Die Formel-1-Geschichte ist untrennbar mit dem Namen Lotus verbunden. Mit dem Launch des neuen Lotus F1 Boliden in London kehrt der Traditionsname mit dem malaysischen Rennstall Lotus F1 Team in die Königsklasse des Motorsports zurück. Nachdem der Rennstall bei der ersten Zulassungswelle der FIA für die neue Formel-1-Saison leer ausging, erhielt man am 15. September 2009 schließlich den Zuschlag als 13. Team.

Glorreiche Vergangenheit

Obwohl der malaysische Rennstall in keiner Beziehung zu dem ehemaligen britischen Team Lotus steht, steht zumindest der Name Lotus immer noch für unglaubliche Siege und unfassbare Tragödien. Mit den Piloten Jim Clark (1963/1965), Graham Hill (1968), Jochen Rindt (1970), Emerson Fittipaldi (1972) und Mario Andretti (1978) gewann das Team mit den schwarz-goldenen Autos zwischen 1958 und 1994 insgesamt sechs Fahrer- und sieben Konstrukteurstitel.

Jim Clark gewann 1963 seinen ersten Titel mit Lotus., Foto: Sutton
Jim Clark gewann 1963 seinen ersten Titel mit Lotus., Foto: Sutton

Dabei ist ein Name untrennbar mit dem Team Lotus verbunden: Colin Chapman. Der Mann mit der Mütze gründete den Rennstall in den 50er Jahren und war als Ingenieur und Designer maßgeblich an der Entwicklung der Boliden in den glorreichen Jahren zwischen 1962 und 1978 beteiligt. Das erste Rennen bestritt Lotus 1958 beim Großen Preis von Monaco. Bereits zwei Jahre nach dem Debütrennen feierte der britische Rennstall im Fürstentum seinen ersten GP-Sieg mit Stirling Moss am Steuer. Der erste WM-Titel ließ nicht lange auf sich warten. Jim Clark holte 1963 mit sieben Saisonsiegen den Fahrertitel, 1965 folgte der zweite WM-Streich von Clark und Lotus.

Schnell, aber zerbrechlich

1968 gelang dem Chapman-Rennstall erneut das Kunststück, dieses Mal mit Graham Hill am Steuer. Die Boliden von Chapman waren aber nicht nur verdammt schnell, sondern auch verdammt zerbrechlich. Colin Chapman konstruierte als Erster eine Monocoque-Karosserie und schuf damit die Basis für die gegenwärtigen Kohlefaser-Überlebensröhren, denen viele F1-Piloten ihr Leben verdanken. Außerdem schaffte der Brite als erster Konstrukteur, der die von allen Rennwagen seit den 50er Jahren bekannte rundliche Kühlluftöffnung am Wagenbug ab.

Für den Lotus 72, der erstmals beim Großen Preis von Spanien 1970 zum Einsatz kam, schuf er eine keilförmige Karosserie mit seitlichen Kühlern. Der Brite setzte bei seinen Boliden auf Leichtbau, womit er sich einerseits als Visionär erwies, andererseits aber auch immer wieder das Leben seiner Fahrer riskierte, indem er noch nicht getestetes oder gefährliches Material bei Rennen einsetzte. Einige Piloten mussten in einem Lotus ihr Leben lassen und schon bald hatten die Chapman-Boliden den zweifelhaften Ruf "fahrende Särge" zu sein.

Die Piloten waren sich der Gefahr durchaus bewusst, so sagte Graham Hill einst: "Wenn dich dein eigenes Hinterrad überholt, weißt du, dass du in einem Lotus sitzt." Noch drastischer drückte es Jochen Rindt aus, als er meinte, dass er "im Lotus entweder umkommen oder Weltmeister wird". Beides bewahrheitete sich im Jahr 1970. In Monza brach im Abschlusstraining beim Lotus des Österreichers - wie vermutet wird - beim Anbremsen der Parabolica eine vordere Bremswelle. Aus Gewichtsgründen hatte Chapman diese hohl konstruiert.

"Ground-Effect-Autos"

Jochen Rindt wurde mit Lotus posthum Weltmeister., Foto: Sutton
Jochen Rindt wurde mit Lotus posthum Weltmeister., Foto: Sutton

Bereits ein Jahr zuvor crashten sowohl Rindt als auch Teamkollege Hill beim Großen Preis von Spanien in Barcelona schwer, weil die gewagten Flügelkonstruktionen von Chapman brachen. Erst beim zweiten Nachrechnen bemerkte der Lotus-Teamchef, dass die Konstruktionen niemals den Anforderungen standhalten konnten. Obwohl Rindt in Monza tödlich verunglückte, konnte ihn keiner mehr dem WM-Titel streitig machen. Der Österreicher wurde als einziger Pilot in der Geschichte der Formel 1 posthum als Weltmeister geehrt.

