2009 war ein schwieriges Jahr für Lewis Hamilton. Der Brite ging als jüngster Weltmeister in die Saison, musste aber bald auf und neben der Rennstrecke Rückschläge wegstecken. Erst in Ungarn schaffte er den ersten von zwei Saisonsiegen. Motorsport-Magazin Redakteur Juha Päätalo stellte Hamilton zum Interview. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Geld ist kein Lebensziel

Lewis Hamilton spricht in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins Klartext., Foto: adrivo Sportpresse
Lewis Hamilton spricht in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins Klartext., Foto: adrivo Sportpresse

Pures Racing war einmal, sagt Lewis Hamilton. Heute ist die Formel 1 mehr Geschäft. Trotzdem liebt der amtierende Weltmeister seinen Sport. Mit dem Motorsport-Magazin sprach er über sein Leben nach dem Titelgewinn und wie es sich verändert hat.

MSM: Lewis, Sie sind der jüngste Formel-1-Weltmeister aller Zeiten. Ein Superstar. Aber sind Sie in diesem Jahr ein glücklicher Mensch?
Lewis Hamilton: Nach dem Sieg in Ungarn schon. Es war ein überwältigendes Gefühl, oben auf dem Podium zu stehen. Siegen ist ein elementarer Teil in meinem Leben. Als ich dieses Jahr nicht siegen konnte, konnte ich auch nicht zufrieden sein mit den Resultaten. Denn ich möchte immer gewinnen und immer um den Weltmeistertitel mitfahren. Aber als Mensch bin ich sehr glücklich. Ich tue, was ich liebe, habe ein tolles Team, einen wunderbaren Teamkollegen, Fans und Familie. Ich kann mich nicht beklagen.

War diese Saison nach dem Titelgewinn im letzten Jahr für Sie in irgendeiner Art und Weise einfacher zu verkraften?
Nein, wenn du erfolgreich warst und es dann auf einmal nicht mehr bist, beeinträchtigt dich das - egal was im Jahr davor gewesen ist. Es stimmt schon, vielleicht wäre es noch härter gewesen, wenn ich im letzten Jahr nicht Weltmeister geworden wäre, aber darüber denke ich nicht nach.

Wie haben Sie sich zu Saisonbeginn gefühlt? Sie sind amtierender Weltmeister, haben 2007 den WM-Titel nur um einen Punkt verpasst, 2006 die GP2 und 2005 die Formel 3 Euro Serie gewonnen. Und plötzlich konnten Sie nicht mal mehr in die Punkte fahren...
Das war sehr schwer und tat im Herzen weh. Ich lebe für den Wettbewerb, aber zum Leben gehört auch, dass man nicht immer gewinnen kann. Ich muss von dieser Saison lernen, und wenn wir uns auf die Saison 2010 vorbereiten, dann tun wir das besser denn je zuvor.

Wie soll das funktionieren?
Das Team unternimmt alles, damit wir die Fehler aus dieser Saison nicht wiederholen. Als das Auto ab dem Nürburgring endlich einen großen Schritt machte, war es ein Sieg für die Moral, weil die ganze harte Arbeit plötzlich Früchte getragen hat. Und in Ungarn hat plötzlich alles geklappt.

Welche Rolle spielte der Streit um den Doppeldiffusor in diesem Jahr? War die erste Saisonhälfte für Sie und Ihr Team nur deswegen so schwierig, weil der Doppeldiffusor für legal erklärt wurde?
Nein. Red Bull hatte den Doppeldiffusor auch nicht sofort. Und als wir ihn hatten, waren wir immer noch zu langsam. Wir haben sechs Monate gebraucht, um das Auto siegfähig zu machen. Das ist schwer zu glauben. Aber der Sieg hat gut getan, auch bei der Vorbereitung für das nächste Jahr.

Lewis Hamilton brauchte 2009 einiges an Zuspruch., Foto: Sutton
Lewis Hamilton brauchte 2009 einiges an Zuspruch., Foto: Sutton

Der Sieg in Ungarn stand im Schatten des schweren Unfalls von Felipe Massa. Hat Sie das beeinträchtigt?
Alle Fahrer haben Felipe am Sonntag vermisst. Ich hoffe, dass er bald wieder Rennen fahren kann. Wir denken an ihn und wünschen ihm eine schnelle Genesung. Er wird bald auch Vater, da muss er wieder top fit sein.

Lewis, Sie wurden oft zitiert, dass Sie eine besondere Beziehung zu Ayrton Senna hätten. Sie haben ihn aber nie getroffen. Können Sie diese Beziehung beschreiben?
Es ist wichtig, dass ich nie gesagt habe, dass ich mich wie Ayrton Senna fühle. Er war in vielen Bereichen außergewöhnlich. Dem wollte ich nacheifern. Ich habe zu ihm aufgeschaut und versucht, in so vielen Bereichen wie möglich wie er zu sein. In einigen dieser Bereiche bin ich vielleicht ähnlich wie er oder habe ein ähnliches Gefühl. Etwa wenn ich eine beinahe perfekte Qualifying-Runde fahre, wie ich den Sport beurteile und wie sehr ich den Motorsport liebe.

