Pro: Alles bleibt wie es ist

von Kerstin Hasenbichler

Sebastian Vettel hat bereits vor dem Großen Preis von Europa seinen Vertrag bei Red Bull um ein Jahr verlängert und erteilte damit Teams wie Ferrari oder McLaren Mercedes einen Korb. "Ich weiß, wie es mit der Truppe weitergeht, welche wichtigen Leute bleiben", erklärte Vettel seine Entscheidung. Der Deutsche hat überhaupt keinen Zweifel daran, dass Red Bull auch 2010 wieder um den Titel mitkämpfen wird. "Ich bezweifle, dass wir nächstes Jahr schlecht sein werden", stellte Vettel klar.

Warum sollten Red Bull oder Brawn GP 2010 auch nicht die Pace vorgeben? Brawn GP hat mit Mercedes das stärkste Triebwerk im Heck, Red Bull könnte nächste Saison mit Cosworth-Motoren an den Start gehen. Der Vorteil: Die FIA stufte den V8-Motor als neues Aggregat an, weshalb die Ingenieure auf Basis des V8 von 2006 bis zum Saisonstart in Bahrain Änderungen vornehmen dürfen, um das Triebwerk auf 18.000 Umdrehungen/Minute und längere Laufzeiten zu adaptieren. Alternativ könnten auch sie vielleicht noch Mercedes-Motoren erhalten und hätten dann die gleichen starken Triebwerke und würden ihre Schwäche von 2009 damit ausmerzen.

Das Siegerpost hatte 2009 neue Farben: Weiß und Dunkelblau waren in., Foto: Sutton
Das Siegerpost hatte 2009 neue Farben: Weiß und Dunkelblau waren in., Foto: Sutton

2010 steht der Formel 1 mit dem Tankverbot erneut eine gravierende Regeländerung ins Haus. Die Größe der Tanks muss verdoppelt werden, durch die höhere Zuladung verändern sich die Gewichtsverteilung und der Schwerpunkt des Autos. Während die Top-Teams der Vergangenheit, McLaren Mercedes und Ferrari, in Punkto Regeländerungen diese Saison Schwäche zeigten, nutzten Red Bull und Brawn GP das neue Reglement zu ihrem Vorteil aus. Nicht anders wird man es 2010 machen.

Mit KERS kommt McLaren Mercedes und Ferrari 2010 ein entscheidender Vorteil abhanden. Die Teamvereinigung FOTA hat sich intern darauf verständigt, ab dem nächsten Jahr kein Hybridsystem mehr einzusetzen, doch Red Bull und Brawn GP hatten diese Saison KERS erst gar nicht nötig, um zu gewinnen. Red Bull und Brawn GP lassen sich auch vom Zeitfaktor - Ferrari & Co. arbeiten bereits fieberhaft am neuen Wagen - nicht aus der Fassung bringen. "Newey ist nicht dafür bekannt, seine neuen Autos besonders frühzeitig fertig zu bekommen", flachste Red Bull-Teamchef Christian Horner noch in Suzuka. "Schon in dieser Saison wurde der RB5 als eines der letzten Autos fertig. Eigentlich sollte der RB6 etwas besser in der Zeit liegen."

Neben Red Bull war der BGP001 eines der letzten Autos, die in dieser Saison auf die Strecke gingen. Neben dem Auto machte sich über die Saison auch die Brillanz von Mastermind Ross Brawn positiv bemerkbar. "Ross Brawn zählt nicht umsonst zu den wenigen Superhirnen, die die Formel 1 kontrollieren", meinte Ex-F1-Pilot Hans-Joachim Stuck. Somit können sich Ferrari und McLaren Mercedes schon einmal warm anziehen.

Contra: Alte Hackordnung wird wiederhergestellt

von Stephan Heublein

Neue und unklare Regeln wie die Kontroverse um den Doppeldiffusor und der radikale Aerodynamikumbruch stellten das Formel-1-Kräfteverhältnis in diesem Jahr auf den Kopf. Statt Ferrari und McLaren heißen die Topteams Brawn GP und Red Bull. Sie profitierten von den Regeländerungen, der Grauzoneninterpretation und dem langen Titelkampf der ehemaligen F1-Machthaber bis in die letzte Kurve von Interlagos. Doch diese Zeiten sind vorbei: McLaren und Ferrari befinden sich seit der Saisonmitte wieder auf dem Vormarsch.

Den Beweis liefert die Statistik: Seit dem Deutschland GP gab es vier Podestplätze und einen Sieg für Ferrari sowie zwei Podestplätze und zwei Siege für McLaren. Statistikfan Norbert Haug legt nach: "In den letzten sechs Rennen der zweiten Saisonhälfte hat Lewis Hamilton WM-Anwärter Jenson Button viermal geschlagen, Rubens Barrichello und unseren deutschen Freund Sebastian Vettel jeweils dreimal und alle drei Titelkandidaten haben in dieser Zeit weniger Punkte geholt als Lewis, der 34 schaffte, während Barrichello auf 27, Vettel auf 22 und Tabellenführer Button mit 17 auf halb so viele Zähler wie Lewis kam."

Die Aufholjagd von Ferrari und McLaren in der zweiten Saisonhälfte deutet schon an: die üblichen Verdächtigen der letzten Jahre, sprich Rot und Silber, werden 2010 wieder vorne angreifen. Beide Teams haben das Budget, die Ressourcen, das Know-how und das Personal, um wieder zu alter Stärke zurückzufinden und den Ausrutscher von 2009 nicht zu wiederholen.

Ferrari und McLaren auf dem Weg zurück nach vorne., Foto: Sutton
Ferrari und McLaren auf dem Weg zurück nach vorne., Foto: Sutton

Brawn GP und Red Bull werden es hingegen schwieriger haben, ihre Leistungen erneut abzurufen. Beide profitierten von der Interpretation der neuen Regeln (allerdings auf unterschiedlichen Bereichen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlichem Umfang). Zwar gibt es auch 2010 neue Regeln, aber fallen diese bei Weitem nicht so umfangreich aus, um einen ähnlichen Umsturz wie vor dieser Saison zu ermöglichen - das sagen auch die Beteiligten wie McLaren-Teamboss Martin Whitmarsh.

Bei Brawn GP kommt der Faktor Finanzen hinzu. Diese Saison wurde noch von Honda finanziert, die Entwicklung des Autos über viele Monate in teilweise vier Windkanälen stammte ebenfalls noch aus dem Werksbudget des Autoherstellers. Für 2010 gibt es offiziell noch keine neuen Geldgeber, die Mercedes-Übernahme ist bislang nur ein Gerücht und würde auch erst 2010 Geld in die Kassen spülen, das neue Auto muss aber schon in diesem Jahr entwickelt werden. Ein klarer Nachteil im Vergleich zu Ferrari und McLaren, bei denen Geld selbst in der Aufholphase in diesem Jahr kaum eine Rolle spielte.

Brawn GP und Red Bull haben in diesem Jahr eine einmalige Chance: Sie fahren gegeneinander um den WM-Titel, ohne Konkurrenz der alten Herrscher. 2010 wird sich das ändern. Die ehemaligen Platzhirsche werden ihren Platz zurück beanspruchen. Die Frage lautet: Können Red Bull und Brawn GP den Anschluss halten?