Jeder Rennfahrer hat einen Helm auf seinem Kopf. Dabei ist der Helm mehr als nur reiner Kopfschutz: Er ist Erkennungsmerkmal und Markenzeichen in einem. Für eine Exklusivgeschichte in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins enthüllte Helmdesigner Jens Munser die Geheimnisse seiner Designkunst.

Speziell für unser Special "Best of Motorsport-Magazin.com 2009" haben wir den Artikel um Passagen erweitert, die in der veröffentlichten Printversion der Schere zum Opfer gefallen sind. Mehr Interviews und Hintergrundgeschichten gibt es jeden Monat neu im Motorsport-Magazin.

Helme machen Fahrer

Der Artikel in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse
Der Artikel in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins., Foto: adrivo Sportpresse

Formel-1-Fahrer haben lediglich den Helm, über den sie im Auto ihre Individualität zum Ausdruck bringen können. Das Design ist deswegen besonders wichtig und Jens Munser sorgt bei einigen Fahrern dafür, dass es auf dem Kopf auch immer gut aussieht.

Der Japaner Toranusuke Takagi startete 1998 und 1999 in 32 Formel-1-Rennen, beendete davon lediglich 13 und holte keinen WM-Punkt. Im Tyrrell und im Arrows mag das Punkten zwar nicht einfach gewesen sein, aber es ließe sich trotzdem sagen, dass er keinen besonders großen Eindruck in der Formel 1 hinterlassen hat. Fahrerisch mag das zutreffen, aber Takagi trug doch mit dazu bei, dass die Königsklasse heutzutage anders aussieht als zuvor.

Denn er ließ sich als erster Formel-1-Pilot einen Helm von Jens Munser entwerfen. Da Takagi abseits seiner Fahrkünste irgendwie auffallen musste, war das auch nicht irgendein Design: eine Chromlackierung musste es sein, was zur Saison 1998 noch ein recht neues Gebiet im Bereich des Designs von Rennhelmen war. "Das war ganz neu", meint Munser gegenüber dem Motorsport-Magazin. Für ihn war das der Einstieg in die Formel 1, begonnen hatte die ganze Geschichte aber etwas früher.

"Die Kombination Design und Motorsport hat mich immer fasziniert. Durch das Motocross-Fahren, das ich damals selbst etwas amateurhaft gemacht habe, kam die Idee, den Helm passend zur Bekleidung zu machen. Da es das damals nicht zu kaufen gab, musste ich es irgendwie selbst machen", erinnert sich Munser an seine Anfänge. Er kannte aus amerikanischen Motocross-Zeitschriften bereits die Arbeit von Troy Lee, der als Pionier auf dem Gebiet gilt, in Deutschland gab es aber niemanden, der so etwas machte. Also wurde Munser selbst tätig.

"Das Problem war, dass man als gelernter Funkelektroniker nicht unbedingt das Handwerkszeug dafür hat. Also musste ich mich selber schlau machen. Was brauche ich dafür? Ist das Lackier-Wissen, ist das Airbrush-Wissen oder Grafik-Design?", fragte er sich. Schnell merkte er, dass er eigentlich alle drei Bereiche dafür benötigt und eine einzelne Ausbildung nicht brauchbar ist. Also fragte er sich bei Airbrushern durch, schaute Auto-Lackierern zu und probierte dann selbst, was für ihn am besten funktionierte. "Es stellte sich die Frage, welche Lacke man benutzt. Bei den ersten Helmen war es so, dass der Lack gleich wieder runtergeflogen ist, weil man einfach keine Ahnung hatte." Schließlich muss ein Rennhelm mit Dingen wie Steinschlägen zurecht kommen, wenn der Lack dabei gleich K.O. geht, hilft das nur wenig.

Tora Takagi veränderte die Formel-1-Welt - zumindest beim Helmdesign., Foto: BEP
Tora Takagi veränderte die Formel-1-Welt - zumindest beim Helmdesign., Foto: BEP

Irgendwann funktionierte es aber und schnell wurden die Motocross-Kollegen auf Munsers Helme aufmerksam. Sie wollten selbst so etwas haben und die Sache begann zu wachsen. Munser fuhr zu Messen und Ausstellungen im Bereich Motorrad und 1993 stand die Entscheidung an, ob er weiter Hobby-Designer bleiben will oder davon leben möchte. "Das war aber nur im Bereich Autorennsport möglich, weil es dort professioneller zugeht. Dort hat ein Helm eine ganz andere Bedeutung, auch vom Kostenverhältnis zwischen Lackierung und Helm." Außerdem sind bei den Motocrossern im Jahr zwei bis drei Helme im Einsatz. Die alle zu lackieren wäre schlicht zu teuer

Sich den Weg in die Autorennszene zu bahnen, ist allerdings nicht die einfachste Sache. Dabei kam Munser Peter Bürger zu Hilfe, der Arai-Importeur für Auto- und Karthelme in Deutschland. Er suchte jemanden, der seinen Service auch um Lackierungen erweiterte. "Wir haben uns da gesucht und gefunden, die Sache schnell ausgebaut und rasch eine gewisse Aufmerksamkeit erreicht", erzählt Munser. Das war der Weg in die Szene und im Mikrokosmos Fahrerlager sprechen sich Dinge wie ein neuer Helm-Designer schnell herum.

"Es gab schon Lackierer, aber das wurde zum Teil semi-professionell behandelt. Jeder, der Auto-Lackierer war, war auch der Meinung, er könnte einen Helm lackieren - bis man dann gezeigt hat, dass es genauer und besser geht." Und Munser stieß damit in eine Marktlücke, denn es war den Fahrern durchaus ein Anliegen, mit dem Helm zu zeigen, wie sie sind und was sie mögen.

Und dann passierte eben der Chromhelm für Takagi, der Munser die ersten Schritte in die Formel 1 ermöglichte. "Der nächste Schritt war Nick Heidfeld. Er fuhr damals noch Formel 3000 und wir haben die Helme für ihn gemacht. Die Firma Schuberth wollte ein Formel-1-Projekt starten und Nick sollte der erste sein, der mit einem Helm von ihnen fährt. Über den Kontakt wurde die Firma Schuberth auf mich aufmerksam, was weitere Kunden brachte", erinnert sich Munser.

Über Schuberth zog er schließlich auch den dicksten Fisch an Land, den man sich im Motorsport nur wünschen konnte. Denn Michael Schumacher wurde auf die Designs Munsers aufmerksam und es wurde Kontakt geknüpft. "Wir haben das bestehende Design erst einmal übernommen und im Laufe der Jahre dann angepasst und verändert. Ich habe Vorschläge gemacht, was man ändern könnte und im Laufe der Jahre hat sich das Design doch ein wenig gewandelt", sagt Munser.

Ebenfalls früh ein Kunde war Sebastian Vettel, der schon zu Kartzeiten JMD-Helme (Jens Munser Design) einsetzte. Wer auf der Homepage von Munser (www.jmd.de) im Gästebuch stöbert, wird dort noch Weihnachtsgrüße des Heppenheimers aus dem Jahr 1998 finden. "Zwischendurch bekam er durch seinen Vertrag Helme von Red Bull gestellt, aber irgendwann kam er wieder zu uns zurück", erklärt der Designer.

Sebastian Vettel beschert Munser viel Arbeit: Der Deutsche wechselte oft sein Helmdesign., Foto: JMD
Sebastian Vettel beschert Munser viel Arbeit: Der Deutsche wechselte oft sein Helmdesign., Foto: JMD

Der Kundenstock wuchs bei Munser mit der Zeit weiter und weiter. Neben Michael Schumacher kam noch Ralf Schumacher an Bord und auch Fahrer wie Giancarlo Fisichella, Mark Webber, Rubens Barrichello oder Nico Rosberg vertrauen auf das Design Made in Germany - das waren nur die Formel-1-Fahrer; und eigentlich nur ein kleiner Auszug davon.

Wie bereits erwähnt, reicht es für Munser dabei aber nicht, einfach nur Farbe auf einen Helm zu bugsieren und sich dafür loben zu lassen. Alleine schon der Umstand, dass der Helm rund ist, macht die Arbeit schwierig. "Jeder, der es probiert, bemerkt das gleiche Problem, dass man mit den Rundungen umgehen muss. Das ist eigentlich das größte Problem. Man kann nicht mit Grafik-Schablonen oder Maßbändern arbeiten, sondern muss sich eigene Hilfsmittel aneignen, damit man das Parallele hinbekommt", meint Munser.

Und normaler Autolack ist auch nicht wirklich tauglich für einen Rennhelm. Die Farbe muss etwas elastischer sein, damit sie Steine und andere Belastungen aushält. "Eine normale Auto-Lackierung würde so ein Formel-1-Rennen nicht überleben." Und noch eine Schwierigkeit ergibt sich. Der Helm sitzt bekanntlich auf dem Kopf und je schwerer der Kopf ist, desto härter wird die Belastung für den Nacken während eines Rennens. Würde Munser einfach einmal so 150 Gramm Lack auf einen Helm machen, sehe das dann zwar vielleicht besonders toll aus, doch der Fahrer würde in jeder Kurve jedes Gramm spüren.

