Sie ist der Zankapfel des modernen GT-Sports: die Balance of Performance. Ihretwegen gibt's ständig Stunk in der Szene, egal ob am Nürburgring, in Le Mans oder in Nordamerika, und immer ist das Gejammere gleich: Hersteller X wehklagt, dass sein Auto viel zu schlecht eingestuft sei, dass die Konkurrenz Performance verschleiert habe, und die Fans meckern, dass die ganze Einstuferei nichts mit Sport zu tun habe und ja eh nicht nötig sei – möge doch einfach das beste Auto gewinnen. Dabei verfolgt die BoP doch einen löblichen Zweck, nämlich technische Leistungsgleichheit, den Garanten für enge und damit spannende Rennen, wie diverse Markenpokale beweisen.

Zuerst mal muss eines klar sein: In der Praxis ist hundertprozentige Leistungsgleichheit unmöglich. Streng genommen besteht selbst in Markenpokalen keine absolute Gleichheit, sei es auch nur, dass das eine Auto produktionsbedingt hundert Gramm schwerer ist als das andere. Ergo kann die Balance of Performance nicht mehr sein als eine Annäherung ans Ideal. Will sagen: Das System kann nie perfekt funktionieren, aber das heißt noch lange nicht, dass es schlecht ist, erst recht nicht so schlecht, wie es gemacht wird. Im Folgenden möchte ich begründen, weshalb die BoP im GT-Sport wichtig ist, obwohl sie so oft für Streit sorgt und einen Zweck verfolgt, den sie nur theoretisch in Gänze erfüllen kann.

Ford, Ferrari, Aston Martin und Porsche starten werksseitig in Le Mans – plus Corvette, Foto: Porsche
Ford, Ferrari, Aston Martin und Porsche starten werksseitig in Le Mans – plus Corvette, Foto: Porsche

Der erste Grund ist zwar der banalste, aber gleichzeitig derjenige, unter dem alle anderen zusammenlaufen: Ohne die Balance of Performance wären GT-Rennen langweilig. Sie wären langweilig, weil immer schon im Voraus klar wäre, wer gewinnt. Nehmen wir die GTE: Bei freiem technischen Wettbewerb führen Ford und Ferrari auf und davon, denn zumindest unter dem aktuellen Reglement bringt das Konzept Mittelmotor plus Turbo derartige Vorteile, dass die Sauger-Konkurrenz unterginge wie drei Steine – Aston Martin, Corvette und Porsche würden bestenfalls eine zweite Klasse bilden. Und in Le Mans wäre es wohl so, dass sogar die Ferraris dem radikal zweckgerichteten Ford GT unterlegen wären.

Die BoP macht den Sport bezahlbar

Gäbe es also keine BoP, dann wären die Hersteller dazu gezwungen (würden sie denn siegen wollen), auf diejenige Bauart zu setzen, mit der sich gerade am meisten rausholen ließe – die Konzeptvielfalt wäre beim Teufel und damit genau das, was den GT-Sport seit jeher ausmacht. Davon abgesehen basieren GT-Rennwagen auf Straßenwagen, und nicht jeder Hersteller hat jede Bauart im Programm. Selbst wenn: Ohne BoP gingen die Kosten durch die Decke; die Formel 1 ist das beste Beispiel dafür, dass bei freiem technischen Wettbewerb nur gewinnen kann, wer das beste Material hat. Zählt der Grand-Prix-Sport drei, vielleicht vier Hersteller, kommt der "gebopte" GT-Sport auf sage und schreibe 14 plus.

