. Es hat mich etwas an die CEV [spanische Meisterschaft] erinnert, als ich mit der Spitzengruppe fuhr, aber immer etwas zurückhielt, bis der Moment kam, auszubrechen. Für einen Moment war ich mir gar nicht sicher, ob ich die Weltmeisterschaft oder die spanische Meisterschaft gewonnen habe. Ich konnte es nicht recht glauben.

Es begann zu Hause

Hattest du das Überholmanöver in Kurve 12 geplant? Oder wie sah dein Plan aus?
Jordi Torres: Ich habe über eine Reihe von Runden hinweg bemerkt, dass ich später dort hinein bremse als die anderen. Als das Rennen voranschritt, realisierte ich, dass es vielleicht der beste Ort zum Überholen sein würde, der am wenigsten riskante. Dann bemerkte ich auf dieser einen Runde, dass Pol etwas früh bremste und entschied mich, einen Versuch zu wagen. Die Reifen begannen nachzulassen, aber ich wusste, dass wir das Setup haben, um die Pace hoch zu halten.

Wo kam dieser Sieg her?
Jordi Torres: Es begann alles zu Hause, wo ich auf der Spielkonsole gespielt habe, mir Videos von den letzten Rennen ansah und mir so viele Notizen machte wie möglich. Ich habe außerdem versucht, mich ins Jahr 2011 zurückzuversetzen und mich an die Gangsequenzen für die ganze Runde zu erinnern. All diese Vorarbeit hat die Dinge etwas einfacher gemacht, als wir tatsächlich am Freitag auf die Strecke gegangen sind. Diese Vorbereitung war wichtig, denn ich habe mich bezüglich des Wochenendes gut gefühlt, ehe ich überhaupt an die Strecke kam. Egal, ob ich sie mag oder nicht - Strecken, die von Kurve zu Kurve fließen, scheinen mir zu liegen. Am Donnerstag habe ich hart mit den Mechanikern gearbeitet und wir haben damit begonnen, alle Puzzleteile zusammenzusetzen.

Den Traum am Leben erhalten

Gehörst du nach diesem Sieg in die Kategorie Fahrer, die hart für ihre Chance arbeiten mussten?
Jordi Torres: Na ja, ich glaube, dass wenn man konstant hart arbeitet, jedes Ziel erreichen kann, das man sich setzt. Ich habe immer gesagt, dass wir [in Spanien] die beste nationale Meisterschaft der Welt haben und das beweist das Niveau der Fahrer, die wir in jeder Kategorie von Grand Prix haben. Vielleicht musste ich einen etwas anderen Weg gehen als die Mehrheit meiner Konkurrenten, aber dieser Sieg ist der Beweis, dass alles passieren kann, wenn man sich weigert, das Handtuch zu werfen. Ich war in den vergangenen zwei Jahren Ersatzfahrer und musste außerdem die spanische und die europäische Meisterschaft in zwei aufeinanderfolgenden Jahren gewinnen, aber am Ende bin ich hier und das aufgrund harter Arbeit. Das macht mich sehr stolz. Es war hart für mich, diese Chance zu erhalten, daher weiß ich sie auch so sehr zu schätzen. Nun, da ich hier bin, werde ich weiter arbeiten.

Wie sehr hat dir deine Beziehung zum MAPFRE Aspar Team auf dem Weg zu deinem ersten Sieg geholfen?
Jordi Torres: Meine Beziehung zum MAPFRE Aspar Team geht über die normalen Grenzen hinaus. Wir reisen alle zusammen und wir verbringen jeden Tag miteinander, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Die übrigen Teammitglieder sind meine Berater, Kollegen, Freunde. Auch wenn jeder weiß, was er zu tun hat, haben wir Spaß und das ist das Geheimnis einer guten Arbeitsatmosphäre. Jeder verdient diesen Sieg, denn alle haben in die gleiche Richtung gezogen.

Eine schöne Art, in die Ferien zu gehen...
Jordi Torres: Wie hätte man es besser machen können als mit einem Sieg? Nichtsdestotrotz werden wir während der Sommerpause weiterarbeiten, denn die zweite Hälfte der Meisterschaft wird hart und wir müssen vorbereitet sein.

Wie bewertest du insgesamt eine erste Saisonhälfte, die auf so spektakuläre Weise zu Ende gegangen ist?
Jordi Torres: Wir haben uns selbst das Ziel gesteckt, regelmäßig in die Top-10 zu fahren und wir haben das getan, daher können wir uns ein gutes Zeugnis ausstellen! (lacht) Wenn die Dinge gut gelaufen sind, waren wir da, wo wir sein sollten, und wenn sie nicht so gut gelaufen sind, dann haben wir hart gearbeitet, um uns zu verbessern. Wir müssen mit der bisherigen Arbeit zufrieden sein. Letzten Endes ist das meine erste volle Saison in der Moto2-Weltmeisterschaft. Ich kämpfe mit Fahrern, denen ich zugesehen und die ich bewundert habe, als ich noch ein Kind war, viele Jungs, zu denen ich aufgesehen habe. Die Tatsache, dass ich tatsächlich hier bin, ist eine Zugabe! Mein Ziel ist, weiter hart zu arbeiten, damit ich diesen Traum am Leben erhalten kann.