Wie glauben Sie wäre Ayrton mit einer Saison wie Ihrer umgegangen?
Es wäre auch für ihn sehr hart gewesen. Er hätte genauso ein Lehrjahr erlebt wie ich in dieser Situation. Ich musste diese Saison so angehen, wie die großen Fahrer ihrer Zeit damit umgegangen sind. Ich bin positiv geblieben und glaube, dass ich dieses Jahr recht gut bewältigt habe.

Sie sagen, dass Sie die Formel 1 und den Motorsport lieben. Aber als Sie nach dem Australien Grand Prix vor den Augen der Welt als Lügner dastanden, haben Sie sogar kurz überlegt, Ihre Karriere zu beenden. Warum?
Als ich in die Formel 1 kam, war ich keineswegs ein erwachsener Mann, sondern ein halbwüchsiger Junior, der noch viel zu lernen hatte. Manchmal gehst du zu weit. Du denkst, dass du etwas Geschicktes sagst, aber dann nageln sie dich darauf fest und stellen deine Worte in einen anderen Zusammenhang. Vor den Augen der Welt standen mein Image und meine Persönlichkeit plötzlich im falschen Licht da. Das bildet den Charakter, aber ich nehme das als Herausforderung. Als diese Affäre im Gange war, haben die Menschen gesehen, wie ich sie gemeistert und dadurch gelernt habe. Ich hoffe, dass ich deswegen jetzt noch bessere und loyalere Fans habe.

Glauben Sie, dass man das Image der Formel 1 nach all den Skandalen der letzten Zeit noch retten kann?
Ich kann nur von mir selbst sprechen. Ich liebe die Formel 1, weil sie eine der wunderbarsten Sportarten der Welt ist. Aber ich habe das Gefühl, dass sie zu Zeiten von Ayrton Senna noch pures Racing war, heute eher ein Geschäft. Vielleicht ist das wie mit der ersten Auslandsreise. Beim ersten Mal ist man begeistert, weil es etwas Außergewöhnliches ist. Man reist in unbekannte Länder, lernt neue Kulturen kennen, alles ist anders, nicht so wie man es aus dem Alltagsleben gewohnt ist.

Das Exklusivinterview mit Lewis Hamilton schmückte das Titelblatt der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse
Das Exklusivinterview mit Lewis Hamilton schmückte das Titelblatt der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse

Inzwischen fühlt sich eine Reise nach Italien an, als würde man nach Hause kommen. Trotzdem ist für mich als Fahrer jedes Rennen ein neues Erlebnis. Für viele andere vielleicht eher Routine. Ich hoffe, dass der Sport in Zukunft von Menschen geführt wird, die das korrigieren können. So, dass der Sport wieder mehr zum Erlebnis wird, der Wettbewerb im Mittelpunkt steht, die Fans den Sport mehr genießen können und die Atmosphäre im Fahrerlager auch liebevoller ist.

Sie sind sehr schnell reich geworden. Wie ändert das einen Menschen?
Das Geld hilft, aber im Leben geht es um etwas anderes. Mit Geld kann man keine Zeit mit der Familie kaufen, keine gemeinsamen schönen Momente. Der einzige Vorteil von Geld ist, glaube ich, dass man besseres und größeres Spielzeug kaufen kann als die anderen. Trotzdem tue ich mir noch schwer damit, Geld auszugeben. Ich halte viele Dinge noch zu teuer für mich. Vielleicht, weil es gar nicht so lange her ist, dass ich nicht mal Geld hatte, mein Auto voll zu tanken. Ich habe immer noch kein Luxus-Haus, keine Yacht, kein Flugzeug. Ich habe mir neulich ein Mountain Bike gekauft. Und wenn ich mit meiner Freundin essen gehe, dann sehr gut. Es ist auch eine Charakterfrage, wie man mit Geld umgeht. Ich glaube, dass mein Leben gewöhnlicher und langweiliger ist als Ihr Leben. Aber ich mag ein normales Leben.

Was ist denn wirklich wichtig im Leben?
Dass man etwas daraus macht und die Zeit nicht vergeudet, die man hat. Das schafft man nicht immer, ich habe auch Fehler gemacht. Aber man sollte sie nicht bereuen, sondern nach vorne schauen und jeden Moment nutzen, um sie mit der Familie und Freunden zu verbringen. So, dass wir eines Tages zusammen Fotos betrachten und lachen können. Der Mensch nimmt sein Leben ja nicht auf. Aber ich möchte so viele Fotos wie möglich als Erinnerungen haben, um mich später an die schönen Momente zu erinnern.

Das Exklusivinterview mit Lewis Hamilton wurde in der Oktober-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: