Fährt Schumacher 2010 wieder Formel 1?

Die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer: Michael Schumacher soll 2010 wieder in ein Formel-1-Auto steigen - noch dazu eines des neuen Mercedes Werksteams. Damit würde sich für den Rekordweltmeister der Kreis schließen und er nach drei Jahren F1-Pause zu seinem alten Förderer zurückkehren. Laut Bild liegt dem Deutschen ein unterschriftsreifer Einjahresvertrag für rund 7 Millionen Euro Gehalt auf dem Tisch, er müsse ihn nur noch unterschreiben. Ähnliches bestätigten andere Quellen.

Die beiden Seiten halten sich weiterhin bedeckt, lehnen Stellungnahmen ab. Schumacher fährt am Sonntag ein Kartrennen in Kerpen, an dem auch Sebastian Vettel teilnimmt (allerdings in einer anderen Klasse). Dort lehnte er Aussagen ab, meinte er wolle Kartfahren und Spaß haben. Ein Insider sagte Bild angeblich: "Die Unterschrift ist jetzt reine Formsache. Schumacher fühlt sich fit und gesund. Die letzten Tests verliefen komplett positiv. Er brennt auf die Rückkehr und kann die erneute Zusammenarbeit mit Ross Brawn nicht mehr erwarten."

Noch Ende November sagte Schumachers Manager Willi Weber: "Mir persönlich hat Michael nichts davon erzählt, dass zu Mercedes Kontakte in Sachen Fahrervertrag bestehen." Allerdings sagte Weber das schon kurz vor der Ferrari-Comebackankündigung im Sommer. Aber auch Schumachers alter Wegbegleiter und Mercedes-Teamchef Ross Brawn teilte vor einigen Wochen mit: "Es ist nichts dran. Da basteln sich die Medien einen Traum zusammen. Michael wäre für Ferrari doch auch nur zeitweilig zurück ins Cockpit gestiegen. Er hat keine Ambitionen auf eine neue Karriere."

Ex-F1-Teamboss Eddie Jordan sah das anders. Er erklärte, dass seit einem Meeting zwischen Schumacher, Brawn und Daimler-Boss Dieter Zetsche in Abu Dhabi verhandelt werde. Damals wurden die fehlenden Dementis beider Seiten als gern gesehene PR-Hilfe gesehen - welcher Autohersteller würde sein neues F1-Team in Zeiten der Krise nicht gerne mit positiven Schlagzeilen rund um den Namen Michael Schumacher schmücken? Mercedes sagt offiziell bis heute, dass man Spekulationen und Gerüchte nicht kommentiere, man diese aber verstehen könne, manche Träume aber nicht wahr würden. Auch Schumacher gab seit seiner Comebackabsage bei Ferrari nie ein kategorisches "Nein" zu Protokoll, ließ sich stets alle Möglichkeiten für ein Comeback offen.

Was macht die Nackenverletzung?

Entscheidend für ein Comeback ist Schumachers Gesundheit. Im August sagte er seine Rückkehr als Ersatz für den verletzten Felipe Massa wegen einer Nackenverletzung ab, die er sich bei einem Motorradsturz zu Jahresbeginn zugezogen hatte. Die Schmerzen bei seinem F1-Test in Mugello waren zu groß. "Ich konnte nicht schmerzfrei fahren. Es ging einfach nicht", sagte Schumacher damals. Sein Arzt Dr. Johannes Peil war zuversichtlich, dass die Verletzung ausheilen würde, nur wann dies der Fall sein würde, konnte er damals nicht sagen. Heute heißt es von Schumacher und seinem Manager Weber: "Der Nacken macht keine Probleme, er ist bei 100 Prozent." Schumacher könne fahren, wenn er wolle.

