Wundern durfte man sich eigentlich nicht - wer die FIA und die Formel-1-Politik kennt, den konnte das Urteil des FIA-Weltrats gegen Renault im Fall "Crashgate" nicht wirklich überraschen. Da man von Seiten der Obrigkeit alles tut, um nicht einen weiteren Hersteller komplett zu verlieren, kamen die Franzosen mit weniger als einem blauen Auge davon, mit einer Strafe, die eigentlich keine ist - mag Max Mosley das in bewährter Rhetorik auch anders darstellen. Und das, obwohl die FIA feststellte, "die Verstöße seien dermaßen schlimm, dass ein permanenter Ausschluss aus der Formel 1 Weltmeisterschaft gerechtfertigt wäre." Bei McLaren-Mercedes, wo man vor zwei Jahren in der Spionage-Affäre, bei mindestens genauso unsicherer Beweislage und wesentlich geringerer möglicher Konsequenzen für die Allgemeinheit, zu 100 Millionen Dollar Geldstrafe verurteilt wurde, wird man sich seinen Teil denken...

Nelsinho Piquet ist nicht nur ein armes, fehl geleitetes Unschuldslamm., Foto: Sutton
Nelsinho Piquet ist nicht nur ein armes, fehl geleitetes Unschuldslamm., Foto: Sutton

Dass das Hauptziel in der Affäre für den FIA-Präsident Max Mosley der Kopf von Flavio Briatore war, bestätigte sich auch noch einmal. Um den so richtig dranzukriegen, obwohl die FIA ja eigentlich nur offizielle Lizenznehmer bestrafen kann, fand man einen netten Umweg: Die Nichtanerkennung von Meisterschaften, in denen Briatore für irgendwen arbeiten würde - guter Trick, eine lebenslange Sperre auszusprechen, was man eigentlich nicht kann...

Dreck am Stecken

Wobei denen, die Briatore und auch Pat Symonds jetzt als "Bauernopfer" bezeichnen, klar sein sollte: Ausnahmsweise hat es in dem Fall sicher nicht die Falschen getroffen. Dass Briatore eine Menge Dreck am Stecken hatte, ist bekannt, schon aus der Zeit, bevor er überhaupt in die Formel 1 kam - man muss da nur einmal in italienischen Zeitungsarchiven über gewisse Gerichtsverfahren und Urteile unter anderem im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel wühlen. Und über so manchen Vorfall in der Formel 1, vom Skandaljahr 1994 bei Benetton angefangen, von verbotener Traktionskontrolle über Aufforderungen zum Missachten schwarzer Flaggen bis zum Ausbau von Filtern aus Tankanlagen - mit dem daraus resultierenden Feuerball in der Boxengasse von Hockenheim. Über den menschlichen Umgang mit seinen Fahrern können auch so einige was erzählen, man frage nur mal Johnny Herbert, Jean Alesi oder auch Alexander Wurz...

Und auch Pat Symonds ist nicht das Unschuldslamm, als das er sich öffentlich recht gut verkaufen kann - gewisse Parallelen zu Ross Brawn, der auch immer so wirkt als könne er kein Wässerchen trüben, aber auch eine lange Liste zumindest sehr fragwürdiger Spielchen und Tricksereien in seinem Lebenslauf hat, sind da nicht zu übersehen. Auch Symonds war 1994 in all den Benetton-Affären an vorderster Front mittendrin - und auch jetzt spielte er das Spiel der Unfallinszenierung ja zumindest ohne größeren Widerstand mit, war sicherlich zumindest für die genaue Durchführung sogar der Hauptverantwortliche. Denn auch wenn die grundsätzliche Idee auf dem Mist von Briatore gewachsen sein mag - dass der selbst überhaupt in der Lage gewesen wäre, genau durchzurechnen, wie und wo das Ganze passieren soll, ist mehr als unwahrscheinlich...

Glaubwürdiger Alonso

Dass Fernando Alonso von der FIA bestätigt bekam, an der Sache in keiner Weise beteiligt gewesen zu sein, auch nichts gewusst zu haben, ist dagegen durchaus nachvollziehbar - obwohl das die Anti-Alonso-Fraktion nicht so gerne hört. Denn die Tatsache, dass ein Team auf einer Strecke, auf der man mit fast 100prozentiger Sicherheit ein Safety-Car erwartet, seine zwei Fahrer mit völlig unterschiedlichen Strategien auf die Strecke schickt und auf ein bisschen Glück im richtigen Moment hofft, gerade, wenn man eh eigentlich aussichtslos hinten steht, das passiert gar nicht so selten.

