CONTRA: Lügen und Betrügen

von Kerstin Hasenbichler

"Nicht schon wieder!", schoss vielen durch den Kopf als der neueste Skandal der Formel 1 - "Crashgate" in den Medien aufkam. Kaum hatten sich die Negativschlagzeilen rund um den Sexskandal von FIA-Boss Max Mosley und dem Krieg zwischen FIA und FOTA gelegt, rückte der Unfallskandal von Singapur das Sportliche wieder in den Hintergrund.

Was sich auf der Strecke abspielt, füllt bei weitem nicht so oft die Schlagzeilen wie die Skandale der Formel 1. "Das ist nicht gut für den Sport und es ist nicht gerade die Geschichte, die wir im Augenblick brauchen", weiß auch Bernie Ecclestone. Schon seit langem geht es in der Formel 1 nicht mehr nur um das Sportliche. Sieg- und Titelentscheidungen werden nicht mehr nur auf der Strecke, sondern auch am Kommandostand entschieden.

Flavio Briatore muss sich viel Kritik gefallen lassen., Foto: Sutton
Flavio Briatore muss sich viel Kritik gefallen lassen., Foto: Sutton

Erst als ihn Flavio Briatore rausschmiss, traute sich Nelson Piquet über die Missstände bei Renault zu sprechen. "Flavio war mein Henker. Er hat mich unfair behandelt und unter Druck gesetzt", erzählte der Brasilianer. Lügen und Betrügen steht in der Formel 1 an der Tagesordnung wie die Lügenaffäre rund um Lewis Hamilton beim Australien GP, der Spionageskandal im Jahr 2007 und jetzt die Crashgate-Affäre von Singapur 2008 beweisen.

Das Image der absoluten Königsklasse des Motorsports wackelt und sollte der FIA-Weltrat am 21. September endgültig bestätigen, dass der Große Preis von Singapur durch einen absichtlich Crash manipuliert wurde und Renault dafür bestraft werden, drohen der Formel 1 ein Milliardenverlust und der Ausstieg weiterer Teams. Und wer weiß, ob die Formel 1 auch das überlebt?

PRO: Formel 1 bleibt Sport

von Stephan Heublein

Eine WM-Entscheidung in der letzten Kurve, einen unerwarteten Champion im Titeldreikampf, einen Force India auf der Pole und dem Podium und ein völlig durcheinander gewürfeltes Kräfteverhältnis mit den ehemals Kleinen vorne und den Großen auf der Jagd - das bietet nur die Formel 1, der Hochleistungssport Formel 1.

Dass die F1 genau das ist, dürfte niemand anzweifeln, der die Fitnessanforderungen und g-Kräfte kennt, mit denen moderne F1-Piloten heutzutage zurechtkommen müssen.

Sport: In Belgien zeigte sich die Formel 1 von ihrer besten sportlichen Seite., Foto: Sutton
Sport: In Belgien zeigte sich die Formel 1 von ihrer besten sportlichen Seite., Foto: Sutton

Natürlich gab es in der Vergangenheit unschöne Ereignisse wie die Spionageaffäre, Max Mosleys Kelleraufenthalte und jetzt den Wirbel um Renault in Singapur 2008. Klar hat Jackie Stewart recht, wenn er sagt, dass einige F1-Leute dadurch an Ansehen und Glaubwürdigkeit verlieren. Doch die Kritik, dass am Herzen der Formel 1 etwas faul sei, scheint eher eine Fortsetzung der Fehde mit Max Mosley zu sein. Wie sonst sollte man Mosleys Vorlieben und Manipulation in Einklang bringen?

Wichtig ist: Letztlich steigerten alle Affären der letzten Jahre das weltweite Interesse an der F1 sogar noch einmal. Auch heute berichteten wieder alle Medien über Briatores Rücktritt. Und ganz ehrlich: Was wäre eine echte Sportart ohne ein paar Skandale und strittige Entscheidungen wie Wembley 1966, die Hand Gottes 1986 oder das Bosman-Urteil?

Klar, auf die politischen Auseinandersetzungen hinter den Kulissen, die Machtspiele der großen Egos könnten wir getrost verzichten, aber sie gehören seit Jahrzehnten zur Formel 1 und haben es trotzdem nicht geschafft, die Erinnerungen und die Freude über spektakuläre Zweikämpfe wie beim Belgien GP 2009 oder das legendäre Häkkinen-Zonta-Schumacher-Manöver aus der Saison 2000 zu überlagern.

Bernie Ecclestone sagt es treffend: Die Formel 1 ging nach Senna weiter, sie ging nach Schumacher weiter und der Sport Formel 1 wird auch nach jedem einzelnen Skandal weiterexistieren.