Das Lotus-Team erholte sich schnell von diesem Schock und stand nur zwei Jahre nach dem Todt von Rindt wieder an der F1-Spitze. 1972 gewann Emerson Fittipaldi für den Chapman-Rennstall den Fahrertitel, bis zum nächsten Titel sollte es allerdings sechs Jahre dauern. 1978 dominierte Mario Andretti mit sechs Saisonsiegen die Weltmeisterschaft. Wieder einmal bewies sich Chapman mit dem Design eines sogenannten "Ground-Effect-Autos" als Visionär. Die geniale, aber auch gefährliche Idee - einfach das ganze Auto oder besser gesagt den Unterboden als Flügelprofil zu gestalten und mittels Venturi-Effekt eine Saugnapfwirkung zu erzielen, welche in Folge die Front- und Heckflügel ersetzen sollte - soll dem Mann mit der Mütze in der Badewanne gekommen sein. Die seitlich, am Boden schleifenden "Schürzen" sorgten für den Ansaugeffekt und machten die Boliden fast unschlagbar.

Lotus hatte einst den gleichen klangvollen Namen wie Ferrari., Foto: Phipps/Sutton
Lotus hatte einst den gleichen klangvollen Namen wie Ferrari., Foto: Phipps/Sutton

Um das Geheimnis des Unterbodens vor der Konkurrenz so lange wie möglich zu verheimlichen, griff man bei Lotus zu einem Ablenkungsmanöver. Man lenkte die Aufmerksamkeit der Konkurrenz vom Unterboden weg, indem die Mechaniker in der Startaufstellung und bei Boxenstopps immer das Differentialgetriebe mit einem Tuch abdeckte. Die anderen Teams nahmen dadurch an, dass die Überlegenheit des Lotus mit dem Getriebe zu tun hätte und nicht mit der Aerodynamik. Erst als man Lotus-Modelle nachbaute und im Windkanal testete, kam die Konkurrenz dem Erfolgsgeheimnis des britischen Rennstalls auf die Schliche.

Der langsame Abstieg

Mit den Nachfolgermodellen, dem Lotus 80 und 81, gelang Chapman allerdings kein Meisterstück. Anstatt den erfolgreichen Lotus 79 weiter zu entwickeln, setzte der Brite alles auf eine Karte und verlor. Die Boliden brauchten zwar teilweise keinen Frontflügel mehr, den Heckflügel konnte man jedoch nicht wirklich abschaffen, wie der Brite schmerzhaft erfahren musste. Auch seine Konstruktion eines Doppelchassis entpuppte sich als Reinfall.

Der Brite wollte den vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen Chassis und Straße umgehen, indem er einen Fahrzellenbereich konstruierte, der samt innerer Seitenkästen beweglich auf dem restlichen Rahmen lagerte. Damit konnte dieser Teil während des Rennens hydraulisch abgesenkt und nach dem Rennen wieder auf die vorgeschriebene Mindesthöhe angehoben werden. Doch die Konkurrenz erhob Einspruch, der Lotus 88 wurde für die Weltmeisterschaft nicht zugelassen und Chapman musste auf den erfolglosen Lotus 81 zurückgreifen.

Anfang der Neunziger verschwand der Name Lotus aus der F1-Welt - bis heute., Foto: Sutton
Anfang der Neunziger verschwand der Name Lotus aus der F1-Welt - bis heute., Foto: Sutton

Schnell wurde klar, dass der Brite, den viele auf eine Stufe mit Enzo Ferrari stellten, mit der Technik der Formel 1 und dem engmaschigen Reglement der Moderne nicht mehr zu Recht kam. In den 80er Jahren konnte Lotus trotz Top-Piloten wie Ayrton Senna, Nigel Mansell oder Nelson Piquet nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen. Als Colin Chapman 1982 an einem Herzinfarkt starb, begann der langsame Abstieg des Rennstalls. Interne Machtkämpfe und chronischer Geldmangel sowie sportliche Misserfolge plagten das einstige Spitzenteam der Formel 1. Beim Australien Grand Prix 1994 stand Lotus zum letzten Mal in der Startaufstellung. Punktelos verabschiedete sich das Team von der Formel-1-Bühne. Jetzt ist zumindest der Name Lotus wieder zurück in der Königsklasse des Motorsports.

Mehr historische Hintergrundberichte und Geschichten lesen Sie jeden Monat im Motorsport-Magazin. In der neuen Ausgabe 3/10 blicken wir auf die Legende der Silberpfeilpiloten zurück und erinnern an Juan Manuel Fangio, Stirling Moss, Manfred von Brauchitsch & Co. Das Motorsport-Magazin ist seit 11. Februar im Handel oder direkt im Online-Abo zu Sonderkonditionen erhältlich: