Wie geht es dir gesundheitlich, bei wie viel Prozent bist du angelangt?
Tom Lüthi: Wie viel Prozent kann ich nicht genau sagen, aber es geht mir auf jeden Fall viel besser. Ich arbeite mich Schritt für Schritt vorwärts, aber von 100 Prozent bin ich noch weit entfernt.

Hast du in den letzten Rennen einen Fortschritt gemerkt?
Tom Lüthi: Auf jeden Fall. Von Wochenende zu Wochenende wurde es besser. Das Problem ist, dass nach einem Rennwochenende das Ganze so gereizt und entzündet ist und ich dann erst wieder eine Pause brauche um wieder zu trainieren. Das ist natürlich eine schwierige Situation. Für mich wäre es am Besten, wenn jetzt einmal ein Monat Pause wäre. Dann könnte ich mich wirklich erholen, meine Armverletzung richtig auskurieren und wieder Kraft aufbauen. So würde es schneller vorwärts gehen. Momentan ist die Belastung einfach immer ein bisschen zu früh und zu groß.

Wo genau an deinem Arm hast du momentan die größten Probleme?
Tom Lüthi: Am Ellbogen, aber es fehlt auch die Kraft bis hoch in die Schulter.

Schränkt dich die Verletzung konditionell ein oder ist es eher ein partieller Schmerz?
Tom Lüthi: Beides. Der Schmerz ist sehr groß, das ist ein ständiger Kampf. Die Leute im Clinica Mobile helfen mir da sehr. Ich bekomme Spritzen, Tabletten und sie erklären mir, was ich wann machen kann. Aber der Schmerz wird mich noch lange begleiten, das haben mir die Physiotherapeuten und der Arzt gesagt. Dann kommt natürlich ein Mangel an Ausdauer und Kraft dazu. Trainings krieg ich schon hin, in Le Mans war ich Zweiter und es ging wirklich gut. Das war für mich ein Hammererlebnis und eine Riesenmotivation. Doch dann kommt eben das Rennen, und da hab ich schon noch ein bisschen Angst davor, weil es dann eben 45 Minuten am Stück sind. Das sind dann noch mal zwei Paar Schuhe.

Hat es im Rennen schon kritische Situationen gegeben, in denen du an einen Abbruch gedacht hast?
Tom Lüthi: Am Anfang schon. Im ersten Rennen nach der Verletzung in Jerez war es definitiv so. Es war ein sehr schwieriges Rennen, ich habe mehrmals überlegt, ob ich an die Box fahren soll, weil ich einfach mit der Kraft und den Schmerzen an der Grenze war. In Le Mans war es dann aber schon viel besser, und ich hoffe, dass es jetzt noch weiter bergauf geht.

Belastet es dich auch mental, wenn du weißt, dass du nicht zu 100 Prozent pushen kannst?
Tom Lüthi: Das wird schon immer stärker. Das Vertrauen in das Motorrad und mich selbst fehlt einfach. In Jerez war es erst einmal ein Abtasten, wie es sich anfühlt, wenn ich zum Beispiel voll bremse. Ich musste alleine fahren, niemand vor oder hinter mir, um mich auf meinen Körper zu konzentrieren. Dann kam das Abstimmen des Motorrads dazu, da haben wir natürlich sehr viel verpasst. Uns fehlen immerhin zwei Tests, und zwei Rennwochenenden. Die anderen haben da nicht geschlafen, sondern gearbeitet, das merkt man ganz klar. Dann habe ich körperlich immer ein besseres Gefühl bekommen und wollte mit der Abstimmung des Motorrads beginnen, aber ich konnte immer nur wenige Runden fahren, weil die Schmerzen zu groß waren. Wenn das passiert, ist man im Kopf nicht mehr voll bei der Sache und kann eben auch nicht mehr richtig pushen.

Wie wirst du abseits der Rennwochenenden medizinisch betreut?
Tom Lüthi: Ich bin wirklich in besten Händen. Mein Team besteht aus drei Personen – dem Chirurgen der mich operiert hat, einem Physiotherapeuten und einem Trainer. Ich bin zweimal operiert worden. Die erste Operation war die am Ellbogen. Das war quasi eine Notoperation. Die zweite war dann eine Bänderoperation an der Schulter. Jetzt versuchen wir in der Physiotherapie, die Bewegung, Streckung und Beugung wieder auf 100 Prozent zu bringen, da fehlt noch einiges. Das ist der Hauptpunkt, aber nebenbei arbeiten wir auch am Muskelaufbau. Ich schufte fast jeden Tag an meinem Arm. Wenn ich nach einem Rennwochenende nach Hause komme, nutze ich den Dienstag zur Erholung und um die Entzündung abklingen zu lassen und ein wenig Ausdauer zu trainieren. Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag besteht dann immer aus Therapie und anschließend beginnt schon wieder die Vorbereitung für den nächsten Grand Prix.

Du bist mit großen Ambitionen in die Moto2-Saison gestartet. Dann kam der Sturz und die Verletzung. Wie schwer ist es für dich, zuzusehen, wie sich Redding, Nakagami oder Espargaro an der Spitze matchen, und du musst hinterher fahren?
Tom Lüthi: Das ist natürlich bitter. Der Zeitpunkt für den Unfall war wirklich blöd. Wir waren sehr gut vorbereitet, genau im Plan mit der Entwicklung und Abstimmung des Motorrads und ich war körperlich auf Topniveau. Ich war optimistisch für die Saison und dann musste ich beim ersten Rennen in Katar schon zusehen. Da habe ich fast in den Fernseher gebissen. Dann war ich in Austin, weil ich dachte, das muss einfach gehen. Alle haben mir davon abgeraten, doch ich wollte unbedingt fahren und war überzeugt, dass ich es schaffe, aber es war einfach unmöglich und das musste ich einsehen. Ich musste also weiter zusehen. Es war zwar irgendwie positiv für mich zu sehen, dass Nico Terol mit der Suter gewonnen hat und, dass das Bike konkurrenzfähig ist, aber ich hätte eben auch gerne gezeigt, dass ich da mitmischen kann. Das ist auch jetzt noch nicht einfach und der Sturz in Le Mans war wieder ein kleiner Rückschlag.

Wie gut kannst du dich momentan der Abstimmungs- und Entwicklungsarbeit widmen?
Tom Lüthi: Wir versuchen, das wieder intensiver zu betreiben aber es ist nicht einfach. In den Trainings kann ich schon wieder längere Turnes fahren und bessere Aussagen machen, aber schlussendlich werde ich noch immer von meinem Arm eingebremst.

Rechnest du noch mit einer Besserung in dieser Saison oder hast du 2013 schon abgehakt?
Tom Lüthi: Nein, abgehakt nicht. Natürlich habe ich in der Weltmeisterschaft keine Chance mehr, aber ich möchte wieder hundertprozentig fit werden. Das wird lange dauern, aber ich möchte gegen Ende der Saison noch vorne mitmischen.

Wann rechnest du damit, wieder vorne dabei zu sein?
Tom Lüthi: Ich weiß es nicht. Ich kämpfe aber auf jeden Fall weiter.