Der 8. Oktober 2000. Ein Tag, ein Augenblick auf den die gesamte Saison zuläuft, auf den die vorangegangen fünf Jahre hingearbeitet wurde, auf den Italien seit 21 Jahren wartet. Um 15:40 Uhr geht der Lollipop vor Michael Schumachers Ferrari hoch, er schießt los, strebt nur vom Speedlimiter gebremst der Boxenausfahrt entgegen.

"Es sieht gut aus", funkt Ross Brawn ihm ins Cockpit. "Es sieht gut aus." Michael will den Worten seines Technikchefs noch nicht so recht glauben. Er denkt, die letzten Runden seien nicht gut genug gewesen; Überrundungen, der leichte Regen, die abgefahrenen Reifen hätten ihn aufgehalten. Dann die überraschende Wende: "Es sieht verdammt gut aus." 13 Runden vor Rennende übernimmt Michael die Führung vor seinem Titelrivalen Mika Häkkinen.

Michael Schumacher gewann den ersten Ferrari-Fahrertitel seit Jody Scheckter., Foto: Sutton
Michael Schumacher gewann den ersten Ferrari-Fahrertitel seit Jody Scheckter., Foto: Sutton

Der erste Titel für Ferrari ist in Reichweite. Die letzten beiden Runden fährt Michael langsamer, vorsichtiger. An den dunklen, neu asphaltierten Stellen kann er nur schwer erkennen, ob es nass oder trocken ist. Um 16:03 Uhr spielt all das keine Rolle mehr. Michael fährt als dreifacher Weltmeister über die Ziellinie, trommelt auf sein Lenkrad. "Es war ein wahrer Vulkanausbruch an Emotionen." Zuvor traut er sich keine Sekunde an den Sieg, den ersehnten Titelgewinn zu denken, Freude aufkommen zu lassen. "Ich wollte absolut sicher sein und erst diese Linie hinter mir haben", sagt er.

Danach gibt er sich der unbändigen Freude hin. "Was dann abging, ist einfach unbeschreiblich. So etwas kann man nicht in Worte fassen. Ich war so unendlich glücklich! Ich wusste gar nicht, was ich mit diesem Glück anfangen sollte, ich fühlte mich plötzlich fast eingesperrt in diesem Auto, meinem Ferrari. Das ist irgendwie so, als würdest du gleich platzen. Es war einfach eine solche Erlösung! Eine solche Erleichterung!"

Auf dem Weg zurück an die Box rollt er nur herum, hat die Augen voller Tränen, steht fast neben sich. Im Parc Fermé kommt es zum zweiten Jubel, seine Ferrari-Truppe erwartet ihn - als Formel 1-Weltmeister: "Diese Gesichter! Überall nur strahlende Augen, alle jubelten, und ich hätte am liebsten jeden einzeln umarmt und geküsst." So geht es auf dem Podest weiter. "Spätestens jetzt hätte ich die ganze Welt umarmen können. Wenn man von oben runterschaut und einem nur Lachen, Jubeln, Singen entgegenschlägt - solche Momente kann man nicht angemessen in Worten beschreiben."

Umso härter muss er dafür kämpfen. Fast 40 Runden lang fahren er und Häkkinen nahezu identische Rundenzeiten. Michael nennt es ein Dauerqualifying. "Das war mit Sicherheit eines der besten Rennen, die ich je gefahren bin, wenn nicht das beste." Aber jetzt ist der Druck weg, der erste Ferrari-Titel seit Jody Scheckter 1979 endlich eingefahren. Fünf Jahre davon versuchte Michael sein Glück mit der Scuderia, dreimal scheiterten sie. "Jahr für Jahr, es dauerte immer länger und länger. Klar, dass man dann ärgerlich wird, wenn man immer wieder aufs Neue scheitert, auch wenn die Chancen vorhanden waren."

2000 war nicht nur Jubel: Ein nachdenklicher, gerührter Michael Schumacher in Monza., Foto: Sutton
2000 war nicht nur Jubel: Ein nachdenklicher, gerührter Michael Schumacher in Monza., Foto: Sutton

2000 wird endlich alles gut. Der Unfall von Silverstone, die lange Pause, der Beinahetitelgewinn seines Teamkollegen Eddie Irvine sind vergessen. Mit Rubens Barrichello sitzt ein neuer Fahrer im zweiten F1-2000. In Melbourne stehen jedoch die McLaren in der ersten Reihe, der Sieg geht allerdings an Michael, ebenso wie bei den Folgerennen in Brasilien und San Marino. Drei Rennen, dreißig Punkte, der Grundstein für den ersten Ferrari-Titel ist gelegt.

Dann der erste Durchhänger: in Silverstone und Barcelona reicht es nur zu den Rängen 3 und 5. In Monaco führt Michael überlegen das Rennen an, bis ihn ein Defekt an der Hinterradaufhängung zehn Punkte kostet. Dank der Saisonsiege vier und fünf am Nürburgring und in Montreal führt er die WM zur Halbzeit trotzdem mit 24 Punkten Vorsprung an. Ein Spaziergang erwartet ihn dennoch nicht.

Die zweite Saisonhälfte beginnt mit drei Ausfällen in Serie: ein Motorschaden in Frankreich und zwei Unfälle am A1Ring und in Hockenheim bringen Häkkinen wieder heran. Nach zwei 2. Plätzen in Ungarn und Belgien fällt Michael sogar auf den 2. WM-Rang zurück. In Spa-Francorchamps kommt es zu einem der denkwürdigsten Überholmanöver der GP-Geschichte. Michael und Häkkinen überrunden Ricardo Zonta gleichzeitig, am Ende hat aber der Finne das bessere Ende für sich.

Die Wende zugunsten von Michael erfolgt beim Ferrari-Heimspiel in Monza. Mit seinem 41. Sieg meldet er sich im Titelkampf zurück, zieht mit Ayrton Senna nach GP-Erfolgen gleich und zeigt auf der Siegerpressekonferenz erstmals öffentlich Emotionen. Die schwierige WM-Situation, der Unfall mit dem Streckenposten, die Gedanken an den verstorbenen Senna, den er bewunderte. "Es war alles zu viel für mich." Es folgen ein Sieg in Indianapolis, ein Motorschaden bei Häkkinen und acht Zähler Vorsprung vor dem vorletzten Saisonlauf in Suzuka. Dann ist es geschafft. Die rote Ära hat aber gerade erst begonnen...

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