Flavio Briatore und Nelson Piquet wissen beide, wie man Situationen für sich ausnutzt., Foto: Sutton
Flavio Briatore und Nelson Piquet wissen beide, wie man Situationen für sich ausnutzt., Foto: Sutton

Nur dass es, wenn das Vabanquespiel nicht aufgeht, gar nicht groß jemand mitbekommt. Dass der Spanier also aus seinem geplanten frühen Boxenstopp automatisch hätte Verdacht schöpfen müssen, ist schlicht Unsinn. Ob er sich im Nachhinein seinen Teil gedacht hat, sei dahin gestellt. Dass er aber nicht groß nachgefragt hat, um der Sache auf den Grund zu gehen, ist auch nachvollziehbar. Warum sollte er? Sein Job als Fahrer ist das nicht, also warum sich vielleicht unnötigen Ärger einhandeln?

Unmoralisches Spiel von Piquet

Bleibt die Rolle von Nelsinho Piquet. Dass dem Mittäter von der FIA für sein Auspacken Straffreiheit zugesichert wurde, sieht nicht nur FIA-Präsidentschaftskandidat Ari Vatanen sehr kritisch. Auch einige aktuelle Formel-1-Fahrer haben zum Verhalten des Brasilianers - zumindest off the record - so ihre Meinung. Laut sagt es etwa der Ex-Renault-Pilot Derek Warwick: "Erst das gefährliche Spiel mitspielen, dann, wenn die versprochenen eigenen Vorteile nicht mehr da sind, gegen das eigene Team aussagen, das geht gar nicht."

Sicher, Piquet jr. stand unter Druck, eventuell seinen Arbeitsplatz zu verlieren - aber vor allem deshalb, weil seine Leistungen nicht wirklich zufriedenstellend waren. Dann eine Anordnung zu akzeptieren, von der man genau weiß, dass sie moralisch nicht vertretbar ist, um letztlich selbst davon zu profitieren, das zeugt von sehr wenig Charakterstärke.

Man kann auch "Nein" sagen - und die eventuellen Konsequenzen akzeptieren. Von ganz normalen Arbeitnehmern in ganz normalen Jobs, die nicht den Rückhalt in einer Millionärsfamilie haben, wird das ja schließlich, und zu Recht, in der ein oder anderen kritischen Situation auch erwartet. Da reicht es nicht, auf eine Anordnung oder einen Befehl von oben zu verweisen, um Unrecht zu rechtfertigen. Verantwortungsbewusste Eltern bringen so etwas auch ihren Kindern bei, "Wertevermittlung" heißt das dann. Das scheint in der Familie Piquet ein bisschen zu kurz gekommen zu sein. Zyniker würden jetzt sagen, das sei bei Nelson Piquet sr. und dessen Vergangenheit auch nicht unbedingt ein Wunder. "Er und Briatore, da haben sich die richtigen gefunden", kommentierte Christian Danner kürzlich einmal.

Wobei, und das als persönliche Anmerkung: Die unglaubwürdigste aller Aussagen in den ganzen FIA-Protokollen scheint mir die von Nelson Piquet sr. zu sein, dass er erst nach dem Rennen von seinem Sohn von den Vorfällen erfuhr und dann ach so entsetzt gewesen sei. Wer weiß, wie der kleine Piquet normalerweise am Rockzipfel seines Papas hängt, ihn wegen jeder Kleinigkeit anruft, manchmal noch aus der Startaufstellung mit ihm telefoniert, der wundert sich schon sehr, dass er sich in dem Fall erst gemeldet haben soll, als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Völlig unvorstellbar wäre nicht einmal das, was auch ein ehemaliger Weltmeister, der gerne einmal ein bisschen provoziert, kürzlich spekulierte: Dass nämlich Piquet Senior sehr wohl vor dem Rennen von dem Plan gewusst habe und seinem Sohn gesagt habe: Okay, mach es, dann haben wir wenigstens was gegen Flavio in der Hand...