Es war eine Mischung aus Ärger und unendlicher Traurigkeit, die Bruno Senna am Samstag Abend in Spa ins Gesciht geschrieben stand. Er war auf dem besten Weg dazu, in der Meisterschaft mit seinem Titelrivalen Giorgio Pantano praktisch gleichzuziehen, einen souveränen Sieg bei einem weiteren Klassiker nach Monaco und Silverstone zu feiern, als ihn eine äußerst umstrittene Boxendurchfahrtsstrafe wegen angeblich "gefährlichem Wegfahren" beim Boxenstopp um alle Chancen brachte.

Senna fühlte sich keiner Schuld bewusst und deshalb auch um einen sehr wahrscheinlichen Sieg betrogen: "Ich habe alles gemacht, was ich konnte, um ein echtes Problem zu vermeiden. Als ich Valerio kommen sah, habe ich gebremst, habe ihn vorbeigelassen...Dadurch, dass wir auf nassem Asphalt nach dem Stopp kalte Slicks draufhatten, hatte ich beim Wegfahren etwas Wheelspin, dadurch hat das Wegfahren etwas länger gedauert, unter den Bedingungen konnte das auch das Team und der Mann mit dem Lollipop gar nicht richtig einschätzen. Weder ich noch das Team haben unter den gegebenen Umständen wirklich einen Fehler gemacht".

Seiner Meinung nach - und auch der vieler anderer im Fahrerlager - war es die gleiche Situation gewesen wie bei Felipe Massa in Valencia, als es ja nur eine 10 000-Euro-Strafe für Ferrari gab. "Aber sie haben dann argumentiert, ich sei den Mechanikern von Durango vor uns zu nahe gekommen. Aber das ist doch dann auch völlig willkürlich, was man dann darf und was nicht, dann sollen sie da halt in der Boxengasse Linien ziehen oder so, dass man weiß, wie weit man vorfahren darf." Tatsache ist: Dadurch, dass sich die GP2 ja in die eigentlich von der Formel 1 belegten Boxengassen quetschen muss, die Teams sowieso keine eigenen Boxen haben und es für sie überall extrem eng ist, kommt es immer wieder zu solchen Situationen, dass vielleicht einmal ein Mechaniker einen Schritt zur Seite machen muss - bisher nie mit irgendwelchen Konsequenzen...

Die erste Strafe der Saison

Senna führte lange, Foto: Patching/Sutton
Senna führte lange, Foto: Patching/Sutton

"Ich habe in der ganzen Saison noch nichts gehabt, musste noch nie zu den Stewards - und dann bekomme ich für so etwas eine so harte Strafe, die meine Meisterschaftschancen so beeinträchtig", ärgerte er sich - und auch über die völlig unterschiedlichen Einschätzungen der Sportkommisarre, die fehlende Konsistenz auch bei den Strafen: "Als Di Grassi vor mir in Silverstone raus zog, musste ich hart auf die Bremse, da hätte es wirklich beinahe gekracht, er hatte sogar einen Vorteil - und es ist nichts passiert."

Doppeltes Pech für den Brasilianer war dann noch, dass genau in dem Moment, als seine Strafe angezeigt wurde, das Safety-Car wegen des Valsecchi-Unfalls herauskam, "ich dann gerade nicht mehr in die Box konnte, bis nach der Safety-Car-Phase warten musste und so dann ganz ans Ende des Feldes zurückfiel. Wenn ich da vorher noch rein gekommen wäre, wäre ich wenigstens als Zehnter oder so wieder rausgekommen und dann wäre noch einiges drin gewesen, wenigstens Punkte…"

So muss er nun versuchen, am Sonntag von Platz 12 aus wenigstens noch ein paar Plätze und den ein oder anderen Punkt auf Pantano gutzumachen. Aber die üblichen Sätze des "ich gebe nicht auf, es ist noch alles möglich, ich muss nach vorne schauen, es bringt nichts, zurückzublicken und sich verrückt zu machen", fielen ihm diesmal doch schwer. "Es ist schon hart, ich bin so wahnsinnig traurig und enttäuscht über das alles. Es ist unglaublich, was mir alles in diesem Jahr an merkwürdigen Dingen passiert ist." Sein Teamchef Paul Jackson war freilich überzeugt: "Bruno ist mental unglaublich stark, er wird auch da drüber wegkommen und schon morgen entsprechend zurückfighten. Er ist schnell, unser Auto ist schnell, es ist noch nichts verloren."