Zurück in Spa-Francorchamps. Die F1-Welt schreibt den 30. August des Jahres 1992. Es herrscht typisches Ardennenwetter. Kalt und nass. Es ist ein Jahr seit Michael Schumachers Formel 1-Debüt an gleicher Stelle vergangen. Diesmal kommt er weiter als nur 500 Meter. In Runde 30 liegt er auf Platz 3, vor ihm die Williams von Nigel Mansell und Riccardo Patrese, hinter ihm Benetton-Teamkollege Martin Brundle.

Dann die Schrecksekunde: Brundle hinter ihm übt gehörig Druck aus, Michael hat beide Hände voll zu tun, ihn hinter sich zu halten, ständig beschlägt sein Visier, vor Stavelot passiert es - Michael verpasst die Kurve, rodelt durchs Kiesbett. Brundle ist vorbei. Michael hat Glück, unbeschadet auf die Strecke zurückzukommen und dabei nur einen Platz zu verlieren.

Ross Brawn arbeitete schon damals am Auto von Michael Schumacher., Foto: Sutton
Ross Brawn arbeitete schon damals am Auto von Michael Schumacher., Foto: Sutton

Ausgerechnet in diesem Moment schlägt Michaels große Stunde. Bei seiner Aufholjagd auf Brundle erkennt er, dass dessen Reifen abgefahren sind, schon Blasen schlagen. Michael schaltet blitzschnell - gleiche Abstimmung, gleiche Fahrweise, gleiche Abnutzung wie beim Teamkollegen. Also fährt er an die Box, lässt seine Reifen wechseln und geht in Führung. Die Williams fallen durch ein Funkmissverständnis und technische Probleme zurück. Michael hätte jedoch ohnehin noch zulegen können. Im viertletzten Umlauf fährt er die schnellste Rennrunde.

Nach 44 Runden, einer Stunde, 36 Minuten, 10 Sekunden und 721 Tausendsteln sieht Michael Schumacher das erste Mal als GP-Sieger die schwarz-weiß karierte Flagge. In den kommenden Jahren folgen noch exakt 90 solcher Momente. "Das war eine kuriose Geschichte, weil ich den Sieg dank eines Fehlers holte", erinnert er sich.

"Es war naheliegend, dass meine Reifen ähnlich aussehen würden wie die von Martin, und ich weiß noch, dass mir durch den Kopf schoss: Jetzt muss ich sofort an die Box. Die Entscheidung war Gold wert, denn sie hat mir bei diesen Bedingungen damals ganze fünf Sekunden Vorsprung gebracht; insofern hat mir mein Teamkollege geholfen, den Sieg zu holen. Es war schon ein tolles Gefühl da oben, das musste ich erst mal wegstecken."

Dabei hat Michaels zweite F1-Saison, seine erste über die volle Distanz, schon vorher sensationell begonnen. Ein vierter Platz beim Auftaktrennen in Südafrika, dann der erste Podestplatz in Mexiko, dem er zwei Wochen später in Brasilien den zweiten Podiumsbesuch folgen lässt - beide Male nur von den überlegenen Williams-Piloten geschlagen. In Barcelona der nächste Coup: Michaels erster 2. Platz, nur Nigel Mansell im Williams ist schneller als Michael im neuen Benetton B192.

Der unaufhaltsame Aufstieg von Michael Schumacher hatte begonnen., Foto: Sutton
Der unaufhaltsame Aufstieg von Michael Schumacher hatte begonnen., Foto: Sutton

Auch in Kanada wird Michael Zweiter, bevor er nach einigen Punkteplatzierungen und zwei Ausfällen in San Marino und Frankreich mit Tränen in den Augen auch bei seinem Heimspiel in Hockenheim als Dritter auf dem Podium in die Fanmassen winken darf. Auf einen weiteren Ausfall in Ungarn folgt Michaels erster Triumph in Belgien sowie ein weiterer Podestplatz in Italien.

Abgesehen von seinen vier Ausfällen ist der Portugal GP das einzige Rennen, bei dem Michael als Siebter keine WM-Punkte erhielt. Mit seinem zweiten 2. Platz des Jahres beim Saisonfinale in Australien macht er die 53 Punkte voll und beendet seine erste komplette F1-Saison als WM-Dritter, nur drei Punkte hinter Riccardo Patrese im eigentlich überlegenen Williams und einen Punkt vor Ayrton Senna.

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