Super Aguri: geschlossen. Honda: geschlossen. Tests: limitiert. Anthony Davidson ist Rückschläge gewohnt. Trotzdem gibt er nicht auf. Motorsport-Magazin.com Chefredakteur Stephan Heublein traf sich mit dem Briten. Gemeinsam sprachen sie über die Zukunft der Testfahrten, das Arbeiten im Rennsimulator und Menschen, die Bilder mit ferngesteuerten Autos malen...

Anthony Davidson: Testfahrer ist kein guter Job mehr

Anthony Davidson ist gut gelaunt. Feixend steigt er mit seiner Ehefrau Carrie die Treppen hinauf und lässt sich auf einem roten Sofa nieder. "Ich kann mir das nicht vorstellen", sagt er ungläubig. "Der sagt bestimmt nur, dass er das Bild mit ferngesteuerten Autos gemalt hat."

Gemeint ist der englische Künstler Ian Cook, der Bilder von Rennautos und Rennfahrern mit den Reifen von ferngesteuerten Spielzeugautos malt. Wenige Minuten zuvor hat Anthony Davidson ein von allen Gästen der Autosport International Show in Birmingham unterschriebenes Werk an seinen neuen Besitzer überreicht - und seitdem hat es Davidson nicht mehr losgelassen.

Sympathisch, locker, freundlich ist er, aber auch beharrlich ungläubig. "Das geht gar nicht", sagt er immer wieder und lacht dabei herzhaft. Aber: es geht sehr wohl! "Es klingt verrückt, aber ich habe selbst gesehen, wie er es gemalt hat", weise ich Davidson darauf hin. "Ah, wir haben einen Zeugen!", wirft Carrie mit einem lauten Lachen ein, die als ehemalige Jaguar-Pressesprecherin selbst F1-Erfahrung aufweist, aber eben keine mit ausgefallenen Künstlern und deren Ideen.

Wenn man Davidson so scherzen und herumblödeln sieht, merkt man ihm nicht an, dass er innerhalb eines Jahres gleich zweimal vor dem Nichts stand, dass er innerhalb eines Jahres gleich zweimal das Ende seines Arbeitsgebers miterleben musste und noch immer keinen neuen gefunden hat. Erst Super Aguri, dann Honda. Davidsons Teams zogen sich beide 2008 aus der Formel 1 zurück. Wie hat er diesen Doppelschock verkraftet, was plant er für die Zukunft und wie erlebte er die Formel 1 als Fernsehzuschauer? Finden wir es heraus...

Anthony, was hast du seit dem abrupten Ende deiner letzten Saison bei Super Aguri gemacht?
Anthony Davidson: Das Ende von Super Aguri war unglaubliches Pech. Obwohl es halbwegs zu erwarten war, kam es für mich und alle im Team wie ein Schock. Danach musste ich für den Rest des Jahres schnell handeln. Deshalb habe ich Honda in Brackley kontaktiert und mit ihnen einen Deal abgeschlossen. Ich durfte einen Testtag in Barcelona absolvieren und ihnen bei der Entwicklung ihres Simulators helfen - das war ziemlich spannend. Nachdem die Tests auf nahezu nichts limitiert wurden, liegt darin die Zukunft der Formel 1. Die virtuelle Welt und das computergestützte Design werden immer wichtiger. Gleichzeitig hat es mir ermöglicht, eine ganz andere Seite des Fahrens zu erleben. Bis zum Ende des Jahres war das wirklich gut.

Anthony und Carrie sind nur schwer von den Künsten mancher Maler zu überzeugen., Foto: Sutton
Anthony und Carrie sind nur schwer von den Künsten mancher Maler zu überzeugen., Foto: Sutton

Es war quasi eine Rückkehr zu deinen F1-Wurzeln...
Anthony Davidson: Richtig, ich war bei Honda wieder an einem Ort, den ich bestens kannte. Es war schade, dass Super Aguri zusperren musste, aber ich dachte mir: "Bei Honda bin ich jetzt wenigstens stabil und gesichert." [lacht] Bei Super Aguri musste man immer hoffen, dass es beim nächsten Rennen weitergehen würde. Die Rückkehr zu Honda fühlte sich viel sicherer an - zumindest zu diesem Zeitpunkt. Dann habe ich die schlechten Nachrichten erhalten, dass sie sich aus der Formel 1 zurückziehen würden und ich fand mich wieder in der gleichen Situation wieder wie bei Super Aguri. Es war so, als ob sich die Geschichte wiederholen würde.

