Ron Dennis lebt McLaren. Zehn Fahrer- und sieben Konstrukteurs-WM-Titel konnte Dennis sich in seiner Zeit als McLaren-Teamchef auf seine Fahnen heften - und trotzdem schien er zeitweise mehr Kritik als Lob zu ernten. Er, der in den Anforderungen an sich selbst und sein Team die absolute Perfektion auf seine Fahnen geschrieben hat, musste damit leben, dass sich wohl gerade deshalb viele in der Formel 1 mit Vorliebe auf jeden Fehler stürzten, der ihm oder seinem Team passierte.

"Ich sehe mir die F1 mit großer Zuneigung an, sie hat mir ein tolles Leben beschert", sagt Dennis in einem Interview mit dem Magazin Esquire. "Aber ihre verurteilende Art ist frustrierend." Zu überlegen, vor allem auch durch seine rhetorische Stärke, die er gern ausspielt, ist der Engländer den meisten - und er verbirgt das auch nicht unbedingt. "Ronspeak" ist ein geflügelter Begriff in der Formel 1 - jene etwas komplizierten, manchmal verschraubten Sätze, denen gerade Nicht-Muttersprachler des öfteren nicht folgen können... Was dann bei den "Unterlegenen" in der passenden Situation natürlich gern entsprechende Schadenfreude provoziert.

Totale Hingabe

"Ich sitze an der Boxenmauer, konzentriert und ernst, und ein Kommentator in einem anderen Land sagt: Oh, sehen Sie sich an, wie unglücklich er ist." Diese Einschätzung werde dann von anderen als wahr empfunden und übernommen. "Ich habe eine lustige Seite, aber wenn ich arbeite, dann arbeite ich." Im Gegenzug stellte sich Dennis oft die Frage, wie die anderen Teamchefs jemals Erfolge feiern wollten? "Wenn ich mir meine Gegenspieler in anderen Teams anschaue und sehe, wie lächerlich sie mit dem Publikum spielen, frage ich mich: Wie um alles in der Welt wollen sie einen Grand Prix gewinnen?"

Dennis tritt den Beweis an: Wenn man die Namen aller Teamchefs aufschreibe, die in den letzten 10 Jahren mehr als fünf Rennen gewonnen haben, erhalte man eine sehr kurze Liste. Aus seiner Sicht verlangen Erfolge nach einer totalen Hingabe. "Für diese Hingabe bezahlt man, weil die Leute es missverstehen. Das ist der Preis, den man dafür bezahlt, aber ich schlafe trotzdem noch gut." Für Dennis zählt jedes noch so kleine Detail. "Ich sage das nicht mit Stolz, aber es gibt Leute in dieser Organisation, die mich fürchten, weil sie mich nicht verstehen."

Der Weg nach oben

Ron Dennis hat den Blick auf den Erfolg gerichtet., Foto: Sutton
Ron Dennis hat den Blick auf den Erfolg gerichtet., Foto: Sutton

Dennis begann 1966 als Mechaniker von Jack Brabham bei Cooper in der Formel 1 - die Geschichte, dass er dem Australier einmal einen Sieg vermasselte, weil er vergessen hatte, eine Kanne Sprit einzufüllen, ist legendär. Dennis freilich will von diesen "alten Kamellen" nichts mehr hören, reagiert pikiert, wenn er auf diese Zeiten angesprochen wird - ein Thema, das immer wieder durchkommt bei ihm: eine innere Verunsicherung, vielleicht sogar ein gewisser Minderwertigkeits-Komplex aufgrund seiner Herkunft.

Seine Familie gehörte eher zur Unter- denn zur Oberschicht, er besuchte nicht die entsprechenden Privatschulen. Ein "Makel" im immer noch sehr klassenbewussten England, der es ihm trotz aller Erfolge da und dort immer wieder erschwerte, Akzeptanz zu finden, der auch einen der Hintergründe seines Dauerkonflikts mit dem Upperclass-Sprößlig Max Mosley darstellt.

Für Ron Dennis selbst beginnt seine eigentliche Karriere erst so richtig 1980, als er sich bei McLaren einkaufte - um dann 1982 endgültig die Kontrolle zu übernehmen und dem Team seinen unübersehbaren Stempel aufzudrücken, vom Siegeswillen über das perfekte Design bis zur extrem peniblen Sauberkeit und Ordnung in der Box, an jedem Schreibtisch und an jeder Werkbank.

