In Le Mans war die Hölle los. Das ist jedes Jahr aufs Neue so und wie jedes Jahr war es eine geile Atmosphäre für Fans, Fahrer und Teams. Richtig beschreiben lässt es sich nicht. Die Stimmung bei 24 Stundenrennen wie in Le Mans und am Nürburgring ist fantastisch, lässt sich aber nicht in Worte fassen. Wer den Flair einmal erlebt hat, wird von ihm nicht mehr losgelassen.

Pierre Kaffer fuhr mit seinen Kollegen aufs GT2-Podium., Foto: Patching/Sutton
Pierre Kaffer fuhr mit seinen Kollegen aufs GT2-Podium., Foto: Patching/Sutton

Im Auto sind die hohen Geschwindigkeiten einzigartig, aber das gesamte Spektakel über mehrere Tage hinweg ist schlicht der Wahnsinn. Für die Mechaniker ist es eigentlich kein 24 Stundenrennen, sondern eher ein 72 Stundenrennen. Sie schrauben die ganze Woche an den Autos, schlafen wenig, arbeiten bis spät in die Nacht und müssen morgens wieder früh raus. Es gibt das Scrutineering, die Fahrerparade in der Stadt, die Qualifyings am Abend - das ist alles zusätzlicher Stress für das Team. Aber die Jungs haben unheimlich gut gearbeitet, das Auto lief einwandfrei und wenn es dann als Krönung einen Podestplatz gibt, ist Erfolg der beste Motivator.

Nach dem Qualifying waren wir auf Platz 5 in der GT2-Klasse und der zweitbeste Ferrari, allerdings wäre noch deutlich mehr gegangen. Unser Rennsetup war jedoch sehr gut und nachdem Pierre Ehret den Start gefahren war, stieg ich gleich für einen Doppelturn ins Auto. Die Rundenzeiten waren immer bei den Schnellsten dabei, auch wenn die Bedingungen in der Nacht sauschwer waren. Das hat mich ein bisschen an die Nordschleife erinnert: die Bahn war halbnass, halbtrocken, mal war dieser Streckenabschnitt nass, mal ein anderer. Man musste sich stets die Frage stellen: Welche Reifen sollen wir aufziehen? Wir waren mit unseren geschnittenen Slicks vielleicht etwas optimistisch, haben die Sache aber durchgezogen, während andere auf Intermediates oder Regenreifen gefahren sind.

In der Nacht waren die Bedingungen besonders schwierig., Foto: Patching/Sutton
In der Nacht waren die Bedingungen besonders schwierig., Foto: Patching/Sutton

Für mich gab es trotz des Wetters keine haarigen Situationen. Nur einmal hatte ich Aquaplaning als mich ein LMP überholte, die Räder sind kurz stehen geblieben und ich rutschte halb in den Notausgang. Die Streckenposten waren jedoch sofort da, schoben mich zurück und ich konnte direkt weiterfahren - das hat mich keine zehn Sekunden gekostet. Die Geschwindigkeitsunterschiede beim Überrunden sind sehr hoch. Du konzentrierst dich nach vorne auf deine Linie, versuchst nicht so viel daran zu denken, was hinter dir ist, und dann kommt plötzlich ein LMP1 von Audi oder Peugeot angeschossen. Obwohl vorher keiner da war, musst du beim Einlenken in die Kurve noch einmal in den Spiegel schauen, weil dann könnte ein Auto neben dir sein, das vorbeigehen wird. Dabei müssen allerdings beide mitspielen, sonst geht es in die Hose.

Pierre hatte so einen Zwischenfall: der Rückspiegel des Ferrari steht über die Karosserie hinaus und ein Audi hat ihm den Spiegel beim Überholen abgefahren. Das ist bei unserem Auto tödlich. Wir brauchen die Rückspiegel, weil wir ohne sie nichts nach hinten sehen können. Also haben wir uns von einem ausgeschiedenen Fahrer eine Tür geliehen und diese bei uns eingebaut. Das sah toll aus: eine grüne Tür in einem weißen Auto...

Du bekommst die grüne Tür nicht zu..., Foto: Patching/Sutton
Du bekommst die grüne Tür nicht zu..., Foto: Patching/Sutton

In den letzten Stunden gab es noch einen Knaller, als Pierre Kontakt mit einem LMP2 hatte. Danach war ein riesiges Loch in unserer Fahrertür. Zum Glück hatten wir die ursprüngliche Tür bis dahin mit einem Spiegel bestückt, so dass wir sie wieder einbauen konnten. Es war auch gut, dass es erneut die Fahrertür getroffen hatte, sonst hätten wir noch mal in die andere Box rüber laufen und die zweite grüne Tür ausbauen müssen. Dann wären mit zwei grünen Türen gefahren.

So war der Ferrari wenigstens für das Zielfoto gestylt: ein weißes Auto mit zwei weißen Türen. Als Tom Kristensen in langsamer Fahrt vor mir auftauchte, dachte ich mir schon, dass er kein Problem hatte, sondern die letzte Runde lief. Also habe ich mich an ihn rangehängt und bin hinter ihm ins Ziel gefahren. Ich habe mich sehr für Tom und die gesamte Besatzung gefreut. Mit Peugeot hatten sie eine harte Nuss zu knacken, die im Trockenen das Maß der Dinge war. Noch mehr freut mich natürlich unser Podestplatz. Für das Team war es ein großer Erfolg, Dritter zu werden. Das war einzigartig. Dafür nehme ich gerne die katastrophale Verkehrssituation und gerade einmal zwei Stunden Schlaf in Kauf. Le Mans ist eben Le Mans.