7,004 Kilometer Streckenlänge, rund 330 km/h Höchstgeschwindigkeit, 308,2 Kilometer Renndistanz und 44 Runden voller Herausforderung und Spaß erwarten die 20 Piloten im belgischen Spa-Francorchamps. "Ich liebe Spa", sagt Weltmeister Lewis Hamilton - und da ist er nicht alleine: "Es ist eine fantastische Strecke und definitiv mein Lieblingskurs in der Formel 1", sagt Jarno Trulli. "Es ist eine echte Fahrerstrecke und das liegt mir." Spa bietet fast jede mögliche Kurvenkombination und fordert den Fahrer konstant auf der gesamten Runden. "Das liebe ich", meint Trulli. "Jedes Runde in Spa ist unglaublich."

Selbst BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen kommt ins Schwärmen: "Spa! Es sind nur drei Buchstaben, doch es steckt extrem viel Motorsport-Geschichte dahinter. Spa ist eine phantastische Naturrennstrecke, eingebettet in die wunderschöne und raue Ardennen-Landschaft." Für Timo Glock ist es eine fantastische Erfahrung, in einem F1-Auto durch Eau Rouge und Blanchimont zu fahren. "Es ist das beste Gefühl, das man in diesem Sport haben kann. Von dieser Strecke träumt man als Kind."

So wie Hamilton: "Die Rennen hier habe ich früher im Fernsehen verfolgt und deswegen sind diese Kurse für mich etwas Besonderes; man kann sich richtig vorstellen, wie die großen Fahrer von einst hier Rennen gefahren sind." In Spa könne er noch an die Grenzen gehen. "Durch Eau Rouge, Pouhon oder Blanchimont zu fahren ist einfach sensationell - der ganze Körper ist am Limit und dennoch will man immer noch schneller fahren." In den schnellen Kurven kommt es laut Heikki Kovalainen vor allem auf Mut zum Risiko an. "Wenn es schief geht, kann man das Auto stark beschädigen." Umso größer ist die Herausforderung. "Anders als andere Kurse hat Spa Charakter."

Rotes Wasser

Wer über Spa-Francorchamps spricht, der erwähnt zwangsläufig die wohl berühmteste Kurve der Welt: Die Eau Rouge. "Seit der Anpassung der Eau-Rouge-Kurve wird diese bei Trockenheit voll gefahren, dadurch ergibt sich die längste Volllastpassage der Saison", erklärt Mario Theissen aus der nüchternen sicht des Ingenieurs. "Da diese zudem kräftig ansteigt, sind Motorleistung und Standfestigkeit besonders gefordert."

Grundsätzlich handelt es sich bei der Eau Rouge um ein in einer Senke gelegenes "S", welches im sechsten respektive siebten Gang mit gut 300 km/h durchfahren wird, und das nach dem steilsten Bergaufstück der Formel 1 in eine nicht einsehbare Linksbiegung mündet.

Benannt wurde die Kurve nach einem in der Nähe gelegenen Bach, dessen Wasser sich aufgrund des roten Bodens leicht rötlich färbt. Durch die Augen eines F1-Piloten betrachtet, stellt sie eine der letzten richtigen Natur- sowie Mutkurven dar. Auf diese rasen die Fahrer von der La Source-Haarnadel mit Höchstgeschwindigkeit zu. Beim Einlenken wird der Wagen tief in die Stoßdämpfer gepresst, bevor er noch im ersten Kurvenabschnitt federleicht wird, da die Kurve um 15 Prozent ansteigt.

Eau Rouge begeistert die Fahrer noch immer., Foto: Sutton
Eau Rouge begeistert die Fahrer noch immer., Foto: Sutton

Zu diesem Zeitpunkt können die Fahrer die Kuppe des Hügels noch nicht einsehen. Für sie sieht es so aus, als würden sie direkt in den Himmel hineinrasen. Doch anstatt in den meistens Wolken verhangenen belgischen Himmel über der Ardennenachterbahn abzuheben, biegt der Kurs an dieser Stelle urplötzlich nach rechts ab, bevor der Streckenverlauf wieder links herum auf die "Kemmel"-Gerade führt. "Die Kräfte in dieser Kurve sind extrem, besonders für die Aufhängung", sagt Pascal Vasselon. "Es wird interessant sein zu sehen, wie sich die 2009er Autos dort verhalten. Wir haben weniger Abtrieb, aber durch die Slicks auch mehr Grip. Ich erwarte also, dass es weiter voll gehen wird."