Schumacher fuhr seitdem mehrere Kartrennen, trainierte laut seinem Vater wie ein Verrückter. Die endgültige Antwort können nur eine medizinische Untersuchung und ein weiterer F1-Test liefern. "Die F1 ist etwas Besonderes, es gibt keine Möglichkeit, es im Labor oder mit einer Nackentrainingsmaschine adäquat nachzustellen", sagte Peil zum Test mit einem F2007 in Mugello. Für ein Comeback mit Mercedes wird Ferrari den Deutschen aber sicher nicht auf seiner Haus- und Hofstrecke mit einem alten F1-Boliden fahren lassen. Oder gab es einen solchen Test vielleicht schon? Peil meinte im August: "Beim nächsten Mal sollten wir es vielleicht ohne Öffentlichkeit und geheim machen."

Niki Lauda sieht eine Grundsatzfrage: Will er es wagen oder nicht? "Nur er allein kennt die Antwort. Er sollte jetzt nicht den Fehler machen, den Hype um die Geschichte unkontrolliert immer größer werden zu lassen", so Lauda in der Bild am Sonntag. "Er sollte noch vor Weihnachten sagen: Ja, ich fahre. Oder eben: Nein, ich fahre nicht."

Was sagt Ferrari dazu?

Für die Ferrari-Familie wollte Schumacher in der vergangenen Saison aus dem Ruhestand zurückkommen und seinen Freund Felipe Massa ersetzen. Jetzt könnte er die rote Familie Hals über Kopf verlassen. Angeblich wird darüber verhandelt, den mündlich beschlossenen Dreijahresvertrag als Berater aufzulösen. Ferrari wolle Schumacher keine Steine in den Weg legen, wegen seiner langjährigen Verdienste und der Ersparnis von 5 Millionen Euro, die heutzutage auch für Ferrari keine Peanuts mehr sind.

Trotzdem wären die Roten die Verlierer eines Mercedes-Deals mit Schumacher: Luca di Montezemolo spricht seit Monaten von einem 3. Ferrari, der dann für Schumacher bereit stünde. Jetzt könnten sich diese Aussagen rächen und Schumacher tatsächlich wieder fahren, aber eben nicht für die Scuderia. Die Italiener würden ihren besten Markenbotschafter verlieren - für immer, denn nach einem F1-Engagement bei Mercedes soll Schumacher deren Markenbotschafter werden. Alle Verbindungen zu Ferrari wären dann bald vergessen.

Kann Schumacher erfolgreich sein?

Könnte Schumacher wieder um Siege mitfahren?, Foto: Sutton
Könnte Schumacher wieder um Siege mitfahren?, Foto: Sutton

Mercedes GP CEO Nick Fry fände ein Comeback von Schumacher interessant für die Formel 1. Er fragt: "Kann jemand mit 40 oder 41 Jahren noch gegen 24-Jährige mithalten?" Schumachers alter F1-Rivale Damon Hill glaubt daran. "Wenn ich mit 37 ein Rennen für Jordan gewinnen konnte, kann Michael definitiv mit 41 ein Rennen in einem Ross Brawn Auto gewinnen", sagt er. "Wir sprechen über Michael Schumacher und keinen daher gelaufenen Scharlatan." Sollte die Verletzung verheilt sein, sieht Hill keinen Grund, warum Schumacher nicht fit und motiviert genug sein sollte, um weiter zu glänzen.

Etwas kritischer sehen aktuelle F1-Fahrer wie Sebastian Vettel die potenzielle Rückkehr des Rekordchampions. "Er kann ohne Zweifel noch gut Autofahren", sagte Vettel dem ZDF. Er kann das beurteilen: Schumacher und Vettel gewannen im November zum dritten Mal in Folge gemeinsam den Nations Cup des Race of Champions. "Aber er ist nicht mehr der Jüngste. Ob er noch einmal den Anschluss schaffen kann - wenn er denn zurückkommt, was ich nicht weiß - muss man abwarten."

Was ist mit dem Teamkollegen Rosberg?

Mit Nico Rosberg steht bereits ein Pilot für Mercedes GP fest. Schumacher wäre der zweite Deutsche im Team und er hätte zum ersten Mal in seiner Karriere keine klare Nummer 2 neben sich. Rosberg hofft auf seinen ersten Sieg, soll die Zukunft des Rennstalls sein, er möchte das Team führen und gilt als junger, schneller Fahrer, der von Fry und Brawn hoch gelobt wird. Er könnte neben Schumacher viel lernen, sich in Ruhe weiter entwickeln und an ein Topauto herantasten. Denn alle werden auf Schumacher schauen.

