Am Ende war es eine kurze IndyCar-Saison, die bereits am 15. September und nach nur 15 Rennen ihr Ende fand - und doch war dieses so viel besser als das des Vorjahres. Rückblende: Beim Saisonfinale 2011 in Las Vegas verunglückte Ex-Champion Dan Wheldon tödlich. Die Tragödie riss die ganze Serie in ein tiefes Loch, schnell wurde allumfassende Kritik laut, genauso wie der Ruf nach unausweichlichen Veränderungen zur Verbesserung der Sicherheit. Dieser notwendige Schritt erfolgte im Winter 2012: Planmäßig wurde das neue Dallara-Chassis an die Teams ausgegeben, das zu Ehren Wheldons die Bezeichnung DW12 trägt. Der erste große Schnitt im technischen Bereich der Serie nach fast zehn Jahren wurde zudem durch die Einführung neuer Motoren komplettiert.

Mit Chevrolet, Honda und Lotus machten sich drei Hersteller an den Einsatz der neuen 2,2 Liter V6-Turboaggregate. Vor dem Saisonstart Ende März fanden schließlich ausgiebige Testfahrten statt, bei denen die Piloten recht schnell die gravierenden Umstellungen zu spüren bekamen und sich nicht wenige mit dem Handling des Boliden unzufrieden zeigten. "Ein großer Punkt ist die Gewichtsverteilung - wir müssen irgendwie mehr Gewicht auf die Frontpartie bekommen, damit das Auto am Kurvenausgang nicht so nervös ist", lokalisierte beispielsweise Ganassi-Pilot Scott Dixon die Schwierigkeiten.

Barrichello mit viel Lernbedarf

An die Steilwand musste sich Rubinho erst gewöhnen, Foto: IndyCar/LAT USA
An die Steilwand musste sich Rubinho erst gewöhnen, Foto: IndyCar/LAT USA

Als die Saison in St. Petersburg endlich losging, waren derlei Probleme zwar bei weitem noch nicht ausgemerzt, da sich alle Piloten und Teams jedoch vor die gleichen Anforderungen gestellt sahen, tat dieser Umstand einem guten Wettbewerb keinen Abbruch. Auch personell war zum Saisonstart für Abwechslung gesorgt. Mit Formel-1-Rekordstarter Rubens Barrichello, dessen Williams-Vertrag in der Königsklasse nicht mehr verlängert worden war, erhielt die Serie einen prominenten Neuzugang. An der Seite seines Freundes Tony Kanaan griff der ehemalige Ferrari-Star für KV Racing ins Lenkrad und beendete sein Debüt auf dem 17. Platz. "Ich habe das Gefühl, dass die Strategie hier eine viel größere Rolle spielt, als sie das für mich in der Formel 1 getan hat", erkannte der Brasilianer früh die Unterschiede zu seinem vorhergegangenen Engagement.

Das Abenteuer IndyCar bereitete dem Routinier, der sich urplötzlich in der ungewohnten Rolle des Rookies wiederfand, letzten Endes aber doch eine Menge Freude. Besonders beeindruckt zeigte sich Barrichello auch von seinen ersten Erfahrungen im Oval. "Wirklich verdammt schnell und sehr, sehr anders als alles, was ich bisher jemals ausprobiert habe. So nah wie hier, waren die Mauern noch nie", grinste der 40-Jährige nach seinen ersten Metern in der Steilwand. Mit dem Geschehen an der Spitze hatte der in seinem Debütjahr letztendlich Zwölftplatzierte selbstredend wenig zu tun - dort waren es trotz aller Neuerungen die alten Bekannten, die für Spannung sorgten.

Castroneves siegt beim Auftakt

Spiderman Castroneves sorgte für Aufsehen, Foto: IndyCar/LAT USA
Spiderman Castroneves sorgte für Aufsehen, Foto: IndyCar/LAT USA

Hélio Castroneves gewann das Auftaktrennen, in den anschließenden drei Läufen zeigte sein Penske-Teamkollege Will Power, dass er erneut ein ernstzunehmender Titelanwärter sein würde. Sowohl in Alabama als auch beim Klassiker in Long Beach und auf den Straßen Sao Paulos setzte sich der Australier eindrucksvoll durch. Während schon alles nach einem Durchmarsch Powers aussah, lief es bei seinem großen Rivalen der vergangenen Jahre zu Beginn weit weniger gut. Dario Franchitti schaffte es in den ersten vier Läufen nichts aufs Podest, mit knapper Not kam er zweimal unter die Top-10. Die sich anbahnende Krise wischte der Schotte jedoch mit einem spektakulären Triumph beim Saisonhighlight wieder weg - er gewann zum dritten Mal nach 2007 und 2010 das Indy 500 und hätte seinen Sieg dabei wohl kaum knapper ausfallen lassen können.

