Shoya Tomizawa - immer freundlich, immer gut drauf, Foto: Honda ProImages
Shoya Tomizawa - immer freundlich, immer gut drauf, Foto: Honda ProImages

Heute ist es eigentlich einen Tag zu spät, doch ich bin mir sicher, dass es erst der 6. September im letzten Jahr war, an dem die schreckliche Nachricht vom Unglück in Misano richtig ankam und sich die Trauer bei allen Verwandten, Freunden und Fans breit machte. Auch ich habe die Folgen des Unfalls erst am Montag realisiert. Am 5. September 2010 wurde Shoya Tomizawa viel zu früh aus dem Leben gerissen. Die schrecklichen Umstände, die an diesem Tag in Misano zum tragischen Ereignis führten und auch statistische Daten seiner Moto2-Platzierung möchte ich hier nicht noch einmal erwähnen. Shoya Tomizawa war ein großartiger Mensch, daran besteht kein Zweifel.

Ich hatte in diesen Wochen einen Trip durch ganz Italien geplant, einige Tage in Misano Adriatico zu halten war dabei natürlich ein Muss. Die Vorfreude machte sich überall breit, besonders an der Standpromenade zwischen Misano und Rimini. Bei mir schwand sie allerdings beim Blick auf die Eintrittspreise zum GP. Also musste ich in den sauren Apfel beißen und mich am bewölkten, aber warmen Rennsonntag lediglich in ein Cafe setzen - etwa einen Kilometer vom Misano World Circuit entfernt - um die Rennen auf einem Großbildfernseher zu verfolgen.

Ich sah den Sturz des Japaners, habe aber kaum weitere Folgen wahrgenommen. Es schien schon ernst zu sein, aber ich verstand die aufgeregten italienischen Stimmen einfach nicht, die das Geschehen im TV kommentierten. Das MotoGP-Rennen wurde gestartet, was mir die Angst ein bisschen nahm, an das Unfassbare zu denken.

Nach dem Rennen kamen italienische Nachrichten, es wurden Bilder von Tomizawa gezeigt, ich habe nichts kapiert. Vielleicht wollte ich es auch lieber nicht verstehen, eine Vorahnung war schon da. Doch ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es in meinem Lieblingssport wirklich so ernst zugeht. Ich wollte nicht wahrhaben, dass die Motorräder eine so große Gefahr darstellen und es eigentlich doch ständig um Leben und Tod geht. Ich habe lange darüber nachgedacht, bis ich es am Montagmorgen fast geschafft hatte, mir den Gedanken aus dem Kopf zu verdrängen.

Bei einer Rundfahrt in dieser Gegend darf natürlich auch Tavullia nicht fehlen, also beschloss ich im Rossi-Ort eine Tageszeitung zu kaufen, in der ich trotz Italienisch sicherlich mehr herausfinden würde... und die Bilder verrieten alles. Traurige Gewissheit kehrte ein: Es ist also wahr. Auf jeder Eintrittskarte steht 'Motorsport is dangerous' und er fordert tatsächlich seine Opfer - zu seiner Zeit.

Die Trauer ging um die Welt, auch mich hatte das Ganze ziemlich mitgenommen. Doch ich hatte das Glück, noch zwei weitere Wochen durch Italien zu touren und immer neue Eindrücke sammeln zu können, durch die ich das Gesehene verdrängen konnte. Trotzdem werde ich diesen Tag wohl nie vergessen und genauso wie der Rest der Motorsport-Welt wird auch mir das freundliche Lächeln von Shoya Tomizawa ewig in Erinnerung bleiben.