Ein ziviles Gericht mag die Verbannung Flavio Briatores aus dem Motorsport auf unbestimmte Zeit aufgehoben haben, der ehemalige FIA-Präsident Max Mosley hält es dennoch weiter für unmöglich, dass der Italiener wieder in die Formel 1 zurückkehrt. Der Brite geht davon aus, dass der neue Präsident des Weltverbandes, Jean Todt, der gleichen Meinung ist, da der ganze Sinn der FIA infrage gestellt wäre, dürfte sie nicht ihre eigenen Sanktionen gegen Vergehen aussprechen. "Wenn wir jemanden nicht bestrafen können, der etwas gemacht hat, was Briatore und [Pat] Symonds gemacht haben, dann sind der ganze Sinn und die Basis der FIA infrage gestellt, denn das betrifft die Sicherheit, die Fairness und alle fundamentalen Punkte unserer Tätigkeit", sagte Mosley gegenüber der Times.

Briatore und Pat Symonds waren von der FIA bestraft worden, weil sie beim Singapur Grand Prix 2008 Nelson Piquet Jr. dazu anstifteten, zum passenden Zeitpunkt absichtlich zu verunfallen, um damit Fernando Alonso eine Chance auf den Sieg zu geben. Briatore wurde auf unbestimmte Zeit eine Teilnahme an FIA-Rennserien und das Management von Fahrern untersagt, Symonds wurde für fünf Jahre ausgeschlossen. Dass diese Strafe von einem zivilen Gericht wieder aufgehoben wurde, sieht Mosley durchaus als Bedrohung der Glaubwürdigkeit des Sports. "Die Idee, dass wir sagen könnten: 'Oh, das ist alles richtig', das wäre undenkbar. Das wäre das Ende der Glaubwürdigkeit der Formel 1, denn man kann sich kein ernsteres Beispiel von Betrug vorstellen, als was in Singapur passiert ist. Das war nicht nur aus Betrugssicht unehrlich, es wurden Leben gefährdet."

Zu seinen Aussagen musste Mosley noch betonen, dass er sich nicht darin einmischen wolle, wie Todt die FIA führt, der Franzose sei nun Präsident. "Ich spreche von Zeit zu Zeit mit Todt, aber nur auf freundschaftlicher Basis - auch mit Bernie rede ich von Zeit zu Zeit. Ich bin aber im Ruhestand, genieße das sehr und will da nicht reingezogen werden." Briatore konnte er dennoch bereits ankündigen, dass er sich über die Aufhebung der Strafe nicht zu sehr freuen sollte, da die FIA im Falle einer gescheiterten Berufung ihr sportliches Reglement ändern wird. "Das könnte sehr schnell gemacht werden, um der FIA die Macht zu geben, jede Person aus jedweder Tätigkeit im Motorsport auszuschließen, die entgegen der grundlegenden Regeln des Sports gehandelt hat oder etwas gefährliches getan hat", erklärte Mosley.

Die Piquets würden zurückklagen

Der Brite warnte Briatore auch davor, die Piquets zu verklagen, wie er es bereits angekündigt hat. Mosley rechnete damit, dass es da eine recht heftige Gegenklage geben dürfte. Der ehemalige FIA-Präsident musste auch der Ansicht des Pariser Gerichts widersprechen, wonach er im Fall Crashgate als Ermittler, Richter und Geschworener aufgetreten sei. Zudem betonte er, keine Rachegelüste gegenüber Briatore gehabt zu haben, wie es ihm vorgeworfen wurde. Er habe keine andere Wahl gehabt, als eine Untersuchung einzuleiten, sobald Piquet Jr. seine Aussage bezüglich des absichtlichen Unfalls abgegeben hatte. "Niemand in meiner Position hätte etwas Anderes tun können, als eine Untersuchung einzuleiten, sobald das Statement von Piquet Jr. vorlag."

Für Max Mosley sprechen die Beweise eine deutliche Sprache, Foto: Sutton
Für Max Mosley sprechen die Beweise eine deutliche Sprache, Foto: Sutton

Mosley sah die FIA auch insoweit bestätigt, als dass das Zivilgericht das Urteil nur aufgrund von Formalitäten aufhob und das Vergehen als solches nicht in Abrede stellte. An Briatores Beteiligung an der Sache gebe es weiter keinen Zweifel, betonte Mosley. "Zunächst einmal hätte Symonds das nie ohne Briatores Zustimmung getan - nie und nimmer. Zweitens haben wir sehr starke Beweise, dass vier Leute bei dem Meeting [vor dem Rennen] anwesend waren und Symonds gestand seine Schuld zunächst schriftlich, bevor er sie letztendlich abstritt." Mosley war sich sicher, dass letztendlich die Gerechtigkeit siegen wird und der aktuelle Zustand der Straffreiheit für Briatore nicht lange anhalten dürfte. "Es wäre verrückt, wenn dies das letztendliche Ergebnis wäre. Die Vorstellung, dass am Ende, wenn sich der Staub gelegt hat, Briatore frei davonkommt, ist Fiktion - das wird nicht passieren."

Italien sieht Briatore im Recht

Medial sind die Ansichten dazu unterschiedlich. In Italien sah man Briatore als den Sieger. So meinte die Gazzetta dello Sport, dass die Führungsmechanismen der FIA quasi ausgehebelt wurden und Mosleys Rachestrategie offengelegt wurde. Tuttosport schrieb, dass das Urteil zur Aufhebung von Briatores Strafe beweise, dass Mosley nur Rache gewollt habe. "Er [Briatore] hat seine Würde wieder. Briatore ist nicht weiter ein Mann, der mit einem verheerenden Urteil leben muss, das aufgrund von perversen Anschuldigungen getroffen wurde", hieß es. Corriere dello Sport gestand immerhin zu, dass Briatore für die Geschehnisse in Singapur verantwortlich war, bezeichnete die Strafe auf unbestimmte Zeit aber als unakzeptabel. "Jeder verdient eine zweite Chance."

Für La Repubblica zeigte das Urteil des Tribunal de Grande Instance in Paris, dass Briatore eine faire Verhandlung verdient gehabt hätte und die FIA kein Recht hatte, eine derartige Strafe auszusprechen. In anderen Ländern waren die Meinungen ein wenig anders gelagert. Die Bild nannte die Aufhebung der Strafe einen "Crash für die Gerechtigkeit" und bezeichnete Briatore als Banditen. "Hoffentlich holt ihn nach dem Freispruch keiner in die Formel 1 zurück", schrieb das Blatt. Der britische Independent stellte die Frage: "Wenn er unschuldig ist, wer ist dann schuldig?" Die Zeitung wollte wissen, wo die Grenze gezogen wird, wenn über eine Sache wie jene von Singapur der Schleier des Vergessens gelegt werden könne.

Auch andere britische Zeitungen konnten sich mit dem Ergebnis der Zivilverhandlung von Paris nur wenig anfreunden. Der Daily Telegraph nannte das Urteil ungemütlich. "Das Fazit ist ... niemand wurde für etwas bestraft, das allgemein als eines der schlimmsten Beispiele des Betrugs in der Geschichte des Sports gilt", hieß es in dem Blatt. Beim Guardian gab es eine Umfrage, in der gefragt wurde, ob es fair sei, wenn Briatore aus Crashgate ohne Strafe hervorginge. Über 69 Prozent antworteten darauf mit "Nein".