Christian, wie war der Urlaub, den die FIA heuer zwangsverordnet hat?
Christian Klien: Ganz gut, danke! Ich habe nach den letzten Aerodynamiktests in Vairano eine Woche auf Sardinien verbracht. Dort kann man herrlich abschalten. Ich war täglich auf meinem Rennrad unterwegs, denn schließlich sollte man bei aller Erholung nicht mit einem Ranzen aus dem Urlaub zurückkommen. Gewicht bedeutet in der Formel 1 immer gleich Rückstand.

Wie hat der angekündigte BMW-Ausstieg deine Situation verändert?
Christian Klien: Zunächst waren wir mal alle geschockt. Ich war nicht wirklich drauf vorbereitet, als mich Mario Theissen angerufen hat. Aber wir sind alle Wettkampftypen. Und daher musst du wie ein Boxer sofort wieder aufstehen, wenn du einen Tiefschlag erlebt hast. Wer das nicht kann, der ist in der Formel 1 ohnehin fehl am Platz.

Wie hat die Mannschaft auf die schlechten Nachrichten reagiert?
Christian Klien: Speziell für die Mitarbeiter in Hinwil war das natürlich ein Schock. Hier herrscht ein spezieller "Racespirit". Da sind Leute am Werk, die durch und durch Racer sind und fürs Team leben. Ich war gleich nach der Bekanntgabe in Hinwil. Wir sitzen ja in einem Boot. Und ich versuche, die Mitarbeiter weiter zu motivieren. Gleich nach dem Urlaub ist mein erster Weg gleich wieder ins Werk.

BMW hat noch etwas zu zeigen, Foto: Sutton
BMW hat noch etwas zu zeigen, Foto: Sutton

Wieso zieht sich BMW nicht gleich zurück? Welchen Sinn hat es überhaupt noch, weiter zu fahren?
Christian Klien: Wir haben noch einige Entwicklungsstufen in der Pipeline. Und so wie es bisher im heurigen Jahr - erstmals nach drei sehr guten Jahren, in denen die Ziele immer erreicht wurden - gelaufen ist, möchte sich BMW sicher nicht aus der Formel 1 verabschieden. Die technische Entwicklungsgeschwindigkeit ist heuer enorm. Man vergisst ja, dass wir zu Saisonbeginn um den Sieg mitgefahren sind. Und diese Trendumkehr wollen wir wieder schaffen.

Peter Sauber meinte, er habe schon öfters schwierige Situationen in der F1 zu meistern gehabt...
Christian Klien: Das Team hat in der Vergangenheit oft bewiesen, dass es mit geringeren Mitteln viel erreichen kann. Der "Spirit" der Leute ist genau der richtige. Und die Zeiten unbegrenzter Mittel sind ohnehin vorbei. Bei all dem menschlichen Kapital und der Infrastruktur in Hinwil sehe ich keinen Grund, warum man nicht 2010 wieder ein erfolgreiches Auto bauen kann.

Mit Christian Klien als Fahrer?
Christian Klien: Das wäre im Moment Spekulation, da die Gesamtsituation noch zu unklar ist. Was ich im Moment beitragen kann, ist mich körperlich fit zu halten und ein Maximum an Fitness zu erhalten. Eben zum Beispiel mit dem Rennrad auch im Urlaub in der Hitze täglich trainieren. Dazu bei den Straight-line Tests möglichst viele Daten für die Entwicklung zu sammeln. Die Langstreckeneinsätzen wie in Sebring, SPA und Le Mans, plus Kart Training, helfen die Reflexe und den Nacken in Schuss zu halten. Wie schnell man gebraucht werden kann, zeigt ja gerade jetzt das Beispiel Ferrari.

Gibt es, nach dem BMW Out für 2010, Anfragen an dich?
Christian Klien: Anfragen gab es schon während der laufenden Saison. In der Formel 1 ist ständig alles in Bewegung. Speziell die neuen Teams sind natürlich an Fahrern mit Erfahrung und Perspektive interessiert. Beides kann ich bieten, da ich erst 26 bin aber schon mein sechstes Jahr in der Formel 1 absolviere. Aber auch die etablierten Teams sind auf der Suche, da der eine oder andere Fahrer ausscheidet beziehungsweise das Team wechselt. Trotz der Anfragen ist allerdings das Hinwiler Team meine erste Wahl. Hier passen die technischen Ressourcen und die Leidenschaft für den Rennsport sehr gut zu meiner Vorstellung eines Formel 1-Teams.

In Hinwil will man bald mehr wissen, Foto: Sauber
In Hinwil will man bald mehr wissen, Foto: Sauber

Könnte 2010 das Szenario mit drei Autos pro Team eintreten?
Christian Klien: Technisch und finanziell ist es auf jeden Fall machbar, wie man ja vor einigen Jahren gesehen hat. Wenn alle 13 Teams wirklich an den Start gehen, dann wird man kein drittes Auto benötigen. Wenn es für die Stabilität der Formel 1 nötig ist, dann ist ein drittes Auto definitiv eine Option. Ob mit 13 Teams mit je zwei Autos oder weniger Teams mit je drei Autos, auf jeden Fall werden für 2010 mehr Fahrerplätze zur Verfügung stehen.

Wann wird man mehr wissen?
Christian Klien: Was das Team in Hinwil angeht, hoffentlich bald. Wir dürfen aber nicht vergessen, wie die Situation beim Ex-Honda-Team letzten Winter war. Da wusste bis Februar niemand, ob es überhaupt weitergeht. Und dann sind sie uns allen um die Ohren gefahren. Was mich persönlich angeht: Ich bin wie viele Fahrer in einer gespannten Warteposition. Wenn die letzten Puzzle-Steine bei den Teams zusammenpassen, dann kann es schnell gehen. Es wird 2010 mehr Cockpits in der Formel 1 geben als bisher, aber nicht mehr Fahrer mit Grand-Prix-Erfahrung. Ich sehe mich daher in keiner schlechten Position.