Umringt von dutzenden Kameras, Scheinwerfern und Mikrofonen steht ein Mann inmitten des Formel-1-Fahrerlagers von Sau Paulo. Menschen stürzen sich in das Gedränge, rudern mit Armen und Ellbogen und versuchen, ein paar seiner Worte zu erhaschen. Der Mann, um den sich alle reißen, heißt Jenson Button, Formel-1-Weltmeister Jenson Button. Der Engländer ist wohl einer der unverhofftesten Helden, den die Formel 1 je hervorgebracht hat. Nach seinem starken Karrierestart 2000 galt der Engländer als Paradebeispiel für das schlampige Genie, das sein großes Talent zugunsten von Geld, Partys und Frauen vergeudete.

Seine Laufbahn schien mit dem Rückzug von Honda aus der Formel 1 beendet, doch das neue Reglement, das dadurch durcheinander gewürfelte Feld, sein neuer Teamchef Ross Brawn und dessen Doppeldiffusor haben aus Button den gefragtesten Mann der Formel 1 gemacht.

Jenson Button fuhr in der ersten Saisonhälfte Sieg um Sieg ein., Foto: Sutton
Jenson Button fuhr in der ersten Saisonhälfte Sieg um Sieg ein., Foto: Sutton

Button begann die Saison mit einer unglaublichen Siegesserie, die an Legenden wie Alberto Ascari, Juan Manuel Fangio, Jim Clark, Jackie Stewart, Nigel Mansell und Michael Schumacher erinnerte. All diesen Größen ist ebenfalls das Kunststück von fünf Erfolgen in den ersten sechs Saisonrennen gelungen. Button sollte sogar sechs der ersten sieben Rennen gewinnen - doch danach folgte kein einziger Triumph mehr bis zu seinem Titelgewinn, den er zwar mit einer starken Aufholjagd und spektakulären Überholmanövern, aber auch nur mit einem fünften Platz einfuhr.

Nach seinen anfänglichen Erfolgen drängte sich der Vergleich mit Michael Schumacher auf, nicht nur weil mit Ross Brawn, der Mann im Hintergrund, derselbe ist. "Sie sind verschiedene Charaktertypen, aber beide sind eindeutig sehr talentiert. Ich denke, diese Möglichkeit, die Jenson bekommen hat, hat ihn sehr darauf fokussieren lassen, was passiert, was überhaupt los ist und warum es passiert - also ist er [Schumacher] in dieser Hinsicht ähnlich", erklärte Brawn. Rubens Barrichello fuhr mit beiden Piloten und meinte: "Schumacher ist der etwas Schnellere gewesen, aber Button macht noch weniger Fehler."

Die Anfänge

In der Formel 3 schaffte es Button auf Anhieb zu überzeugen. Er gewann drei Rennen und beendete die Saison als bester Rookie auf dem dritten Gesamtrang. Als der Brite im Jahr 2000 in die Formel 1 kam, galt er als Wunderkind wie später Lewis Hamilton. Und nicht nur Frank Williams erhoffte sich insgeheim, dass der Brite in einem englischen Auto die Heldensaga der furchtlosen Fahrer von der Insel weiter schreiben würde. Bei Williams avancierte Button schnell zum Liebling der Medien.

Bereits in seinem zweiten Rennen holte er seine ersten WM-Punkte und landete am Ende der Saison mit zwölf WM-Zählern auf dem achten Rang. Seine erfolgreiche Debütsaison löste vor allem auf der britischen Insel eine regelrechte "Buttonmania" aus. Der junge Engländer wurde in seiner Heimat als eine Art Robbie Williams des Motorsports gefeiert.

Bei Benetton wurde Button schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mit einem unterlegenen Auto konnte er sich kaum in Szene setzen und wurde von seinem erfahrenen Teamkollegen Giancarlo Fisichella stets in den Schatten gestellt. Langsam begann sich die Perspektive, nicht nur die der britischen Medien, um 180 Grad zu drehen. Man heftete Button das Image eines Playboys an, der das Formel-1-Geschäft wenig ernsthaft und konzentriert angehe, dafür mehr dem Jetset und heißen Models zugeneigt sei.

Button begann seine Karriere bei Williams., Foto: Sutton
Button begann seine Karriere bei Williams., Foto: Sutton

Genährt wurde diese Kritik davon, dass sich der damals 21-Jährige neben seinem Apartment in Monaco noch eine Yacht als Luxusspielzeug zulegte. Heute sagt Button, dass es ein Fehler gewesen sei, die "Little Missy" gleich neben der Boxengasse ankern zu lassen. Sein erstes Jahr bei Benetton beendete der Engländer auf Rang 17 - alles andere als das, was das erfolgsverwöhnte, britische Motorsportpublikum von seinem Liebling erwartet hatte.

