Erstmals seit vielen Jahren werden beim diesjährigen Indianapolis 500 unterschiedliche Aerodynamiken verwendet. Honda und Chevrolet bieten ihren Teams nicht mehr nur Motoren, sondern auch die sogenannten Aerokits an, die mit einigen Jahren Verspätung dieses Jahr in der IndyCar-Serie angekommen sind. Bislang hat es drei Unfälle in Indianapolis gegeben, was an sich nichts Außergewöhnliches darstellt. Dank der besseren Sicherheitsmechanismen des seit 2012 verwendeten DW12-Chassis blieben Helio Castroneves, Josef Newgarden und Pippa Mann unverletzt. Das Problem ist jedoch die Tendenz zum Aufsteigen der Boliden.

Während Mann in die Boxenmauer einschlug, ähneln sich die Unfälle von Castroneves und Newgarden wie aus dem Gesicht geschnitten: Beide Autos drehten sich in Turn 1 bei rund 350 km/h. Castroneves konnte noch einmal gegenlenken, verlor das Auto dann aber auf der schmutzigen Außenbahn. Newgarden hatte gar keine Chance mehr, seinen Dallara-Chevrolet abzufangen und landete sofort rückwärts in der Mauer. "Es brach einfach in Turn 1 aus und hat mich komplett überrascht", sagte Newgarden verdattert, nachdem er durchgecheckt worden war.

Mit der neuen Aerodynamik loten die Hersteller das Limit der Fahrzeuge aus, die in den vergangenen Jahren noch mit einem Einheitskit versehen waren. Zwar unterscheidet sich die Oval-Spezifikation weitaus weniger vom bisherigen Dallara-Kit als die Variante für Straßenkurse, trotzdem sind die Fahrzeuge deutlich spitzer zu fahren geworden und brechen unvermittelter aus. Chevrolet reagierte nach dem Unfall von Castroneves und riet seinen Team, den sogenannten "Wicker" - eine die Nase bis zum Cockpit hochlaufende Mini-Finne - nicht mehr zu verwenden.

Unterluft-Problem nicht auf die Schnelle zu lösen

Es ist bereits das zweite Mal, dass Chevrolet urplötzlich ein Aerokit modifiziert: Nach dem Saisonauftakt wurden beim Straßenkit die Tower auf dem Frontflügel von der IndyCar verbannt, nachdem eines dieser Teile bei einer Berührung in die Zuschauerränge flog und einen Zuschauer verletzte. Doch auch diese Maßnahme konnte nicht verhindern, dass Josef Newgarden auf ganz ähnliche Weise abflog - auch ohne den Wicker gleichen sich die Bilder.

Das Problem ist die Phase nach dem Aufschlag: Der Bolide wird bei der Rückwärtsfahrt wegen Unterluft in die Luft geschleudert. Die Chevrolet-CFD-Analysen ergaben, dass der Wicker teilweise für das Aufsteigen verantwortlich gewesen sei. Doch auch ohne die Finne flog Newgarden auf ganz ähnliche Weise durch die Luft. Unterluft ist ein anhaltendes Problem bei IndyCar-Fahrzeugen, das zunächst mit der Einführung des DW12 zumindest auf ein Minimum reduziert schien. Doch mit den Aerokits neigen die Fahrzeuge wieder zum Aufsteigen.

Hinter den Kulissen wird debattiert, wie sich solche Unfälle künftig vermeiden lassen. Häufigster Vorschlag: Automatisch hochfahrende Klappen nach Vorbild der NASCAR, die ein Aufsteigen verhindern. Problematisch ist jedoch, dass Newgarden beispielsweise nicht exakt rückwärts fuhr, als das Fahrzeug abhob, sondern leicht seitlich. Das Hauptproblem besteht darin, dass das Fahrzeug beim Aufprall leicht angehoben wird, damit ist es für Unterluft sehr anfällig. Kurzfristig werden keine Lösungen zu finden sein - das diesjährige Indy 500 muss mit diesem Risiko über die Bühne gehen müssen. Für die Zukunft werden jedoch Maßnahmen zu erwarten sein.