Das Ziel: Immer gewinnen

Dennis war und ist nicht bereit, seine Ansprüche - auch und vor allem an sich selbst - zurückzuschrauben, und stand immer dazu - auch in Jahren, in denen es nicht so gut lief. "Wir haben ganz klar das Ziel, jedes einzelne Rennen zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass viele andere Teams das auch nur halbwegs glaubwürdig von sich sagen können. Viele waren noch nie auf dem Podium und ihr Ziel ist es in erster Linie, dabei zu sein - im Gegensatz zu vorn zu sein. Aber wir verstehen natürlich, dass wir, wenn wir unsere Absicht erklären, zu gewinnen und dann nicht gewinnen, mehr Kritik einstecken müssen als wenn wir nur sagen würden, wir wollen nur mitmachen... Aber wir verstecken uns nicht vor unserem Ziel. Wir akzeptieren lieber die Kritik, wenn wir unser Ziel nicht erreichen."

Seine Linie durchzuziehen, das war Dennis immer wichtiger als das persönliche Image: "Jeder möchte natürlich gern als der Beliebteste weit und breit durchs Leben gehen. Und man sieht ja, wie manche Filmstars und sonstige Berühmtheiten dieses Image gezielt kultivieren, perfekt und gleichzeitig liebenswürdig zu sein. Aber wenn man fragt, ob man das auch in einem so harten Wettbewerbsumfeld wie einem Formel-1-Team tun kann, dann würde ich das für sehr schwierig halten..."

Die Formel 1 sei einfach eine zu komplexe Herausforderung dafür. Es reiche ja nicht, einfach Rennsport zu betreiben und der Beste und Schnellste zu sein. "Man muss auch politisch gut und clever sein. Und um diese Cleverness auszuspielen, muss man stark und manchmal auch sehr direkt sein. Das vergrößert natürlich die Feindseligkeit, mit der einem einige Leute entgegentreten, ob als Person oder in der Funktion im Team. Aber das ist eben der Preis, den man dafür bezahlt, eine Führungspersönlichkeit zu sein."

Schutzwall gegen die Außenwelt

Ron Dennis in seiner Zeit als Mechaniker., Foto: Phipps/Sutton
Ron Dennis in seiner Zeit als Mechaniker., Foto: Phipps/Sutton

Wobei er einräumt, bei aller Stärke auch seine eigenen, ganz persönlichen Unsicherheiten zu besitzen und hin und wieder Unterstützung bei Familie, Freunden oder anderen Menschen "die zumindest auf bestimmten Gebieten mehr Weisheit besitzen", zu suchen. Allerdings - er macht auch klar, dass er letztlich doch auf die eigenen Fähigkeiten baut: "Ich möchte gerne glauben, dass ich, obwohl ich diese Möglichkeit, von anderen Unterstützung zu bekommen, anerkenne und schätze, ein etwas höheres Ausgangsniveau habe als viele andere. Ich fühle mich stark, ruhe in mir und fühle mich durch Kritik nicht verletzbar. Denn man erntet, was man säht."

Manches davon ist auch ein Schutzwall, aufgebaut, um durchaus vorhandene Emotionen zu verbergen, in typisch britischer Manier - nur dass sie dann ab und an durchkommen. Etwa, als er sich 2004 wochenlang weigerte, anlässlich des zehnten Todestages von Ayrton Senna irgendwelche Fragen zu dem Thema zu beantworten, sich dann doch breitschlagen ließ, "aber nur maximal zehn Minuten", und dann am Ende eine Stunde lang erzählte, gefühlvoll, menschlich, faszinierend.

Oder auch - im eher negativen Sinn - 2007, als der Kontrollfreak erstmals wirklich die Kontrolle verlor. Das teaminterne Duell zwischen Fernando Alonso und Lewis Hamilton nicht in den Griff bekam, es durch einige unglückliche Entscheidungen vielleicht sogar verschärfte, am Ende den schon fast sicheren WM-Titel für einen der beiden verspielte, das war die eine Baustelle, die leidige Spionageaffäre die zweite. Die dürfte Dennis zu Beginn unterschätzt haben, auch aus dem Wissen heraus, dass ja nichts anderes abgelaufen war als eigentlich ständig in der Formel 1 passiert. Nur hatte er wohl nicht mit dem vereinten Einsatz aller Kräfte von Ferrari und FIA-Präsident Max Mosley gerechnet, diese "Chance" zu nutzen, speziell ihn persönlich öffentlich zu demontieren...

Heute sagt er dazu: "Es war eine kleinere Indiskretion bei Teammitgliedern der zweiten Reihe, die zu einer größeren Geschichte aufgeblasen wurden. Es war nicht so, wie es dargestellt wurde. Mit der Zeit wird die Wahrheit ans Licht kommen."

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