Noch jubelt Fisichella mit Mallya für Force India., Foto: Sutton
Noch jubelt Fisichella mit Mallya für Force India., Foto: Sutton

Ferrari strahlte schon immer eine besondere Anziehungskraft aus. Ganz besonders gilt dies seit der Verletzung von Felipe Massa und der kurzfristigen Verfügbarkeit eines Cockpits beim berühmtesten Rennstall der Formel-1-Geschichte.

Am Freitag veröffentlichte Ferrari eine Liste an Fahrern, die von den Medien oder sich selbst für das zweite Cockpit ins Spiel gebracht wurden. Was ein Scherz sein sollte, zog sich durch das gesamte Rennwochenende. Denn Ersatzmann Luca Badoer bekleckerte sich erneut nicht mit Ruhm und handelte sich im Fahrerlager den neuen Spitznamen "Look how bad you are" ein. Darüber musste selbst Teamchef Stefano Domenicali schmunzeln. "Das hatte ich noch gar nicht gehört..."

Kein Wunder, dass mit Giancarlo Fisichella ein Fahrer gehandelt wird, noch dazu ein italienischer, der aus dem Nichts auf die Pole Position und den zweiten Platz fährt, dabei den Sieger in einem Ferrari unter Druck setzt, eigentlich sogar schneller ist, und all das in einem Force India. "Kein Kommentar", winkte Teamboss Vijay Mallya ab. "Ferrari kam nicht zu mir, Fisichella kam nicht zu mir, sein Manager kam nicht zu mir. Es ist alles Spekulation."

Force India Commercial Director Ian Phillips erwartet trotzdem bald eine Offerte der Scuderia. "Wir erwarten, dass sie innerhalb der nächsten 24 Stunden einen Versuch starten", sagte er Radio Five Live. Noch habe sich niemand gemeldet, aber es sei ziemlich wahrscheinlich, dass Mallya bald einen Anruf aus Maranello erhalten werde, um Fisichella aus seinem Vertrag freizustellen.

Wahrheitsgehalt - Motorsport-Magazin.com meint: Eines ist klar - Ferrari kann sich das Experiment Luca Badoer nicht mehr leisten. Das Team ist zum Ein-Auto-Rennstall verkommen, statt mit drei Wagen anzutreten, wie es Luca di Montezemolo gerne anregt. Der Image- und noch schlimmer Punkteverlust ist derzeit nicht aufzuwiegen.

Die Frage ist: Welcher Fahrer ist jetzt verfügbar, der es vor Badoers Benennung zum Massa-Ersatz nicht war? Michael Schumacher ist es nicht. Fernando Alonso ist es nicht. Das bestätigten Domenicali und Briatore in Spa übereinstimmend. "Das macht keinen Sinn, wird nicht passieren", betonte Flavio Briatore in der italienischen Presse. Domenicali dementierte ebenfalls, dass der Spanier in Monza im Ferrari sitzen werde. "Absolut nicht."

Aber ist Fisichella wirklich die ultimative Lösung? Vor ein paar Wochen hätte jeder den Italiener auf eine Stufe mit seinem Landsmann Badoer gestellt, denn Fisichella galt als Auslaufmodell, das selbst bei Force India keine Vertragsverlängerung erhalten würde - und das wird wohl auch nach Spa so sein. Sonst würde er nicht ernsthaft und öffentlich über die Ferrari-Spekulationen sprechen. Fisichella zog in den meisten Rennen den Kürzeren gegen seinen Teamkollegen Adrian Sutil. Er wurde von uns in der Juli-Ausgabe unseres Printmagazins Motorsport-Magazin zu einem der Verlierer der Saison 2009 gewählt - zusammen mit Sebastien Bourdais und Nelson Piquet, die wenig später kein F1-Cockpit mehr hatten.

Ende 2008 ließ Ferrari die Top-3 der italienischen F3 testen. Weitere Nachwuchsarbeit: Fehlanzeige., Foto: Ferrari
Ende 2008 ließ Ferrari die Top-3 der italienischen F3 testen. Weitere Nachwuchsarbeit: Fehlanzeige., Foto: Ferrari

Was also würde Fisichella Ferrari bringen? Kurzfristig sicher mehr Punkte als Badoer, denn dass er vorne mitfahren kann, hat er in Spa bewiesen. Die Kampfansage von Badoer, wenn man es so nennen möchte, dass er auf seiner Heimstrecke in Monza punkten möchte, darf getrost ignoriert werden - sonst hätte er schon in Spa näher dran sein müssen. Streckenkenntnis allein reicht nicht. Heutige Toppiloten - und etwas anderes braucht Ferrari nicht - sollten nach 15-20 Runden einen neuen Kurs gelernt haben, egal für wie schwierig ihn Rekordweltmeister Michael Schumacher in seiner Badoer-Verteidigung erklärt.

Dass sich bei den Roten vor dem Heimrennen etwas tun wird, scheint klar zu sein. Immerhin bestätigte Domenicali diesmal nicht am Renntag den Einsatz von Badoer fürs nächste Rennen. Stattdessen kündigte er an, dass man alle Fakten und Alternativen auf den Tisch legen und dann eine Entscheidung treffen werde - nach dem Bekanntwerden der Untersuchungsergebnisse von Felipe Massa in den USA. Denn, wenn der Brasilianer noch für diese Saison ein Okay bekommen sollte, vielleicht ab Singapur oder Japan wieder im Auto sitzen kann, verändert dies die Entscheidung über seine weitere Vertretung. Das könnte Badoers letzte Hoffnung auf einen Einsatz in Monza sein - ein Massa-Comeback in Singapur.

Für die Zukunft sind aber weder Badoer noch Fisichella, der angeblich mit einem Testfahrervertrag für 2010 ausgestattet werden soll, eine Lösung. Domenicali räumt selbst ein: "Es ist eine Schwäche, dass wir in den letzten Jahren die Chance verpasst haben, ein Nachwuchsfahrerprogramm aufzubauen. Aber daran werden wir arbeiten." Zeit dafür wird es.