Sechs deutsche Fahrer in diesem Jahr in der Formel 1 am Start - wie viel Deutsch verträgt die Formel 1?
Timo Glock: Das müsste man eigentlich die anderen fragen, die aus den anderen Nationen. Ich glaube, für Deutschland ist das sehr schön, dass man so viele deutsche Fahrer hat, da können sich die Fans einen raussuchen. Was für uns bisschen schwieriger ist, weil jeder versucht, für die Fans was Spezielles zu machen und sich von den anderen Deutschen ein bisschen abzuheben. Für mich macht das jetzt keinen so großen Unterschied, denn die anderen fünf werden zumindest im ersten Drittel des Jahres oder vielleicht auch noch ein bisschen länger vor mir herfahren, deswegen schaue ich mir das in Ruhe von hinten an. Ob es ein Problem für die Formel 1 ist, müssen wir Bernie Ecclestone fragen...

Besteht für Dich da aber nicht trotzdem die Gefahr, angesichts von Schumacher-Hype und so viel starker Konkurrenz im eigenen Land ein bisschen hinten runter zu fallen - in einem Team, das erst einmal nicht konkurrenzfähig sein wird?
Timo Glock: Das mag schon sein, aber es ist im Sport eben nun mal immer so, dass der im Vordergrund steht, der Erfolg hat. Das ist in jeder Sportart so. Wenn ein Nico Rosberg oder ein Adrian Sutil in diesem Jahr ganz vorne rein fahren, vielleicht weiter vor als Michael Schumacher, dann wird im Laufe der Zeit auch mehr über sie berichtet werden. Wobei natürlich immer viel über einen siebenmaligen Weltmeister berichtet wird, auch wenn der sich nur im Mittelfeld aufhalten sollte. Dass dann weniger über einen Timo Glock berichtet wird, der wahrscheinlich im ersten Jahr das Feld eher vor sich hertreibt, ist normal. Damit komme ich klar.

Du hast also über diese Konsequenz schon vor ihrer Entscheidung für Virgin nachgedacht?
Timo Glock: Sicher, und deshalb kann ich damit leben. Mir war vorher klar, auf was ich mich eingelassen habe. Natürlich will jeder Rennfahrer gewinnen, aber man muss seine Chancen auch mittelfristig einschätzen, auch mal ein bisschen in die Zukunft schauen... Man kann einfach nicht erwarten, dass ein Team, das mit einem weißen Blatt Papier anfängt, gleich vorne rein fährt. Man kann auch nicht anfangen zu laufen, bevor man gehen kann. Wir gehen im Moment durch eine harte Zeit, aber wir haben sehr viele Leute, die wissen wie es funktioniert, wir müssen es halt aussortieren, aber das dauert seine Zeit.

Timo Glock hat sich für das Risiko Virgin Racing entschieden., Foto: Sutton
Timo Glock hat sich für das Risiko Virgin Racing entschieden., Foto: Sutton

Gehst Du da mit einem anderen Gefühl in die Saison als letztes Jahr mit Toyota, wo ja zumindest Podestplätze das Ziel waren?
Timo Glock: Für mich ist das im Moment eine relativ entspannte Situation, weil klar ist, dass wir nicht vorne mitfahren werden, und dadurch überhaupt kein Druck da ist. Als ich das letzte Mal in Bahrain war, bin ich aus der ersten Startreihe gestartet und habe das Rennen angeführt - das wird in diesem Jahr nicht möglich sein. Das ist natürlich eine Umstellung, denn ein Formel-1-Fahrer lebt auch ein bisschen vom Druck. Aber ich habe mich darauf eingestellt, ich habe mich sehr lange mit meiner Entscheidung befasst, habe mir viele, viele Fragen gestellt, ob ich damit zurecht komme, im ersten Jahr meist hinten herum zu fahren, maximal ein paar Achtungserfolge erzielen zu können - aber man muss halt auch in die Zukunft schauen, was verändert sich vielleicht langfristig in der Formel 1. Sicher ist das ein Pokerspiel, aber man muss halt eine Entscheidung treffen und die dann auch akzeptieren und nicht schon nach einer Woche zurückrudern und sagen, es war vielleicht doch die falsche Entscheidung. Man muss einfach weiterarbeiten.

