Die Formel-1-Saison 2010 scheint zwei Regeln zu besitzen: Wenn es regnet, wird es spannend und es gewinnt am Ende Jenson Button nach einer richtigen Entscheidung im Reifenpoker. Der Brite schnappte sich im verregneten Shanghai seinen zweiten Saisonsieg - Rennen Nummer 1 gewann er beim zweiten Saisonlauf in Melbourne unter ähnlichen Bedingungen.

Die Schlüssel zum Erfolg waren der gute Speed des McLaren, ein Fahrfehler von Nico Rosberg, der Button in Führung brachte, und eine taktisch richtige Entscheidung, beim ersten Regen nicht auf Intermediates zu wechseln, sondern erst einmal weiter mit Trockenreifen auf der Strecke zu bleiben. Selbst eine Safety Car Phase konnte Button nicht am Sieg hindern, obwohl sie seinen Vorsprung auf den Rest des Feldes einschmolz. In den letzten vier Runden verzeichnete Button noch eine Schrecksekunde, als er einen Ausrutscher neben die Bahn zu überstehen hatte.

"Als das Safety Car herauskam, um die Strecke zu säubern, rutschte mir das Herz in die Hose", so Button. "Der Sieg ist etwas ganz Besonderes und bedeutet mir viel. Es war ein hartes Rennen und wir haben die richtige Entscheidung getroffen."

Fernando Alonso kassierte eine Durchfahrtsstrafe., Foto: Sutton
Fernando Alonso kassierte eine Durchfahrtsstrafe., Foto: Sutton

In der Schlussphase musste sich Button mit seinem aufholenden Teamkollegen Lewis Hamilton auseinandersetzen, der jedoch keinen Angriff mehr auf seinen Landsmann startete. Zuvor war Hamilton nach einem Reifenwechselchaos mal wieder mit etlichen kompromisslosen Überholmanövern durch das Feld nach vorne gefahren. Nach dem Rennen muss sich Hamilton den Fragen der Rennkommissare stellen.

Bei einem der vielen Boxenstopps (Hamilton stoppte vier Mal, Alguersuari und Hülkenberg sechs Mal, nur Button, Rosberg und Petrov kamen nur zwei Mal an die Box) fuhr er gemeinsam mit Vettel in die Boxengasseneinfahrt und aus der Boxengasse heraus. Dabei duellierten sich die beiden auf dem gesamten Weg aus der Box heraus. "Ich habe nur gedacht, wieso versucht Lewis, mir die Hinterreifen aufzuschlitzen? Er hatte keinen Grund. Ich war einigermaßen vorne", sagte Vettel. "Ich konnte den Pitlimiter eher ausschalten, hatte den Vorteil, ich verstehe nicht ganz, wieso man da noch mal zuziehen muss."

Zweites Podium für Rosberg

Hinter Button und Hamilton belegte Nico Rosberg zum Zweiten Mal in Folge einen Podestplatz. Zu Rennbeginn sammelte Rosberg sogar die ersten Führungskilometer für ein Mercedes-Werksteam seit 55 Jahren. Der Deutsche konnte gegen Rennende aber nicht mehr den Speed der McLaren mitgehen und musste beide ziehen lassen.

Vitaly Petrov hatte einen Dreher, aber auch viele starke Szenen., Foto: Sutton
Vitaly Petrov hatte einen Dreher, aber auch viele starke Szenen., Foto: Sutton

"Zum ersten Mal drei Mercedes getriebene Fahrzeuge auf dem Podium - echt Klasse!", freute sich Norbert Haug. "Ein insgesamt grandioses und spannendes Rennen und eine gute Fahrt von Nico Rosberg zu seinem zweiten Podium in Folge. Der 70. Sieg eines Mercedes getriebenen Formel 1-Autos seit 1997, ein denkwürdiges und schönes Jubiläum für uns."

Rosberg war über seinen zweiten Podestplatz happy. "Es waren sehr schwierige Bedingungen, wir haben entschieden, draußen zu bleiben und gehofft, dass es nicht mehr regnen würde", so Rosberg. "Ich habe mich sehr wohl gefühlt und konnte gut Gas geben. Dann hat es mehr geregnet und auf Intermediates waren wir zu langsam. Die Reifen haben extrem abgebaut. Aber Platz 3 ist trotzdem superklasse."

Hinter den drei Autos mit Mercedes-Power auf dem Podium fuhr Ferrari-Pilot Fernando Alonso auf Platz 4. Der fünfte Platz ging an Robert Kubica vor Sebastian Vettel und dem zweiten Renault von Vitaly Petrov, der sich kurz vor Schluss an Mark Webber vorbei schob. Die letzten beiden Punkteränge 9 und 10 ergatterten Felipe Massa und Michael Schumacher, der in der letzten Runde von seinem ehemaligen Ferrari-Teamkollegen überholt wurde. Schon davor zeigte Schumacher bei harten Duellen mit Hamilton, Adrian Sutil und Vitaly Petrov, dass er nichts von seiner Zweikampffähigkeit verloren hat.

Nico Rosberg ist Zweiter in der WM., Foto: Sutton
Nico Rosberg ist Zweiter in der WM., Foto: Sutton

In der Fahrer-WM führt jetzt Button vor Rosberg und den punktgleichen Alonso und Hamilton. Vettel liegt mit 15 Punkten Rückstand auf Platz 5. "Das war heute eine Lotterie", sagte Vettel. "Es hätte auch anders ausgehen können. Es war aber wichtig, ein paar Punkte mitzunehmen. Vielleicht hätten wir weiter vorne sein können, den Speed dazu hatten wir, aber es hätte noch schlimmer sein können." Die Konstrukteurswertung führt McLaren vor Ferrari und Red Bull an.

Crash am Start

Das Rennen begann mit einem Frühstart von Fernando Alonso, der folgerichtig eine Drive-Through-Strafe abzusitzen hatte. Alonso überholte mit seinem Frühstart beide im Qualifying überlegenen Red Bull, von denen Sebastian Vettel den schlechteren Start erlebte und hinter seinen Teamkollegen Mark Webber zurückfiel. Das sollte sich beim Einsetzen des Regens rächen: Vettel musste sich beim Reifenwechsel auf Intermediates hinter Webber anstellen und verlor wertvolle Plätze.

Im Laufe des Rennens kämpften sich beide immer wieder nach vorne und fielen danach wegen neuerlicher Reifenwechsel zurück. Bei der zweiten Safety Car Phase, die von Jaime Alguersuaris Frontflügelteilen auf der Strecke ausgelöst wurde, drängte Hamilton Webber neben die Strecke, so dass der Australier endgültig hinter Vettel lag.

Weltmeister Button führt die WM wieder an., Foto: Sutton
Weltmeister Button führt die WM wieder an., Foto: Sutton

Die erste Safety Car Phase des Rennens wurde schon in Runde 1 ausgerufen. Tonio Liuzzi verlor seinen Force India beim Anbremsen und krachte seitlich in Kamui Kobayashi und Sebastien Buemi. "Ich war nur noch ein Passagier", klagte Liuzzi. "Ich habe nicht viel gesehen. Als ich Kurve 5 anbremste, blockierte die Bremse und ich rutschte raus."

Auch der zweite Sauber-Pilot Pedro de la Rosa kam nicht viel weiter: Er schied mit einem Motorproblem aus. Ebenfalls nicht ins Ziel kamen Jarno Trulli, Lucas di Grassi und Timo Glock. "Wir hatten in der Startaufstellung ein Motorproblem", erklärte Glock, der gar nicht erst starten konnte. "Es gab keine Chance, das zu beheben. Der Druck war komplett weg."