Pro: Keinem Zweikampf ausgewichen

von Kerstin Hasenbichler

Am Dienstag absolviert Kamui Kobayashi seine erste Sitzprobe in der Sauber-Fabrik in Hinwil. Der 23-jährige Japaner wird in der kommenden Saison für den Rennstall des Schweizers Peter Sauber an den Start gehen. Bisher hatten die Piloten aus dem Land der aufgehenden Sonne in der Formel 1 vor allem den Ruf als Bruchpiloten - unvergessen sind "Dreherkönig" Ukyo Katayama oder "Crashkid" Takuma Sato.

Doch Kobayashi gilt als japanischer Hoffnungsschimmer. Mit seinen zwei starken Einsätzen für Toyota 2009 hat der Japaner bewiesen, dass er im Gegensatz zu manchem seiner Landsmänner tatsächlich Autofahren kann - was man nach seiner GP2-Saison nicht erwarten konnte. In seinem ersten F1-Rennen in Interlagos verpasste er als Neunter im Rennen nur knapp die Punkteränge, dabei hatte Kobayashi zu diesem Zeitpunkt sieben Monate nicht mehr in einem Formel-1-Rennwagen gesessen.

Kobayashi lässt sich von großen Namen nicht einschüchtern, Foto: Sutton
Kobayashi lässt sich von großen Namen nicht einschüchtern, Foto: Sutton

Beim Saisonfinale in Abu Dhabi startete er als Zwölfter, profilierte sich als bester Pilot mit einer Einstopp-Strategie und holte drei Punkte für Platz sechs. "Das waren zwei Vorstellungen, die damals den ganzen Zirkus überraschten. Kobayashi machte alles richtig und wich vor allem keinem Zweikampf aus", lobte Peter Sauber. Der 23-Jährige ließ sich von den großen Namen nicht beeindrucken und lieferte sich wilde und beherzte Duelle mit Fernando Alonso oder Jenson Button. Zudem bewies Kobayashi in Abu Dhabi, dass er nicht nur schnell und aggressiv fahren kann, sondern dass er auch in der Lage ist, eine Strategie erfolgreich umzusetzen.

Mit Punkten im erst zweiten F1-Rennen legte der Japaner ein gleich gutes Formel-1-Debüt wie Einer der ganz Großen in der Königsklasse hin: Michael Schumacher. Der Deutsche holte zwei Wochen nach seinem Debüt 1991 in Monza auf Benetton den fünften Platz - am Ende wurde er sieben Mal Champion. Ein gutes Omen für Kobayashi.

Contra: Zu wild und zu langsam

von Stephan Heublein

Kamui Kobayashi - mit dem Japaner hätte vor wenigen Monaten niemand im F1-Fahrerlager als Stammpilot für die Saison 2010 gerechnet, noch nicht mal bei seinem Förderer Toyota. Nach seinen beiden ersten Grand Prix als Ersatz für Timo Glock bekam er viel Lob und viele Vorschusslorbeeren. Zugegeben: Die Ergebnisse in Brasilien und Abu Dhabi waren gut, für einen Rookie sogar sehr gut - aber das nackte Ergebnis ist bekanntlich nicht alles.

Die Fans waren begeistert von seinen Überholmanövern und aggressiven Duellen gegen die großen Stars. Besagte Gegner waren weniger erfreut, klagten über die übermotivierte, gefährliche Fahrweise des Japaners. Tatsächlich: Die Duelle hätten auch anders enden können, gerade in Brasilien, nämlich ohne WM-Punkte, aber mit viel Schrott und einem großen Schreck. Ein bisschen Kamikaze à la Takuma Sato steckt also auch in Kobayashi.

Vielleicht ließe sich dieser Trieb zähmen, trotzdem muss er erst einmal eine konstante, komplette Formel-1-Saison hinlegen. Bei Toyota hatte er eine einmalige Chance, die er unbedingt mit allen Mitteln ergreifen wollte, aber jetzt muss er 19 Mal im Jahr eine gute Leistung bringen, neue Strecken lernen, in einem Team fahren, das trotz seiner Sponsorenmillionen nicht auf Rosen gebettet ist und jeden Cent mehrmals umdrehen muss.

In den letzten beiden Rennen 2009 hatte Kobayashi nichts zu verlieren, er konnte alles geben, mit Vollgas, viel Mut, wenig Respekt und noch weniger Gedanken an die Folgen in die Zweikämpfe gehen. Ab sofort heißt es die Konsequenzen zu bedenken, vorsichtiger und kalkulierter zu fahren, das Auto nicht zu beschädigen, keine unüberlegten Dinge zu tun, die wertvolle Punkte, Teamprämien und Ergebnisse gefährden könnten - ganz zu schweigen von den Kosten bei zerstörten Autos.

Kobayashi in der GP2 Asia, Foto: Sutton
Kobayashi in der GP2 Asia, Foto: Sutton

Aber nicht nur Kobayashis Temperament muss auf eine gesamte Saison gezügelt werden. Auch sein Speed ist nicht unumstritten. Im Winter 2008/2009 gewann Kobayashi die GP2 Asien Serie, diese war jedoch schwach besetzt. Der GP2-Champion 2009, Nico Hülkenberg, fuhr nur ein paar Rennen mit und auch sonst waren kaum Spitzenfahrer im Einsatz. So setzte sich Kobayashi gegen d'Ambrosio, Rodriguez und Valsecchi durch, die nicht gerade als absolute Ausnahmetalente gelten.

In seinen beiden Jahren in der GP2-Hauptserie enttäuschte Kobayashi: Zweimal wurde er nur 16. in der Gesamtwertung, es gelang ihm in zwei Jahren nur ein einziger Sieg, der aber in einem Sonntagsrennen mit umgedrehter Startreihenfolge. Auch in der zweiten Talentschmiede für die Formel 1, der Formel 3 EuroSerie, war er in zwei Jahren nur einmal erfolgreich. In der Saison 2007 belegte er hinter Grosjean, Buemi und Hülkenberg Platz 4 in der Gesamtwertung. Echte Superstars erzielen andere Ergebnisse.