Als 2002 Renault den Benetton-Rennstall übernahm, bekam Button zwar ein einigermaßen konkurrenzfähiges Auto, aber mit Flavio Briatore auch einen Teamchef, mit dem er nie richtig warm wurde. So verwundert es auch nicht, dass Briatore auch in dieser Saison gegen Button die eine oder andere Lästerattacke fuhr. Button sei ohne sein dominantes Auto so langsam wie ein Streckenbegrenzungspfosten und nicht eines Champions würdig, so Briatore damals. Button nahm die Attacke locker und konterte: "Flavio ist doch nur verbittert, weil wir so ein schnelles Auto gebaut haben. Er sollte nicht vergessen, dass er mich für die Saison 2009 verpflichten wollte." Jetzt ist Button Weltmeister und Briatore auf unbestimmte Zeit wegen des Crashgate-Skandals aus der Formel 1 verbannt.

Buttongate

Ende 2002 hatte Briatore hingegen mehr Interesse an einem jungen Spanier namens Fernando Alonso als an Button und setzte den Briten vor die Tür. Einen neuen Arbeitgeber fand Button im BAR-Team von David Richards. Dort fuhr er 2003 Weltmeister Jacques Villeneuve um die Ohren und belegte 2004 Rang drei in der Fahrerwertung. Spätestens ab diesem Zeitpunkt glaubte auch die britische Öffentlichkeit wieder an Button als zukünftigen Champion. Doch dem Engländer schien das Leben als Superstar und das viele Geld zu Kopf gestiegen zu sein. Bester Beweis: "Buttongate".

Im Sommer 2004 - Button befand sich in seinem zweiten Jahr bei BAR - gab Williams die Rückkehr des Engländers zur Saison 2005 bekannt. BAR selbst behauptete jedoch, einen gültigen Vertrag mit Button für 2005 zu besitzen. Der Streitfall ging vor das "Contracts Recognition Board". Das FIA-Notarbüro prüfte Buttons Vertrag und entschied, dass der Brite für 2005 einen gültigen Vertrag mit BAR hatte. Der Wechsel zu Williams war damit geplatzt - vorerst.

Für 2006 war der Weg zu Williams frei, doch nun wollte Button bei BAR bleiben. "Man könnte sagen, dass ich Fehler gemacht habe und ich glaube, dass ich was meine Zukunft angeht, schlecht beraten wurde. Aber nun muss ich die richtige Entscheidung treffen und zuerst an mich denken", erklärte Button damals. Schlussendlich kaufte Honda ihn für viel Geld aus dem Williams-Vertrag frei - ein Investment, welches sich lohnen sollte. 2006 gewann Button in Ungarn den ersten Grand Prix für die Japaner. Der Engländer, von Platz 14 gestartet, behielt bei Nieselregen und schwierigen Verhältnissen den Überblick und kämpfte sich an die Spitze. Im letzten Saisondrittel sammelte er sogar mehr Punkte als alle anderen Fahrer.

Von Zero to Hero

Jenson Button ist am Olymp angekommen., Foto: Sutton
Jenson Button ist am Olymp angekommen., Foto: Sutton

2007 startete Button als Geheimfavorit in die Saison, doch das Jahr endete mit gerade mal vier WM-Punkten und einer herben Enttäuschung. Wenn es ihm in dieser Saison auch an WM-Zähler fehlte, so hatte Button zumindest an Reife gewonnen. Das stellte er vor allem unter Beweis, indem er hinter den Kulissen alles unternahm, um alle im Team zu motivieren und sich in der Öffentlichkeit immer hinter den Rennstall stellte - während der Katastrophensaison 2008 mit dem unterlegenen RA108 war das auch nötig.

Buttons Stern drohte unterzugehen und mit McLaren Mercedes-Superstar Lewis Hamilton hatte die britische Formel-1-Nation bereits einen neuen Helden gefunden. Als Button dann im vergangenen Winter erfuhr, dass Honda sich aus der Formel 1 zurückziehen würde, fiel ihm der Hörer aus der Hand. "Ich war zurück in der Hölle", ging dem 29-Jährigen durch den Kopf. Immerhin war Button in diesem Moment selbstkritisch genug, sich daran zu erinnern, "dass ich wohl meine Chancen, nicht genutzt habe".

Heute meint Button: "Das war eine harte Zeit, aber sie hat mich stärker gemacht." Mit dem vorzeitigen Titelgewinn bestätigte er diese These. Auf die Frage, ob es für ihn eine Genugtuung sei, nach all den Jahren es seinen Kritikern zu zeigen, meinte Button: "Nein. Ich bin glücklich für das Team und mich. Ich schreie nicht 'Ha, da habt ihr's!' Ich will nur mir selbst etwas beweisen." Nach der Zieldurchfahrt als neuer Formel-1-Weltmeister schrie er im Boxenfunk dafür etwas anderes in die gesamte F1-Welt hinaus: "We are the champions!"