Wo kommt dann im Moment die Motivation her?
Timo Glock: Als Fahrer besteht die Motivation immer irgendwie darin, das Beste aus dem Auto herauszuholen. Aber die Hauptmotivation sehe ich für mich, den Leuten, die uns ohne Ende kritisieren, die behaupten, es sei unmöglich, ein Auto nur am Computer zu entwerfen und zu entwickeln, ohne Windkanal, das Gegenteil zu beweisen.

Von Toyota zu Virgin, das sind von der Teamstruktur, vom Aufwand, vom Ansatz her komplette Gegenpole. Ist für Dich ein Team wie Virgin die Zukunft der Formel 1?
Timo Glock: Das wird viel davon abhängen, wie das Reglement in der Zukunft aussieht. Ich glaube, in der gesamten derzeitigen weltwirtschaftlichen Situation geht der Trend im Moment eher in die Richtung kleinerer Teams. Man hat gesehen, wie schnell bei Konzernen wie BMW oder Toyota Entscheidungen fallen, wie dort von einer Minute auf die andere gesagt wird, so, das war's. Vor ein paar Monaten haben sich einige noch gefragt, ob die Formel 1 überhaupt weiter existieren würde ohne die großen Hersteller. Und dann kommen neue Teams und dann beschweren sich wieder einige und fragen, was wollen die eigentlich hier? Dabei sind doch wir diejenigen, die der Formel 1 helfen. So sehe ich das zumindest.

Macht Dir das mehr Spaß?
Timo Glock: Auf jeden Fall. Die Arbeitsweise hier, wo alles sehr direkt läuft, wo ich viel Einfluss nehmen kann, die macht mir richtig Spaß. Wir sind eine kleine Truppe, bei Toyota waren manche Entscheidungswege doch sehr lang, hier sitzen wir zusammen, diskutieren und entscheiden - da fliegen dann auch schon mal die Fetzen. Nur so bringt man das Team nach vorne.

Wer bestimmt bei Euch die Richtung?
Timo Glock: Bei uns sitzt jeden Abend eine kleine Truppe aus Ingenieuren, Nick [Wirth] und den Fahrern zusammen. Wir müssen noch so viel etwas besser strukturieren. Deshalb werden viele Entscheidungen gemeinsam getroffen. Bislang konnten wir noch nicht so viel machen, weil wir erst mal die großen Baustellen aussortieren mussten.

Glock sieht Lotus bei der Erfahrung im Vorteil., Foto: Sutton
Glock sieht Lotus bei der Erfahrung im Vorteil., Foto: Sutton

Wann glaubst Du, dass Ihr 100% effizient arbeiten könnt?
Timo Glock: Wir werden in Bahrain einen großen Schritt machen. Bei den Tests hatten wir noch nicht mal unsere eigenen Lkw an der Strecke, weil sie nicht fristgerecht fertig geworden sind. Solche Kleinigkeiten wirken sich in der Summe aus. Bis zum China GP in Shanghai bekommen wir alles, was derzeit noch auf der Warteliste steht. Danach sollten wir einen guten Schluss rein bekommen. Diesbezüglich hat Lotus einen leichten Vorteil, weil dort viele Formel-1-Experten von Toyota, Renault und Force India ins Team gekommen sind. Sie und auch Mike Gascoyne bringen sehr viel Erfahrung mit. Somit haben sie im Ablauf einen kleinen Vorteil, aber das können wir aufholen.

Was traust Du HRT zu?
Timo Glock: Das ist eine gute Frage. Man muss abwarten, bis sie das erste Mal gefahren sind. Für sie ist es eine genauso große Leistung, wenn sie überhaupt mit einem Auto am Start stehen. Jeder denkt, dass man schnell mal ein Auto baut und alles funktioniert - aber so einfach ist es nicht.