Saisonprognose Für McLaren Mercedes zählt nur der Sieg. Nach dem Gewinn der Fahrerkrone im vergangenen Jahr sollen 2009 gleich beide Weltmeistertitel im McLaren Technology Centre gefeiert werden. (...) Wer die Nummer 1 auf dem Auto habe, werde als Maßstab aus der vergangenen Saison betrachtet. Aber das könne sich schnell ändern. (Auszug aus der Saisonvorschau 2009 - Motorsport-Magazin 3/09, März 2009)

Die Bilanz - Team Der Zweite ist der erste Verlierer, der Dritte schon gar nicht mehr der Rede wert. Trotzdem freute sich McLaren über Rang 3 in der Konstrukteurswertung. Nach einem katastrophalen Saisonstart kämpfte sich das Team an die Spitze heran, holte zwei Siege und gehörte mit Red Bull zu den Meistern der zweiten Saisonhälfte.

Die erste Hälfte war ein silberner Albtraum, der mit der Lügenaffäre von Melbourne begann. Sportdirektor Dave Ryan soll Lewis Hamilton dazu angestiftet haben, absichtlich irreführende Aussagen vor den Rennkommissaren zu tätigen, die zur Bestrafung von Jarno Trulli führten und Hamilton auf das Podium beförderten. Der Fall flog auf, Ryan wurde entlassen und Hamilton medial schwer abgestraft. Das Team erhielt eine Bewährungsstrafe und hatte einen dunklen Fleck mehr auf der silbernen Weste - es war der zweite Skandal nach der Spionageaffäre 2007.

Lügenaffäre: Alleine stellte sich Hamilton den Fragen der Presse., Foto: Sutton
Lügenaffäre: Alleine stellte sich Hamilton den Fragen der Presse., Foto: Sutton

Im Zuge der Verhandlung vor dem FIA-Weltrat zog sich Ron Dennis gänzlich vom Formel-1-Team zurück, um Max Mosley keine Angriffsfläche für eine weitere Megastrafe zu geben. Martin Whitmarsh hatte bereits Anfang März das Amt des Teamchefs übernommen und schlitterte in dieser Position ohne eigenes Verschulden von einem Problem ins nächste. Nach Saisonende sorgte die Trennung von Langzeitpartner Mercedes für Furore.

Auch hier hatte Dennis den Grundstein gelegt: Er möchte McLaren unbedingt zu einem britischen Ferrari machen und baute deshalb den Supersportwagen MP4-12C. Damit ging er in direkte Konkurrenz zu Mercedes, die zudem nicht glücklich darüber waren, dass McLaren eine Motorenlieferung an Red Bull per Vetorecht ablehnte. Deshalb entschied man sich für eine kostengünstigere Variante und übernahm das Weltmeisterteam Brawn GP, das ab 2010 als Mercedes Werksteam antreten wird. McLaren erhält weiter Mercedes-Motoren.

Die Bilanz - Auto Lewis Hamilton nahm kein Blatt vor den Mund: Der MP4-24 fuhr sich in den ersten Rennen wie ein Ziegelstein. Erst ab dem Nürburgring fühlte sich der McLaren für den Weltmeister wie ein richtiges Rennauto an. Damit es soweit kam, steckte das Team viel Arbeit und Geld in die Weiterentwicklung des missratenen Silberpfeils. Wie Ferrari führte auch McLaren den langen WM-Kampf 2008 als Grund für die Versäumnisse an. Allerdings gab man auch offen zu, dass man dachte, die erzielten Windkanalwerte seien unter den neuen Regeln konkurrenzfähig - das war nicht der Fall.

Lewis Hamilton führte die Silberpfeile zweimal auf das oberste Podest., Foto: McLaren
Lewis Hamilton führte die Silberpfeile zweimal auf das oberste Podest., Foto: McLaren

Beim Barcelona-Test vor Saisonbeginn fehlten dem Team zweieinhalb Sekunden auf die Spitze. Diesen Rückstand raspelte McLaren im Laufe der Saison kontinuierlich ab. Man entwickelte das Auto so lange weiter, bis es ab dem Deutschland GP für Topresultate gut war und sogar zwei Siege ermöglichte. Das Grundübel war der fehlende Downforce. Aber auch die Gewichtsverteilung war aufgrund der Integration von KERS nicht passend. Die Problemlösung für beides dauerte zu lange. Dann ging es Schlag auf Schlag: Von Silverstone auf den Nürburgring verbesserte sich das Team gleich auf zwei entscheidenden Gebieten.

Das mechanische Paket war schon vorher gut, aber um KERS zu benutzen, gab es zu wenig Ballast im Auto. Deshalb entwickelte man eine falsche Gewichtsverteilung. Das Team musste die Gewichtsverteilung anpassen, ohne KERS auszubauen. Hinzukam ein neues Aerodynamikpaket mit einem Doppeldiffusor. Zusammen mit dem stärksten und zuverlässigsten Motor des Feldes und dem wohl besten KERS ergab das ein siegfähiges Paket. McLaren holte in Ungarn den historischen ersten KERS-Sieg der Geschichte und legte in Singapur einen weiteren Erfolg nach. Ganz unproblematisch war KERS aber nicht. In zwei Rennen in Folge hatte Hamilton am Saisonende Probleme mit dem System, einmal konnte er es per Lenkradeingabe neu starten.

Heikki Kovalainen konnte seinem Sieg von 2008 keinen Triumph folgen lassen., Foto: McLaren
Heikki Kovalainen konnte seinem Sieg von 2008 keinen Triumph folgen lassen., Foto: McLaren

Die Bilanz - Fahrer Mit einem vierten Platz hätte der Saisonstart für den amtierenden Weltmeister Lewis Hamilton so viel besser ausfallen können, als es die Testergebnisse und die Performance des Autos vermuten ließen. Doch die Lügenaffäre kostete ihn ein gutes Ergebnis und sehr viel Ansehen. Hamilton sah das Positive: Er habe viel aus der Affäre gelernt und sei menschlich dadurch gereift. Sportlich war es die schwierigste Formel-1-Saison seiner noch jungen GP-Karriere. Mit einem unterlegenen Auto konnte auch er keine Wunderdinge vollbringen, aber sobald das Auto konkurrenzfähiger war, fuhr Hamilton zwei Siege und die meisten Punkte der zweiten Saisonhälfte ein.

Sein Teamkollege Heikki Kovalainen enttäuschte. Er hatte keine Chance gegen Hamilton und trug am Ende nur 22 Punkte zum Teamerfolg bei. Mit zwei Fahrern weiter oben in den Punkten wäre der Kampf gegen Ferrari um Konstrukteursrang 3 nicht ganz so eng ausgefallen. Somit überraschte es nicht, dass das Team den Vertrag mit dem Finnen nicht verlängerte. Nach einer akzeptablen ersten Saison für McLaren waren seine Leistungen 2009 nicht ausreichend.

McLaren

Saisonziel Weltmeister
Saisonergebnis 3. Platz (71 WM-Punkte)
Ziel erreicht? Nein.
Top oder Flop? Top. Wie Ferrari legte McLaren Mercedes zu Saisonbeginn eine peinliche Bruchlandung hin. Statt um Siege mitzufahren, musste man gegen Hinterbänkler kämpfen. Doch im Gegensatz zu Ferrari rappelte sich McLaren Mercedes bis zur Saisonmitte wieder auf und konnte noch zwei Siege einfahren - darunter den ersten KERS-Sieg in der Geschichte der Formel 1. (Kerstin Hasenbichler)