Saisonprognose Der Konstrukteurstitel ist für ein erfolgsverwöhntes Team wie Ferrari nicht genug. Am Ende dieser Saison soll wieder der Fahrerweltmeister in Maranello gekrönt werden. (Auszug aus der Saisonvorschau 2009 - Motorsport-Magazin 3/09, März 2009)

Die Bilanz - Team Als amtierender Konstrukteursweltmeister ging die ruhmreiche Scuderia Ferrari mit dem Ziel in die Saison, beide WM-Titel zu gewinnen. Daraus wurde nichts. Mit Platz 4 belegte das Team den schlechtesten Platz in der Teamwertung seit 1993 (damals ebenfalls Vierter). Erst im vierten Saisonrennen in Bahrain holte Ferrari die ersten WM-Punkte. Mit drei Nullnummern legte man den schlechtesten Saisonstart seit 1981 hin.

Neben dem schlechten Auto zeichnete das Fehlen eines adäquaten Ersatzfahrers für die Misere verantwortlich. Kimi Räikkönen verkam in der zweiten Saisonhälfte nach der Verletzung seines Teamkollegen Felipe Massa zum Einzelkämpfer. Der Finne fuhr ab dem zehnten Saisonlauf in Budapest alle Punkte des Teams im Alleingang ein. So hatte man keine Chance, den 3. Platz in der Konstrukteurswertung gegen McLaren zu verteidigen - obwohl Ferrari bis zum letzten Rennen darum kämpfte.

Felipe Massa schwenkte in Brasilien die Zielflagge, fahren durfte er 2009 nicht mehr., Foto: Sutton
Felipe Massa schwenkte in Brasilien die Zielflagge, fahren durfte er 2009 nicht mehr., Foto: Sutton

Ein besonderer Ruck ging in der Sommerpause durch das Team: Rekordweltmeister Michael Schumacher kündigte sein Comeback an, um der roten Familie in der Verletzungspause von Massa beizustehen. Doch so sehr die Motivation in Maranello mit der Ankündigung zunahm, so enttäuscht war die F1-Welt, als die Gesundheit des Deutschen das Comeback vereitelte. "Schumi" hatte "Nacken".

Das gescheiterte Schumacher-Comeback und die Ersatzfahrermisere zeigten einen weiteren Schwachpunkt auf: Ferrari hatte es verschlafen, einen jungen Nachwuchspiloten heranzuziehen, der in Notfällen hätte einspringen können. Angesichts des Testverbots hätte es auch dieser schwer gehabt, aber die Debüts von Romain Grosjeans, Jaime Alguersuari & Co verliefen auch ohne Tests besser als die Einsätze von Luca Badoer und auch Giancarlo Fisichella. Mit Jules Bianchi geht Ferrari den richtigen Weg. Der junge Franzose soll wie einst Massa an die Formel 1 herangeführt werden. Ein langfristiger Vertrag existiert bereits.

Die Bilanz - Auto Die erste Überraschung war der Name: Der F60 sollte an die 60. Formel-1-Saison der Scuderia erinnern, diese verlief allerdings alles andere als denkwürdig. Der Ferrari war schlicht und ergreifend zu langsam. Erst ab der Saisonmitte bekam Ferrari die Probleme halbwegs in den Griff. Bis man die Entwicklung wenige Wochen später zugunsten der Saison 2010 einstellte, konnte Ferrari den Anschluss an die Spitze herstellen - aber nur das Low-Downforce-Paket ermöglichte einmalig den Sprung ganz nach oben.

Michael Schumachers Comeback scheiterte an den Nackenschmerzen bei diesem Test., Foto: Ferrari
Michael Schumachers Comeback scheiterte an den Nackenschmerzen bei diesem Test., Foto: Ferrari

Zwischen Silverstone und Monza holte Ferrari mindestens sechs Punkte pro Rennwochenende. Vom Nürburgring bis Monza stand fünf Rennen lang ein Ferrari-Pilot auf dem Podium, vier Mal hintereinander war es Kimi Räikkönen, der den Aufwärtstrend in Belgien mit dem einzigen Ferrari-Sieg des Jahres krönte. Nach den Erfolgen wurde die Entwicklung eingefroren, die anderen Teams verbesserten ihre Autos mit neuen Teilen weiter, weshalb die guten Ergebnisse der Scuderia mit einem Schlag abrissen und das Team ab Singapur unter normalen Umständen keine Chance mehr auf Podestplätze hatte.

Für den schwachen Saisonstart und das vermurkste Auto machte Ferrari den langen WM-Kampf bis zur letzten Kurve im Vorjahr, die umstrittene und aus ihrer Sicht illegale Regelinterpretation des Doppeldiffusors und die Nachteile von KERS verantwortlich. Letzteres baute Ferrari nur einmal aus, um festzustellen, dass der F60 ohne die Zusatz-PS noch langsamer war. Danach blieb es für den Rest der Saison im Auto, obwohl Ferrari zu den größten KERS-Kritikern im Fahrerlager zählte. Ausgerechnet sie profitierten in Spa-Francorchamps so sehr davon, dass sie das Rennen gewannen. Denn nur dank KERS konnte Räikkönen den eigentlich schnelleren Giancarlo Fisichella überholen und danach hinter sich halten.