"Zur Zeit ist es sogar so, dass die Helme durch die neue FIA-Norm etwas schwerer geworden sind und das versuchen wir natürlich auszugleichen, indem wir das Lack-Gewicht so gering wie möglich halten. Dafür gibt es spezielle Techniken. Die normalen Lacke, die man eigentlich verwenden müsste, kann man mit Pigmenten anreichern, wodurch sie deckender werden. So haben wir uns im Laufe der Jahre einen eigenen Baukasten aus Pigmenten und Bindemitteln zusammengebaut. Wir haben uns schon ein wenig mit Chemie beschäftigt, damit wir die Lacke optimal hinbekommen", sagt Munser. Dadurch konnte er das Gewicht des Lacks auch immer weiter nach unten bringen. Als Rekord gibt er eine Lackierung mit 25 Gramm an, die Michael Schumacher damals im Einsatz hatte. Bei Sebastian Vettel ist es zur Zeit ein bisschen mehr. Er hat so 30 bis 35 Gramm an Lackierung auf seinem Helm.

Wie diese paar Gramm aussehen, das entsteht immer im Dialog zwischen Fahrer und Munser. So empfiehlt er den Meisten, erst einmal in der Galerie auf seiner Homepage ein wenig zu stöbern. "Denn die Wenigsten haben etwas Genaues im Kopf. Es ist ähnlich wie bei normaler Bekleidung. Ich gehe ins Geschäft und suche im Angebot nach den Sachen, die mir gefallen. Bei uns kann der Kunde aus verschieden Helmen seine Favoriten heraussuchen und zusätzlich Details oder Farben ändern. So wird der Helm dann nach und nach angepasst und auf den Kunden zugeschnitten" erläutert Munser. Bei Profi-Rennfahrern sieht es dann aber meistens so aus, dass das Design noch um die Sponsoren-Logos herum gebastelt werden muss. Das muss auch in die Planung mit einbezogen werden.

Giancarlo Fisichella wünschte sich etwas Besonderes zu seinem 200. Grand Prix., Foto: Sutton
Giancarlo Fisichella wünschte sich etwas Besonderes zu seinem 200. Grand Prix., Foto: Sutton

Ungeachtet dieser äußeren Einflüsse entsteht aber meistens etwas, mit dem der Fahrer zufrieden ist. Und auch für Munser waren ein paar Highlights dabei. Neben Takagis-Chromlackierung ist ihm der Helm Michael Schumachers nach den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 besonders in Erinnerung geblieben. "Da haben wir die amerikanische Flagge statt der deutschen auf den Helm gemacht. Das fand ich damals etwas ganz Neues, dass jemand so eine politische Aussage trifft. Das hat damals recht hohe Wellen geschlagen." Seitdem wurden über Helme mehrmals Botschaften überbracht, etwa bei Giancarlo Fisichella, der den Fußball-WM-Titel Italiens auf dem Kopf ebenso feierte wie seinen 200. Formel-1-Start. Mit Nick Heidfelds Thermolack-Helm 2007 wurde auch zum ersten Mal ein Helm kreiert, der im Laufe des Rennwochenendes mehrmals sein Design wechselt.

Als besonderes Highlight sah Munser Vettels Toro-Rosso-Abschiedshelm Ende 2008, auf dem mit Fotos noch einmal an die schönen Momente erinnert wurde. Unter Fernseh-Kommentatoren sorgen die wechselnden Designs allerdings oft für Verwirrung. "Der Herr Danner meckert ja regelmäßig, weil er das von früher überhaupt nicht kennt. Als Kommentator ist das auch sicher nicht einfach für ihn, also muss jetzt wahrscheinlich wieder die Startnummer herhalten." Ideen hat Munser jedenfalls noch viele und die will er auch umsetzen - und die Fahrer wohl auch, schließlich ist das im Auto der einzige Weg, um ihre Individualität zu zeigen. Wie die zukünftigen Ideen Munsers aussehen, ist noch Betriebsgeheimnis, auf jeden Fall lässt sich aber wohl nicht mehr sagen, dass Toranusuke Takagi keinen Einfluss auf die Formel 1 gehabt hat.

Der Hintergrundbericht über die Formel-1-Helme von Jens Munser wurde in der Mai-Ausgabe des Motorsport-Magazins veröffentlicht. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie monatlich im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online im Vorzugs-Abo bestellen: