"Wolltest Du mich umbringen?", schreit Michael Schumacher McLaren-Pilot David Coulthard entgegen. So aufgebracht, so wütend, so außer sich hat ihn die F1-Welt noch nie gesehen. "Ich wüsste nicht, wann ich jemals so aufgebracht war wie damals bei David", gesteht er rückblickend. Der Titelkampf 1998 ist in vollem Gange. Michael ist drauf und dran Mika Häkkinen nach anfänglicher McLaren-Überlegenheit den Titel streitig zu machen. Der erste Ferrari-Titel seit 1979 scheint in Reichweite.

Der F1-Zirkus macht wieder einmal in Spa-Francorchamps Station und wieder einmal regnet es. Gleich nach dem Start kommt es zu einer Massenkarambolage. Nach einer langen Aufräumpause liegt Michael klar auf Siegkurs, er ist in seinem Element, führt ungefährdet mit über 30 Sekunden Vorsprung, als er auf den zu überrundenden McLaren von David Coulthard aufläuft. Auf der langen Geraden in Richtung Pouhon-Kurve passiert es: Michael kracht David ins Heck, kommt mit einem dreirädrigen Ferrari an die Box zurück, stürmt fuchsteufelswild in die McLaren-Box.

Auch 1998 scheiterte Michael Schumacher am Titelgewinn., Foto: Sutton
Auch 1998 scheiterte Michael Schumacher am Titelgewinn., Foto: Sutton

"Ich dachte in diesem Moment wirklich, er hätte das mit Absicht gemacht - ich meine, wer geht bei diesen Sichtverhältnissen schon mitten auf der Geraden vom Gas?", fragt Michael. Das sei in der Formel 1 absolut unüblich. "David ist damals einfach auf seiner Linie geblieben und langsamer geworden. Das macht keiner, damit konnte ich nicht rechnen - schon gar nicht bei einem so erfahrenen Fahrer wie David." Bei solch schwierigen Bedingungen wie in der Gischt von Spa-Francorchamps können die Fahrer die Entfernungen nur schwer einschätzen. "Du fährst nach Gefühl, auf gut Glück quasi, und gehst davon aus, dass alle wissen, was sie tun."

Darauf hofft Ferrari auch vor Saisonbeginn. Dank neuer Regeln, schmalerer Autos und ungeliebter Rillenreifen wurden die Karten im Winter neu gemischt. Mit McLaren Mercedes ist den Italienern ein neuer Gegner erwachsen, der schon 1997 seinen Vormarsch andeutete und diesmal den deutlich überlegenen Reifenpartner hat.

Beim ersten Rennen in Melbourne fährt McLaren in einer eigenen Liga, überrundet alle, nur Michael entgeht der Schmach, allerdings nur, weil er schon vorher mit einem Motorschaden ausscheidet. Beim zweiten Lauf in Brasilien kommt er nicht über die Rolle des besten Verfolgers auf Platz 3 hinaus.

In Argentinien wendet sich das Blatt. Er kann die McLaren bezwingen, steht zum ersten Mal in diesem Jahr ganz oben auf dem Podest, und das trotz eines Kiesbettausflugs. Nach zwei weiteren Podestplätzen und einem 10. Platz in Monaco setzt er zur Saisonmitte zu einer Siegesserie an - drei Erfolge in Serie bringen ihn bis auf zwei Punkte an WM-Spitzenreiter Mika Häkkinen heran. Unter den Siegen ist auch ein kurioser in Silverstone, bei dem er eine Strafe erst in der letzten Runde absitzt.

Monaco 1998 - Michael Schumacher kämpft mit Alexander Wurz., Foto: Sutton
Monaco 1998 - Michael Schumacher kämpft mit Alexander Wurz., Foto: Sutton

Bei seinem fünften Saisonsieg in Ungarn liefern Michael und Technikchef Ross Brawn eine strategische Meisterleistung ab. Brawn erkennt früh, dass Ferrari den McLaren mit der geplanten Zweistoppstrategie nicht beikommen kann. Er stellt auf drei Stopps um, funkt Michael ins Cockpit, dass er fast 20 Rennrunden im Qualifyingspeed fahren müsse, damit dieser Plan aufgehe - und er geht auf! Michael fährt wie entfesselt, eines seiner besten Rennen, sein Vorsprung am Ende des Sprintstints ist sogar so groß, dass er sich einen kleinen Ausrutscher neben die Strecke leisten kann. "Das war einer meiner größten Siege", freut er sich zu Recht.

Vor dem Saisonfinale in Japan hat Michael vier Punkte Rückstand auf Häkkinen. Mit der Pole legt Michael am Samstag perfekt los. Aber er muss gewinnen und auf Probleme beim Finnen hoffen. Doch es kommt genau umgekehrt: Beim Start in die zweite Einführungsrunde versagt seine Kupplung, der Motor stirbt ab, er muss von ganz hinten ins Rennen gehen. Mit einer furiosen Aufholjagd kämpft sich Michael bis auf Platz 3 vor, dann der nächste und endgültig entscheidende Rückschlag: ein Reifenschaden in Runde 32. "Das Leben geht weiter", sagt der Vizeweltmeister, "jetzt muss es eben 1999 klappen."

Lesen Sie morgen: Schumachers Karriere - Teil 11: 1999