Noch zu Beginn der letzten Rennrunde duellierte er sich mit Takuma Sato. Als ein gewagtes Überholmanövers der Japaners auf der Innenseite fehlschlug, drehte sich dieser in die Mauer und nahm Franchitti dabei fast noch mit ins Aus. Anschließend setzte es von vielen Fahrerkollegen harsche Kritik am bereits aus F1-Zeiten bekannten Kamikaze-Stil Satos. Franchitti interessierte das später herzlich wenig - er überquerte das Brickyard vor Teamkollege Dixon und Kanaan als Erster und durfte sich anschließend die Siegermilch schmecken lassen. Auch wenn er es in Detroit, Sonoma und Fontana noch drei weitere Male aufs Podest schaffte, blieb es gleichsam Franchittis einziger Saisonsieg 2012, denn anschließend übernahmen wieder andere das Zepter.

Titelduell spitzt sich zu

Dixon unterstrich seine starke Form mit dem Erfolg auf Belle Isle, Justin Wilson fuhr überraschend in Texas zum Sieg. Währenddessen kam es im Hinterfeld zu ganz anderen Problemen, konnte mit Lotus einer der drei Motorenlieferanten doch so gar keine Qualität generieren. Von den lahmenden Triebwerken ausgebremst, trennte sich ein Team nach dem anderen vom Unternehmen und wechselte teils unter Klage zur Konkurrenz - lediglich Simona de Silvestros HVM-Truppe hielt bis zuletzt an den schwächelnden Aggregaten fest und bezahlte das mit Platzierungen am Ende des Feldes. Nach der Saison verkündete der legendäre Sportwagenhersteller dann ganz seinen Rückzug zur kommenden Saison.

Für Will Power reichte es wieder einmal knapp nicht, Foto: IndyCar/LAT USA
Für Will Power reichte es wieder einmal knapp nicht, Foto: IndyCar/LAT USA

Ganz vorne sorgte derweil überraschend Ryan Hunter-Reay für positive Schlagzeilen. Der Andretti-Autosport-Pilot gewann in Milwaukee, Iowa und Toronto gleich drei Läufe hintereinander und fand sich auf einmal in Meisterschaftsführung liegend wieder. Das hatten vor der Saison die wenigsten Experten im Fahrerlager prognostiziert. In seiner sechsten Saison in der Serie gelang dem Texaner jedoch ein Durchbruch nach Maß. Zwar antwortete Hauptkonkurrent Power mit drei Podestplätzen umgehend auf dieenn Höhenflug, doch der Außenseiter aus Dallas hatte die Witterung längst aufgenommen und seine Titelchancen bemerkt. Mit einem Sieg im vorletzten Rennen in Baltimore setzte er Power gehörig unter Druck - zwar führte der Penske-Pilot vor dem Finale noch mit 17 Punkten, doch einen ähnlich großen Vorsprung hatte Power auch schon in den beiden Vorjahren verspielt.

Entscheidung in Fontana

Während mit Simon Pagenaud als bestem Rookie des Jahres und Chevrolet als Herstellermeister die übrigen Ehrungen schon vergeben waren, kam es beim Showdown in Fontana daher, wie es kommen musste: Zum dritten Mal in Folge verlor der nervenschwache Australier den Titel im letzten Saisonlauf. Das Finale entwickelte sich dabei zu einem wahren Thriller. Nach Strafen für das Wechseln des Motors, starteten beide Rivalen relativ weit hinten im Feld - in Runde 54 endete ihr Parallelflug in Richtung Spitze jedoch abrupt. Ausgerechnet im Zweikampf mit Hunter-Reay rutschte Power ohne Fremdverschulden das Auto weg, woraufhin er in die Mauer einschlug.

Faire Geste: Power war einer der ersten Gratulanten, Foto: IndyCar/LAT USA
Faire Geste: Power war einer der ersten Gratulanten, Foto: IndyCar/LAT USA

Anschließend spielten sich kuriose Szenen ab: Power war bereits ausgestiegen und sogar schon umgezogen, als seiner Crew beim Blick auf das Rennergebnis auffiel, dass es durchaus hilfreich sein könnte, den Australier noch einmal ins Rennen zu schicken, woraufhin seine Mechaniker den Boliden in Rekordzeit reparierten, sodass er noch einmal kurzzeitig auf die Piste gehen konnte, um weitere Positionen aufzuholen. Am Ende half das jedoch alles nicht: Während der Sieg Ed Carpenters völlig unterging, brachte Hunter-Reay seinen vierten Platz nach Hause und krönte sich mit denkbar knappen drei Punkten Vorsprung sensationell zum Meister. Im Ziel versank der US-Boy völlig außer sich vor Freude in einer Jubeltraube aus seinen Mechanikern und ließ sich gebührend für seines Sensationscoup feiern.