Entsprechend gut kannst du wahrscheinlich mit den Honda-Mitarbeitern in Brackley mitfühlen. Denn du bist nicht nur einer von ihnen, sondern kennst die Ungewissheit auch schon von Super Aguri...
Anthony Davidson: Absolut. Ich fühle mit ihnen und mache mir die gleichen Gedanken um die Zukunft wie sie. Der Motorsport befindet sich momentan in einer schwierigen Situation - es ist fast ein bisschen erschreckend.

Wie hätte deine Zukunft ausgesehen, wenn Honda sich nicht zurückgezogen hätte?
Anthony Davidson: Ich hatte noch keinen Vertrag für diese Saison unterschrieben, aber wir waren schon sehr weit fortgeschritten bei den Verhandlungen. Ich war mit meiner Situation für dieses Jahr sehr zufrieden, nur leider hat sich das alles in Luft aufgelöst. Das war sehr enttäuschend.

Ich habe zuletzt mit Pedro de la Rosa gesprochen. Er sagte mir: "Nach dem ersten Rennen heißt es für mich als Testfahrer: Game over." Wie viel hätte dir die Rolle als Honda-Testfahrer noch gebracht?
Anthony Davidson: Da hat Pedro Recht. Testfahrer ist derzeit kein guter Job. Es ist nicht mehr das, was es einmal war. Alles ist extrem eingeschränkt. Früher haben wir vier Tage mit drei Autos in Barcelona oder sogar in Bahrain getestet. Das waren fantastische Zeiten für einen Testfahrer. Auch die Freitagstests waren sehr gut für uns Fahrer. Es ist wirklich schade, dass es die Freitagstestmöglichkeit für die Testfahrer nicht mehr gibt.

Davidson möchte nicht nur noch in Simulatoren sitzen., Foto: Moy/Sutton
Davidson möchte nicht nur noch in Simulatoren sitzen., Foto: Moy/Sutton

Gerade für die jungen Fahrer ist das angesichts des Testverbots während der Saison schlecht...
Anthony Davidson: Richtig. Fahrer wie Sebastian Vettel, Robert Kubica und ich erhielten durch die Freitagstests die Chance zu zeigen, was sie in einem F1-Auto unter Druck leisten können. Wir haben uns alle sehr gut geschlagen und wurden deswegen Stammfahrer. Wer sich an den Freitagen nicht beweisen konnte, bekam hinterher kein Renncockpit. Es hat also sehr gut funktioniert und war eine Gelegenheit, einen guten, kompletten Fahrer auszubilden. Es ist schon schlimm genug, dass es diese Option nicht mehr gibt, aber zu allem Überfluss haben sie auch noch alle anderen Tests während der Saison gestrichen. Das trifft die Teams und den Fahrermarkt sehr hart. Man kann sich Testfahrer nennen, modische Brillen tragen und bei jedem Rennen an einer F1-Strecke herumhängen, aber man kommt halt nicht zum Fahren. Jetzt ist es wichtig, nebenher auch noch in einer anderen Rennserie zu fahren. Es ist aber sehr schwierig, all das unter einen Hut zu bekommen.

Wie gut hast du es bisher unter einen Hut bekommen?
Anthony Davidson: Ich plane, in Le Mans zu starten. Ich bin schon einen Test für Peugeot gefahren und sehr daran interessiert, in Le Mans zu fahren. Aber ich arbeite noch daran und hoffe, dass ich ein konkurrenzfähiges Auto bekommen kann. Parallel möchte ich etwas in der Formel 1 machen, etwa Testfahrten oder wieder Entwicklungsarbeiten an den Simulatoren der Teams. Daran wäre ich sehr interessiert, denn es würde mich dieses Jahr beschäftigen, so dass ich für 2010 etwas Konkretes angehen kann. Für 2009 ist es zu spät. Alle F1-Teams haben die Verträge mit ihren Fahrern unterschrieben. So gesehen kam der Rückzug von Honda zum falschen Zeitpunkt. Sie hätten es Mitte 2008 bekannt geben sollen, dann hätten die Fahrer und alle anderen Teammitglieder eine Chance gehabt, sich etwas anderes zu suchen.