Die BoP verhindert automatisch ein Wettrüsten, sodass manch privater Konstrukteur noch heute dazu in der Lage wäre, einen siegfähigen GT3 zu bauen, der weit weniger kosten würde als 300 000 Euro – sie ist der Gral des Kundesports! Dass die Preise in der GT3 zuletzt dennoch gestiegen sind, das hat weniger mit technischer Entwicklung zu tun als vielmehr mit der üblichen Neuer-gleich-teurer-Preispolitik der Hersteller, deren Kundensportabteilungen erstens unter Wasserköpfigkeit leiden und zweitens darunter, dass der Markt weitgehend gesättigt ist. Die GT1 sollte alle gelehrt haben, dass weltweit bloß eine Handvoll Privatiers dazu bereit ist, selbst für Unsummen einen Renn-GT zu kaufen.

Ohne eine echte Alternative lässt sich die Balance of Performance also nicht einfach über Bord werfen. Entweder wären die Rennen vorhersagbar, oder aber es ergäbe sich ein viel zu teurer Wettbewerb ohne Konzeptvielfalt und mit nur wenigen Herstellern, denn machen wir uns nichts vor: Wer über ein Serienauto mit der passenden Bauart nicht verfügt, der wird auch keines entwickeln, bloß um in einer kaum zu bezahlenden Motorsport-Kategorie dabei zu sein, deren Marketingwert nicht mal ansatzweise dem der Formel 1 entspricht. Und dass ein gesunder Kundensport auf der Basis freien technischen Wettbewerbs sowieso nicht möglich ist, das sollte mittlerweile noch viel klarer sein als die berühmte Kloßbrühe.

Es liegt an den Beteiligten

Das Feld der Blancpain-Langstreckenserie ist das größte im GT-Sport, Foto: Vision Sport Agency
Das Feld der Blancpain-Langstreckenserie ist das größte im GT-Sport, Foto: Vision Sport Agency

Ferner darf man nicht übersehen, dass es viele Meisterschaften gibt, wo die BoP sehr gut funktioniert, so im ADAC GT Masters, in der GTD der IMSA-Serie oder in der Blancpain um Stéphane Ratel. Vor allem das Team um den Architekten der GT3 erhält immer wieder Lob von allen Seiten. Ratels Cheftechniker ist der Franzose Claude Surmont, und Surmont gilt als unbestechlich und transparent. Im Grunde ist die BoP nämlich überall dort in Ordnung, wo die Kunden für wichtiger gehalten werden als die Hersteller, denn wo der Kunde das Feld stellt, da können die Hersteller die Verantwortlichen nicht unter Druck setzen. Viel zu oft ist es der Lobbyismus der Hersteller, der die BoP aus dem Gleichgewicht bringt.

Wer dem System trotz allem nichts abgewinnen kann, der mag ein neues technisches Reglement für die Lösung halten, eines, nach dem die Autos schlicht keiner nachträglichen Nivellierung mehr bedürften. Zuggeben, das wär's! Doch die Branche winkt hier geschlossen ab, und zwar stets mit der gleichen Begründung: Die Bauarten im GT-Sport seien zu verschieden, als dass man sie allein über die Regeln vereinen könnte. Sogar die technisch so freie LMP1 hat mit der Equivalence of Technology einen Performance-Angleicher, dabei gibt's selbst dort nicht ganz so viele Konzepte wie bei den Grand Tourern. Allein in der GTE fahren Sauger und Turbos, Front-, Mittel- und Heckmotoren, V8 und Boxer-Sechser.

Was der GT-Sport also braucht, ist nicht ein neues Reglement und auch nicht wie von Porsche-Sportchef Walliser spaßeshalber vorgeschlagen eine Imagekampagne für die BoP; was der GT-Sport braucht, ist Vernunft, Vernunft bei den Herstellern, aber auch bei den Promotern. Die BoP kommt nur dann ran ans Ideal, wenn die Hersteller bei den Einstufungstests maximale Performance zeigen und wenn der Prozess der Einstufung frei ist von Politik sowie für alle Beteiligten offen und verständlich. Würden sich alle so darum bemühen, wie nur einige wenige es derzeit tun, dann gäb's überall GT-Sport genauso eng wie fair, und die BoP wäre die längste Zeit ein Zankapfel gewesen.