Im Kampf um die Meisterschaft geht es nicht mehr um Siege, sondern nur darum, mehr Punkte zu machen als der direkte Konkurrent. Diese Weisheit, ausgesprochen von Fernando Alonso am Donnerstag, nahm sich heute Timo Glock zu Herzen. Während er auf Platz sieben fuhr und sich zwei Punkte sicherte, drehte sich Titelrivale Lucas Di Grassi in den Kies und aus dem Rennen. "Ich habe ihn im Kies stehen sehen und ich habe auch gesehen, wie er zurückgelaufen ist. Ich glaube, ich weiß, wie er sich gefühlt hat, denn für mich war es in Spa ja genau dasselbe. Insofern war das wieder mal so ein bisschen ausgleichende Gerechtigkeit", sagte Glock zu motorsport-magazin.com.

Durch den Patzer des Konkurrenten hätte er sich schon heute die Meisterschaft sichern können, aber der iSport-Pilot verschenkte die Chance auf den Sieg durch eine konservative Reifenwahl. Bei abtrocknender Strecke entschied sich das Team für Regenreifen. "Wir hätten am Start die Reifen aufteilen können: Zuber Slicks, Timo Regen", sagte iSport-Teamchef Paul Jackson. "Aber es war ziemlich schwierig, zu erkennen. Viele sind in den Kies gefahren. Wir kämpfen um den Titel, nur das zählte für uns. Wenn wir das Rennen hätten gewinnen müssen, wären wir wahrscheinlich zu Slicks gegangen."

Eine Entscheidungshilfe war dabei, dass auch Konkurrent Di Grassi Regenreifen wählte. "Wenn der auf Slicks gegangen wäre, dann hätten wir uns wahrscheinlich auch noch umentschieden", gab Glock zu. Als sich Di Grassi dann aus dem Rennen verabschiedete, ging iSport-Teamchef Paul Jackson endgültig auf Nummer sicher und ließ seinen Schützling weitere fünf Runden draußen - zumal wieder leichter Regen einsetzte. "In der Phase, wo es wieder angefangen hat zu regnen, war unser Reifen auch die bessere Variante, nur das Problem war, dass er schon ziemlich kaputt war und ich die letzten zwei Runden hart kämpfen musste, nur um das Auto auf der Strecke zu halten", erzählte Glock.

Die Frage nach den richtigen Reifen war entscheidend., Foto: Patching/Sutton
Die Frage nach den richtigen Reifen war entscheidend., Foto: Patching/Sutton

"Dann hatte ich noch das Problem, dass ich meinen Ingenieur über Funk fragen wollte, wie meine Zeiten sind und er hat im gleichen Moment gesagt: 'Komm rein', so dass wir uns einfach nicht hören konnten. In dem Moment war ich schon wieder an Start-Ziel vorbei und musste noch eine Runde mit den alten Reifen fahren und habe fünf Sekunden verloren, was uns eventuell mehr Punkte für die Meisterschaft gekostet hat. Aber hätte, wäre, wenn - am Ende müssen wir froh sein, dass wir zwei Punkte mehr gemacht haben und morgen eine gute Ausgangsposition haben."

Doch dafür musste sich Timo Glock noch von Platz 9, auf dem er sich nach seinem Boxenstopp wiederfand, vorbei an Aleshin und Filippi bis auf P7 vorarbeiten - in der GP2 immer ein besonderer Nervenkitzel. "Ich habe nur gedacht, ich fahr eine bis anderthalb Sekunden schneller als Aleshin, vielleicht ist das alle so gewollt, aber er hat mir ganz fair Platz gelassen. Gegen Luca Fillipi war es ein bisschen schwieriger, der hatte aber ein paar technische Probleme", erzählte Glock. "Und am Ende hatte ich noch ein Duell mit Andy Soucek, der hat noch für seine Platzierung gekämpft. Er hat sich nachher sogar noch entschuldigt, dass er nicht Platz gemacht hat. Ich war zwar schon mal neben ihm, aber dann war da eine gelbe Flagge und ich musste zurückziehen. Das habe ich erst im letzten Moment gesehen, insofern habe ich da ein bisschen Glück gehabt."

Auch wenn Glock den Sack nicht ganz zu machte, so bezahlte er doch die halbe Miete auf dem Weg zur Meisterschaft. "Ich glaube ich habe heute alles richtig eingeschätzt, keine Fehler gemacht und deswegen können wir das Rennen sehr positiv sehen. Das Team ist Meister. Die haben es einfach verdient, die können jetzt schon feiern. Ich muss noch zittern bis morgen."

Und dass es sehr wohl noch eine Zitterpartie geben könnte, dessen ist sich Timo Glock nach den Erfahrungen dieser Saison schmerzlich bewusst. "Mein Ziel ist, in den Punkten zu bleiben und wenn er von hinten kommt, vor ihm zu bleiben. Er muss mindestens Zweiter werden und ich darf keine Punkte machen - es wir also hart für ihn", so Glock. "Aber der Vorsprung kann in der GP2 nicht groß genug sein. Wir haben eine gute Möglichkeit, weil wir aus der ersten Reihe starten und Luca weit hinten bleibt. Aber alles ist hier möglich."