Die Zuverlässigkeit des Energierückgewinnungssystems konnte Ferrari im Vergleich zu den Wintertests steigern - nur einmal wurde Räikkönen im Freien Training in Malaysia in seinem Cockpit in Rauch gehüllt, weil es einen Kurzschluss gab. Davon abgesehen gab es fünf technisch bedingte Ausfälle eines F60 in den siebzehn Rennen.

Kimi Räikkönen schenkte der Scuderia einen Sieg zum Abschied., Foto: Sutton
Kimi Räikkönen schenkte der Scuderia einen Sieg zum Abschied., Foto: Sutton

Die Bilanz - Fahrer Am Ende betrieb Kimi Räikkönen Schadensbegrenzung: 6. Platz in der Fahrerwertung, nur einen Punkt hinter Lewis Hamilton und immerhin ein Sieg - so lautete seine Saisonbilanz. Als Ex-Champion hatte er sich natürlich mehr vorgestellt. Ab der Saisonmitte zeichnete sich ab, dass Räikkönens Zukunft wohl andernorts liegen würde. Erstaunlicherweise gab es auch ab diesem Zeitpunkt einen Leistungssprung zu beobachten - sowohl bei Ferrari als auch beim Iceman selbst. Mit einem besseren Auto fuhr der Finne vier Mal hintereinander aufs Podium und schnappte sich in Belgien mit einer fehlerfreien Vorstellung den Sieg vor dem eigentlich schnelleren Fisichella. Räikkönen bewies, warum er zu den besten Fahrern zählt und hielt Ferrari alleine im Kampf um WM-Rang 3. Seine Zeit in Maranello war trotzdem abgelaufen. 2010 versucht er sich in der Rallye-WM für Citroen.

Felipe Massas Saison war kurz. Nur neun Rennen durfte er vor seinem Qualifyingunfall in Budapest bestreiten, wo ihm eine Feder vom Brawn BGP 001 seines Landsmanns Rubens Barrichello an den Helm flog. Es begann die Zeit des Bangens, der Operation, der Genesung und der Hoffnung auf eine frühe Rückkehr noch in der Saison 2009. Trotz positiver Untersuchungsergebnisse sagte Ferrari nein. Der Brasilianer sollte sich erst voll erholen, um kein unnötiges Risiko bei einem weiteren Unfall einzugehen. Massa sah das anders, er wollte zumindest noch ein Rennen in diesem Jahr bestreiten. In brasilianischen Medien äußerte er sich verärgert, was beim Team nicht gut ankam. Davon abgesehen meldete er sich mit einem Sieg beim Granja Viana Kartrennen, einem F1-Testtag in einem 2007er Ferrari und einigen Demorunden im F60 fahrtüchtig im Cockpit zurück.

Langsame Rundenzeiten, schneller Abgang: Luca Badoer., Foto: Sutton
Langsame Rundenzeiten, schneller Abgang: Luca Badoer., Foto: Sutton

Luca Badoer ist die gute Seele der Scuderia, als Belohnung für seine Treue und harte Arbeit erhielt der Langzeittester die Rolle des Massa-Ersatzes nach der Schumacher-Absage - das hatte man ihm versprochen, nachdem exakt zehn Jahre zuvor 1999 Mika Salo an seiner Stelle die Ersatzrolle während der Verletzungspause von Michael Schumacher erhielt. Doch Badoer konnte die Erwartungen nicht erfüllen. Das Auto war zu schwer zu fahren, er hatte seit einem Jahr kein F1-Auto mehr getestet und den F60 war er vorher überhaupt noch nicht gefahren. Ein Ferrari mit der roten Laterne? Vor der Saison hätte sich das kaum jemand vorstellen können - aber es war in fast jeder Session so. Farblich passte das zusammen, sportlich war es für die Scuderia inakzeptabel - aller Freundschaft zum Trotz musste Badoer das Cockpit nach zwei Rennen räumen.

Besser wurde es mit Giancarlo Fisichella allerdings nur bedingt. Statt zwei Sekunden Rückstand, war es nur noch eine, statt des letzten Platzes, nur noch der vorletzte - wirklich Ferrari-like waren die Ergebnisse nicht. Auch der Italiener hatte riesige Probleme mit dem F60, KERS, den vielen Funktionen des Lenkrads und dem Erwartungsdruck an einen Ferrari-Piloten. Mit Force India hätte er in den letzten Saisonrennen sicher mehr Erfolg gehabt, aber er erfüllte sich seinen Traum, die Scuderia erlebte hingegen weiter ihren Albtraum - es gab nach Massas Unfall keinen einzigen Punkt für das zweite Auto. Fisichella wird 2010 offizieller Ersatzfahrer, wirklich beruhigend kann das angesichts seiner schwachen Leistungen und Ergebnisse allerdings nicht sein.

Ferrari

Saisonziel Weltmeister
Saisonergebnis 4. Platz (70 WM-Punkte)
Ziel erreicht? Nein.
Top oder Flop? Flop. Ferrari kam in der abgelaufenen Saison sprichwörtlich unter die Räder. Der F60 entpuppte sich zu Saisonbeginn als lahme Krücke. Die B-Version war zwar etwas schneller, aber auch kein Vergleich zur roten Göttin aus der Vergangenheit. Die größte Schmach: man konnte "Intimfeind" McLaren Mercedes in der Konstrukteurswertung nicht hinter sich halten. (Kerstin Hasenbichler)