Noch mehr Wasser

Neben Eau Rouge wird in Spa viel über das Wetter gesprochen. "Das Wetter ist immer schwer vorhersagbar und oft unbeständig", weiß Robert Kubica aus eigener Erfahrung. "Es kann auf einigen Streckenabschnitten trocken sein und gleichzeitig anderswo heftig regnen." Wettervorhersagen sind in Spa schwierig. "Selbst Hitze im ganzen übrigen Europa heißt nicht, dass es in Spa nicht doch einen Wolkenbruch geben kann", ergänzt Nick Heidfeld. Schien eben noch die Sonne, kann es trotzdem gleich regnen.

"Meist erwarten uns in Spa relativ niedrige Außentemperaturen, sodass das Aufwärmen der Reifen sicher ein Thema wird", erklärt Willy Rampf. "Spa ist traditionell das einzige Rennen, wo man für jede Session auch ein Regen-Setup vorbereitet. Das macht dieses Wochenende für die Ingenieure sehr anspruchsvoll, weil man zusätzlich zur streckenspezifischen Abstimmung auch mit dem Wetter kalkulieren muss."

Wenig Downforce

"Spa hat alles, was einen Kurs interessant macht", sagt Norbert Haug. "Von lang gezogenen, anspruchsvollen Kurven wie Pouhon und Stavelot bis hin zur engen Haarnadel La Source, die mit nur 70 km/h durchfahren wird." Die Wahl des richtigen Setups macht das nicht gerade einfacher. "Von der Streckencharakteristik her wird Spa in dieser Saison der erste Kurs sein, wo wir mit einem mittleren Abtriebslevel fahren", verrät Rampf. Bislang fuhren die Teams alle Grand Prix mit einem High-Downforce-Level.

"Der Unterschied ist signifikant und bedeutet, dass wir in Spa spezielle Flügel einsetzen werden", so Rampf. Dabei dreht sich nicht alles um Eau Rouge: "Das Spektrum der Kurvengeschwindigkeiten ist riesig, es reicht von der sehr engen Bus-Stop-Schikane bis hin zur schnellen Blanchimont." Robert Kubica hat daran seinen Spaß. "Der Kurs ist sehr lang und hat viele anspruchsvolle und schnelle Kurven. Es ist ziemlich schwierig und sehr wichtig, die richtige Fahrzeugbalance zu finden."

Die Streckengeschichte

Fußgänger sind in Eau Rouge nicht erlaubt., Foto: Sutton
Fußgänger sind in Eau Rouge nicht erlaubt., Foto: Sutton

Die Idee am berühmten Kurort Spa eine Rennstrecken zu errichten wurde im Jahr 1920 geboren. Man wollte das Dreieck der Verbindungsstraßen zwischen Malmedy, Stavelot und Francorchamps nutzen. Die Vorbereitungen wurden zwar im August 1921 abgeschlossen, allerdings konnte das erste Autorennen nicht stattfinden, weil sich nur ein einziger Teilnehmer angemeldet hatte. Schließlich wurde die Rennstrecke von Motorrädern eingeweiht, ehe 1922 tatsächlich erstmals Autos starteten.

1924 wurde zum ersten Mal das berühmte 24-Stunden-Rennen ausgetragen. Das erste bedeutende Monoposto-Rennen folgte 1925 mit dem Großen Preis von Europa. Sieben Fahrzeuge nahmen daran teil. Es gewann Antonio Ascari auf Alfa Romeo. Wegen des Zweiten Weltkrieges ruhte der Rennbetrieb sieben Jahre lang bis 1947. Im Jahr 1970 fand das letzte Rennen auf dem bis dato 14 Kilometer langen Kurs statt. Die Autos waren mittlerweile zu schnell für diese Strecke geworden, die Fahrer weigerten sich, das Risiko einzugehen. 1979 wurde der aktuelle Kurs eröffnet. 2003 gastierte die Formel 1 nicht in Spa. Für 2004 wurde die Bus-Stop-Schikane umgebaut. Nach dem Grand Prix 2005 setzte die Formel 1 erneut ein Jahr aus. 2007 wurde eine neue Boxenanlage bezogen, die Bus-Stop-Passage wurde inklusive Boxen-Anfahrt erneut umgebaut.