Du hast jetzt schon zweimal die Simulatorarbeit erwähnt. Darüber hat Pedro ebenfalls gesprochen und er erwartet in dieser Saison noch viel mehr davon...
Anthony Davidson: Oh ja. Es ist doch so: wenn man die Kosten senken will, indem man die Testfahrten einschränkt, werden die Teams garantiert einen Weg finden, das Geld auf andere Weise auszugeben. Sie werden eine größere Fabrik, einen leistungsfähigeren Windkanal oder einen besseren Simulator bauen. Man wird sie niemals davon abhalten können, Geld auszugeben. Niemals.

Blick in die Zukunft: 2010 soll alles besser werden., Foto: Sutton
Blick in die Zukunft: 2010 soll alles besser werden., Foto: Sutton

Macht dir die Arbeit im Simulator Spaß? Oder besser: macht es ansatzweise so viel Spaß wie das Fahren auf der Strecke?
Anthony Davidson: Mir persönlich würde es keinen Spaß machen. Es ist interessant und kann an einigen Tagen Spaß machen, aber es ist nichts, wofür ich als Rennfahrer lebe. Ich lebe, um ein Rennauto zu fahren. Deswegen habe ich mit dem Motorsport angefangen und das möchte ich mindestens noch zehn Jahre lang machen. Ich bin jetzt 29 Jahre alt und habe locker noch zehn Jahre Motorsport auf dem höchsten Level vor mir. Deswegen glaube ich, dass ich einen Platz verdient habe. Klar muss man dabei auch Simulatorarbeit erledigen, aber als Hauptbeschäftigung Woche für Woche wäre es nichts für mich. Das wäre nur noch eine Arbeit, um Geld zu verdienen. Es wäre nur ein Job, würde mir aber keinen Spaß machen.

Okay, Simulatorarbeit macht wenig Spaß, aber wie viel Spaß hat es dir gemacht, die Rennen am Fernseher zu Hause ansehen zu müssen?
Anthony Davidson: Oh, das war fürchterlich. Beim ersten Rennen ohne Super Aguri in Istanbul saß ich zu Hause und habe mir das Live Timing angesehen. Ich habe mir am Freitag das 1. Freie Training angeschaut, dann das 2. Freie Training. Ich habe die Rundenzeiten analysiert und alles fühlte sich falsch an. Ich hatte das Gefühl, dass ich da auf der Strecke sein sollte. Ich verfiel fast in Panik, weil ich im Auto hätte sein müssen. Im Laufe der Saison habe ich bis zum Saisonfinale aufgehört, mir die Rennen anzuschauen. Ich wollte einfach zu sehr dabei sein und war nicht mehr daran interessiert zuzuschauen. Wenn man die F1 einmal von innen kennt, dann möchte man sie nicht mehr als Zuschauer erleben. Gerade die ersten beiden Rennen waren unglaublich hart für mich.

Insbesondere, weil du auch nicht als Testfahrer an der Strecke sein und alles miterleben konntest...
Anthony Davidson: Nein, das konnte ich nicht. Alex Wurz war der offizielle Testfahrer von Honda und sie wollten auch nicht, dass es öffentlich wurde, dass ich noch für sie gearbeitet habe. Somit musste ich mich still im Hintergrund aufhalten. Jetzt gibt es sie nicht mehr, da kann ich es dir verraten, denn es war ein arbeitsreiches Jahr für mich. Ich war wirklich glücklich, dass ich etwas für sie machen durfte und dabei die Gelegenheit erhalten habe, mit Ross Brawn zu arbeiten. Er ist einfach fantastisch und ganz genau so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ross geht sehr logisch vor und hat eine unglaubliche Vision. Was er für dieses Jahr aufbauen wollte, war sehr gut und es ist schade, dass es so gekommen ist.

Ich habe gesehen, dass hier ein Super Aguri ausgestellt ist - er steht mal wieder zum Verkauf...
Anthony Davidson: Tatsächlich? [lacht]

Ja, ein SA06 aus der Saison 2006 - er steht gleich neben dem Stand des Malers.
Anthony Davidson: [lacht laut] Okay, also nicht das Auto, das ich gefahren bin. Das von 2006 würde ich aber nicht kaufen, das ist nicht sehr gut. [lacht] Aber wahrscheinlich habe ich das Auto nicht gesehen, weil ich so sehr auf den Maler konzentriert war, um herauszufinden, ob er das Bild wirklich gemalt hat...