Andererseits wäre die Rolle des Teamleaders damit passé, er stünde im Schatten des Superstars, würde nicht die erwünschte Aufmerksamkeit erhalten, die er nach den Jahren bei Williams verdient hätte - außer er würde Schumacher schlagen, dann könnte er seine Karriere katapultartig beschleunigen. Ansonsten droht ihm vielleicht sogar ein Karriereknick, sollte er gegen den 41-jährigen Rückkehrer alt aussehen. Zunächst wollte und durfte sich Rosberg nicht zu den Schumacher-Gerüchten äußern, später ließ er durchklingen, dass er es toll fände. Wirklich?

Was spricht für ein Schumacher-Comeback?

Schumacher scheint durch den Hype um sein missglücktes Ferrari-Comeback Blut geleckt zu haben. Die Lust und der Spaß sind wieder da. Die weltweiten Reaktionen haben ihm gezeigt, dass die F1-Welt nach guten Nachrichten, nach einem Superstar lechzt. So gut die neue Garde mit Button, Hamilton und Massa ist, Schumacher ist ein anderes Kaliber, erst recht so lange Alonso und Räikkönen mit Renault und Ferrari hinterher fuhren.

"Er hat in seinem Leben nie etwas anderes getan - es ist das einzige, dem er sich verschrieben hat", erinnert Hill. "Dass er Motorradrennen bestritten hat, zeigt, dass er noch immer den Drang nach Speed verspürt." Zudem glaubt der Brite, dass Schumacher noch eine offene Rechnung haben könnte, weil er Ende 2006 eher bei Ferrari rausgedrängt wurde, als es er selbst aufhören wollte.

Schumachers letzter F1-Test in Mugello endete mit Schmerzen., Foto: Ferrari
Schumachers letzter F1-Test in Mugello endete mit Schmerzen., Foto: Ferrari

Mit Ross Brawn würde ihn bei Mercedes ein alter Wegbegleiter erwarten, der an allen WM-Titeln bei Benetton und Ferrari beteiligt war. "Ich glaube, als Ross Brawn und Mercedes ein Team geworden sind, da hat er erstmals wieder ernsthaft an ein Comeback gedacht", sagt Niki Lauda. "Ross Brawn und er sind ja nicht nur Kollegen, sondern auch dicke Kumpel." Für Lauda wäre es eine sensationelle Kombination: "Der Weltmeistermacher Brawn, Mercedes und Rekordweltmeister Michael Schumacher. Das wäre das Meisterstück von Mercedes schlechthin, und das Meisterstück für die gesamte Formel 1."

Was spricht gegen ein Comeback?

Bernie Ecclestone fände ein Schumacher-Comeback "magisch", Jenson Button sähe es als fantastisch für den Sport an. "Aber ich weiß nicht, ob es für Michael Schumacher selbst auch gut wäre", meinte der amtierende Champion. "Immerhin riskiert er seinen guten Ruf und sein Ansehen, wenn er zurück kommt." In der Tat: Von Michael Schumacher, Mercedes, Ross Brawn und dem amtierenden Weltmeister würde man nicht weniger als Siege und Titel erwarten. Der Druck wäre enorm. Schwache Leistungen würden an Schumachers Status als Formel-1-Legende kratzen.

Will Schumacher sich das antun? Er müsste wieder 19 Mal um die Welt reisen, 19 Mal den ungeliebten Medienauflauf ertragen, 19 Mal gegen eine junge Fahrergeneration antreten, die alle nur ihn schlagen möchten, 19 Mal den längst verdrängten Stress erleben, den er 2006 nicht mehr wollte. Eine komplette Saison ist länger als ein absehbarer Zeitraum von maximal sieben Rennen in Vertretung von Massa. Hinzukommt das Verletzungsrisiko, gerade angesichts der unbekannten Nachwirkungen seines Motorradunfalls. Ist wirklich alles zu hundert Prozent verheilt? Welche Folgen drohen bei einem schweren Unfall? Die Entscheidung liegt bei Michael Schumacher.