Motorsport ist gefährlich. Dessen müssen sich alle Beteiligten bewusst sein. Trotzdem unternahmen die FIA, die Teams, die Fahrer, die Streckenbauer und die Zulieferer in den vergangenen Jahren alles, um die Gesundheit der Fahrer besser zu schützen. Für die Mai-Ausgabe unseres Printmagazins Motorsport-Magazin wühlte sich unsere Redakteurin Kerstin Hasenbichler durch die Sicherheitsverbesserungen der zurückliegenden Jahrzehnte. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Safety First

Safety First in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse
Safety First in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse

Die tödlichen Unfälle von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger rüttelten die Formel 1 wach. Seit 1994 wurde die Sicherheit im Cockpit und an den Rennstrecken drastisch verbessert.

Schwere Unfälle gehören in der Formel 1 seit jeher zur Tagesordnung. Ihre Folgen haben sich allerdings seit Gründung der Königsklasse im Jahr 1950 drastisch verändert. Bis in die 70er Jahre hinein waren tödliche Unfälle gang und gäbe. Sie wurden betrauert, aber auch als unkalkulierbares Risiko akzeptiert. Doch die immer schneller werdenden Formel-1-Boliden brachten die Piloten bald auf die Barrikaden. Sie wollten nicht länger Spielbälle der Veranstalter und Teams sein und engagierten sich fortan für mehr Sicherheit in der Königsklasse.

Die tragischen Unfälle von Roland Ratzenberger und Formel-1-Legende Ayrton Senna in Imola 1994 - sie sind die bislang letzten Todesopfer in der Formel 1 - lösten eine Welle der Bestürzung aus. Das Bewusstsein von Piloten, Konstrukteuren und Teamchefs änderte sich. Ab sofort galt in der Formel 1 das Motto: "Safety first". Nach dem schwarzen Wochenende von Imola wurde die Grand Prix Drivers Association (GPDA) erneut ins Leben gerufen. Sie wurde 1961 erstmals gegründet, aber bereits 1982 wieder aufgelöst. Die GPDA nahm fortan großen Einfluss auf die Gestaltung der Rennstrecken - unter anderem zeichnet sie dafür verantwortlich, dass in den Auslaufzonen der ungeliebte Kies dem Asphalt Platz machen musste.

Nick Heidfeld überschlug sich in Indianapolis., Foto: Sutton
Nick Heidfeld überschlug sich in Indianapolis., Foto: Sutton

Aus Sicht der Formel-1-Ärzte brachte 1996 die Einführung des Kopf- und Nackenschutzes einen der größten Fortschritte in Sachen Sicherheit mit sich. Dabei handelt es sich um einen Kragen, der mit Schaum gefüllt ist. "Dieser Schutz hat schon vielen Fahrern das Leben gerettet, denn er federt alle Stöße auf den Kopf weich ab", hieß es von Seiten der Ärzte. Die einschneidensten Sicherheitsvorschriften folgten zwei Jahre später. Die FIA reduzierte nicht nur die Breite eines Formel-1-Boliden von 2 auf 1,80 Meter, sondern schrieb auch größere Cockpits vor. Die Crashtests wurden weiter verschärft.

Mittlerweile gibt es drei dynamische Tests und zwölf statische Belastungsprüfungen. Ein Rennbolide bekommt erst die Zulassung, wenn sämtliche Tests bestanden wurden. Das Chassis wird dabei von vorne mit 15 Meter/Sekunde (54 Stundenkilometer), von der Seite mit zehn m/s (36) und mit dem Heck voran mit elf m/s (39,6) gegen eine Wand gefahren. Die Obergrenzen für die maximale Verzögerung, Energie-Aufnahme und Verformung sind genau festgelegt. Grundsätzlich gilt: Die Überlebenszelle muss völlig intakt bleiben.

1998 verbannte die FIA die Slicks, um die hohen Kurvengeschwindigkeiten zu reduzieren, und führte dafür die Rillenreifen ein. Um zu vermeiden, dass bei einem Crash wild umher fliegende Reifen mögliche Helfer oder Fans treffen, befestigte man die Reifen 1999 mit einem Halteseil am Chassis. Um die Sicherheit der Piloten zu verbessern, wurden in demselben Jahr herausnehmbare Sitze eingeführt. Damit konnte der Fahrer nach einem schweren Unfall zusammen mit dem Sitz des Wagens geborgen werden. Zudem muss seit 1999 jedes Auto mit einem Unfallschreiber ausgerüstet sein. Dabei werden alle Geschwindigkeits- und Verzögerungswerte aufgezeichnet. "Sie dienen uns als Grundlage, die Sicherheitsmaßnahmen weiter zu verbessern", verrät FIA-Rennleiter Charlie Whiting.

Robert Kubica verpasste nach diesem Unfall nur ein Rennen., Foto: Sutton
Robert Kubica verpasste nach diesem Unfall nur ein Rennen., Foto: Sutton

Mit den technischen Fortschritten der späten 90er Jahre als Grundlage fand der Gedanke "Safety first" im neuen Jahrtausend seine Fortsetzung. Seit der Saison 2000 müssen die Kohlefaserwände der Cockpits mindestens 3,5 mm dick sein. Eine darin enthaltene 2,5 mm starke Kevlarschicht soll verhindern, dass Fremdkörper eindringen. Der Überrollbügel wurde um 20 auf 70 Zentimeter erhöht und muss einer seitlichen Krafteinwirkung von 2,4 Tonnen standhalten. Das Innere des Cockpits ist seit 2002 mit einem Schaumpolster gefüttert. Dieser Schutz bewahrte den BMW-Sauber-Pilot Robert Kubica bei seinem Horrorcrash in Kanada 2007 vor Beinbrüchen.

Der Pole war in der 27. Runde nur noch eine weiß-blaue Billard-Kugel, nachdem sein Rennwagen den Toyota von Jarno Trulli berührt hatte, in die seitliche Betonbegrenzung geprallt war, anschließend auf dem Grünstreifen fast abhob, sich mehrfach überschlagend ungebremst in den nächsten Mauervorsprung bohrte und quer über die Piste im stumpfen Winkel in die Leitplanken einschlug. Beim zweiten Aufprall in die Leitplanke waren die Füße des Polen bereits im Freien, nachdem es den vorderen Teil des Monocoques aus Kohlefaser eingedrückt hatte. Der Stoß schob die Füße nach hinten, statt gegen die harten Cockpitwände zu schlagen, wurden die Beine allerdings weich abgefedert. "Erwarten Sie das Unerwartete" steht auf den großen Warntafeln bei der Zufahrt zur Ile-de-Notre-Dame - der Leitspruch gilt auch beim Thema Sicherheit in der Formel 1.

Auch Michael Schumacher profitierte von den verbesserten Sicherheitsvorkehrungen., Foto: Sutton
Auch Michael Schumacher profitierte von den verbesserten Sicherheitsvorkehrungen., Foto: Sutton

2004 beherrschte ein Name die Fomel-1-Szene: HANS. Seit fünf Jahren ist er der ständige Begleiter von Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen & Co. Ohne HANS geht kein Fahrer mehr an den Start. HANS (Head-and-Neck Support) ist ein System zum Schutz der Hals- und Nackenmuskulatur sowie der Halswirbel. Der Helm der Piloten wird mit zwei elastischen Bändern an einem Gestell befestigt, das die Fahrer über den Schultern tragen. HANS sorgt für eine kontrollierte Verzögerung des Kopfes bei einem Aufprall von vorne und hinten und verhindert, dass der Nacken überdehnt werden kann.

Im Jahr 2005 verbesserte die FIA die Halteseile der Reifen. Anstatt wie seit 1999 mit einem Kabel wurden die Reifen ab diesem Zeitpunkt durch zwei Seile aus Hochleistungsfasern mit dem Chassis verbunden. Die Seile mussten jeweils einer Belastung von sechs Tonnen standhalten.

In der Formel 1 ist Stillstand ein Fremdwort. Die technischen Innovationen stellen seit jeher Fahrer und Material auf eine harte Probe. Aus diesem Grund verschärfte die FIA 2006 ein weiteres Mal die Crashtests: die Aufprallgeschwindigkeit beim Heck-Crashtest wurde von zwölf auf 15 m/s angehoben. Seit dieser Saison sind die Piloten mit einer Art von "schusssicherer Weste" ausgerüstet. Die Flanken ihres Cockpits sind mit einer sechs Millimeter dicken Schicht aus Karbon und Zylon versehen, das auch für schusssichere Westen verwendet wird. Ebenfalls seit diesem Jahr steht den Rennkommissaren ein verbessertes Videosystem zur Analyse von Zwischenfällen zur Verfügung.

Der Hintergrundbericht zur Sicherheitsentwicklung in der Formel 1 wurde in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: