Auch wenn er derzeit in Portimao in der LeMans-Serie beschäftigt ist, verfolgt Bruno Senna die aktuellen Entwicklungen in der Formel 1 natürlich sehr genau. Schließlich kann einiges, was sich da im Moment abspielt, auch Auswirkungen auf seine Verhandlungsposition für ein Platz in der Formel 1 2010 haben.

Was sagst du zum Comeback von Michael Schumacher in der Formel 1?
Bruno Senna: Es wird auf jeden Fall sehr interessant sein, zu sehen, wir er sich schlägt. Aus Sicht von Ferrari war das sicher die beste Wahl, die sie treffen konnten, und ich glaube, er selbst hat fast auch schon ein bisschen darauf gewartet, dass sie ihn fragen werden, bei seiner so langen und erfolgreichen Beziehung zu Ferrari. Aber selbst für jemanden wie ihn mit all der Historie wird das nicht einfach werden. Kimi wird sich sicher nicht so einfach schlagen lassen wollen... Aber er wird sicher so gut vorbereitet wie irgendmöglich nach Valencia kommen. Ich kenne jetzt den Ferrari-Simulator nicht, aber er ist sicher gut und das bringt schon mal eine ganze Menge. Ich glaube auch, dass sich irgendwie ein Weg finden wird, dass er vorher noch mal einen aktuellen F60 fährt. Physisch ist er bestimmt noch ziemlich fit, ich habe gehört, dass er die ganze Zeit über immer noch  ziemlich viel trainiert hat, mehr, als viele glauben. Und dann  kann man auch mit nur drei Wochen zusätlichem speziellen Aufbau noch sehr viel erreichen. In Valencia wird er die drei freien Trainings sicher gut zum Eingewöhnen nutzen können. Und spätestens in Spa, das ja quasi sein Wohnzimmer ist, wird er sicher wieder sehr gut dabei sein.

Hattest du den Unfall von Felipe eigentlich live gesehen - und was ging Dir durch den Kopf?
Senna: Ja, habe ich live gesehen, aber das es in England sehr lange kein Replay gab, habe ich nicht gewusst, was da eigentlich los war. Ich habe erst  gedacht, er hätte vielleicht ein technisches Problem gehabt. Erst in der Wiederholung ist dann klar geworden, was passiert ist. Aber man muss ja wirklich sagen, bei allem Pech, dass das Teil  ihn getroffen hat, hat er noch viel Glück gehabt, wo  es getroffen hat. Zwei Zentimeter woanders, und das wäre ganz anders ausgegangen. Gott sei Dank ist es für ihn so relativ  glimpflich abgegangen. Ich hatte dann gleich am Samstagabend kurz mit  Felipes Mutter Kontakt gehabt, ihm beste Wünsche geschickt, habe schon immer einigermaßen gewusst, was los ist.  Felipe und ich haben in Brasilien ja auch die gleiche Presseagentur, da ist schon eine gewisse Nähe da...

Erst der tödliche Unfall von Henry Surtees, gleich eine Woche später jetzt Felipe nur mit Glück an einer Katastrophe vorbei – bringt das doch noch mal zum Nachdenken?
Senna: Vielleicht diejenigen, die sich bis jetzt noch keine grundsätzlichen Gedanken über das Risiko  gemacht haben, ganz junge Fahrer,  für die das bis jetzt alles nur eine Fortsetzung der Playstation war, ein Spiel... Bei mir ist das anders, ich habe für mich einmal diese Entscheidung getroffen, dass ich Rennsport betreiben will, dass dabei immer ein gewisses Risiko besteht, und dass ich bereit bin, das einzugehen. Ich hatte ja auch schon so meine Erlebnisse, zum Beispiel mit dem Hund in der Türkei... Ich sehe das so, wenn es Dein Tag ist, dann ist es Dein Tag, egal wie und wo und auf welche Weise...  Sicher waren das an sich atyspische Unfälle, auch der Unfall von Ayrton war atypisch... Ich hatte schon Crashs,  wo ich viel heftiger eingeschlagen bin als damals Ayrton, wo mir überhaupt nichts passiert ist...

Der Fahrermarkt gerät durcheinander

Unterschreibt Bruno Senna bald in der Formel 1?, Foto: LMS
Unterschreibt Bruno Senna bald in der Formel 1?, Foto: LMS

Trotz Sommerpause passiert ja in der Formel 1 im Moment eh viel – hat der BMW-Ausstieg jetzt zumindest indirekt auch Einfluss auf Deine Verhandlungen für 2010?
Senna: Auf jeden Fall bringt das den Fahrermarkt schon  wieder durcheinander, jetzt sind zwei erfahrene Piloten neu auf dem Markt. Denn selbst wenn das Team irgendwie weitermacht, ist die Frage,  ob jemand wie Kubica dann unbedingt dort bleiben will. Ich könnte mir gut vorstellen, dass zum Beispiel Brawn jetzt ganz schnell ein Auge auf Robert wirft. Ob es auf meine Position Einfluss hat, kann ich noch nicht sagen, man weiß ja noch nicht, was passieren wird. Was ich im Moment sagen kann, ist dass wir mit mit den neuen Team vom Campos und Manor bereits Meetings gehabt haben, da besteht auch Interesse.  Aber wir reden auch noch mit  anderen, mit etablierten Teams, nutzen da auch unsere Kontakte vom letzten Jahr. Aber da ist alles noch nicht ganz so weit, es ist auch schwierig, weil sich immer noch alles dauernd ändert - siehe jetzt wieder BMW.. Aber es gibt einige offene Türen und die wollen wir nutzen. Ich denke, die Chancen stehen gut.

Es gab Gerüchte um einen bereits vereinbarten Brawn-Test im Spätherbst?
Senna: Das stimmt nicht, da ist nichts dran. Und ich werde sicher nicht bis Ende des Jahres auf einen Test warten, alles in deren Händen lassen und dann vielleicht am Ende wieder ohne was dastehen. Sicher werden wir auch  noch mal mit Brawn reden, sie hatten ja mittel- und langfristig gewisses Interesse signalisiert. Aber ich habe ja schon einen Test absolviert, wer Interesse hat, braucht sich nur diese Ergebnisse anzuschauen. Ich bin letztes Jahr ohne eigenes Verschulden in die Situation hineingeraten, dass am Ende alles zu spät war, weil es keine Alternativen mehr gab. Dieses Jahr gibt es mehrere Möglichkeiten, deshalb soll das auf keinen Fall noch mal passieren.

In den letzten Rennen ist Brawn doch ganz schön zurückgefallen, glaubst Du, dass Jenson Button den Titel 2009 trotzdem noch holen wird?
Senna: Schwer zu sagen, ich habe das Gefühl, dass  bei dem, was da jetzt passiert,  auch ein bisschen Psychologie eine Rolle spielt, gerade bei Jenson. Er wird in die Realität zurück geholt, , der große Vorsprung ist weg - und damit steigt dann auch die Nervosität. Ich  weiß nicht,  ob wirklich nur noch für sechste Plätzer oder so gut ist. Aber wenn man so weit vorne war und es dann plötzlich nicht mehr so geht, dann werden halt alle etwas nervös und es passieren auch mehr Fehler. Ich fand, die Art, wie er sich in Ungarn über das Auto beschwert hat, immer wieder das Gleiche wiederholend, das hat schon ein bisschen was in die Richtung gezeigt. Das Team muss da jetzt wirklich zusammenhalten und konsequent weiterarbeiten, dann kann es schon noch gehen.

Dein Landsmann Rubens Barrichello hat da am Nürburgring her das Gegenteil geliefert -  "brasilianisches Temperament halt", haben da viele gesagt. Könnte Dir so was auch passieren, im ersten Ärger öffentlich so loszulegen?
SennaDas war halt ein typischer Akt von Frustration, aber ich denke, dass ich das schon anders machen würde. Ich hatte ja ja auch schon hin und wieder mal ein Problem, aber dann muss man das eben intern lösen, mit dem Team. Da kann man dann vielleicht auch mal schimpfen, aber eben nur intern – nicht nach außen, über die Medien.  Aber jeder macht das eben auf seine Art...

Guter Job von Alguersuari

Was sagst Du eigentlich zum Debüt von Jaime Alguersuari - für Dich selbst hast Du ja immer gesagt, so ohne jede Vorbereitung mitten in der Saison wolltest Du lieber nicht einsteigen...
Senna: Ich finde, er hat da einen sehr guten Job gemacht unter den Umständen, hat wahrscheinlich einige Leute überrascht. Aber der Punkt ist der: So lange nicht allzu viel erwartet wird, so lange man erst mal nur einigermaßen mitfahren muss und auch ein paar Zehntel langsamer als der Teamkollege noch okay sind, ist das alles tatsächlich nicht so schwierig. Die Probleme kommen dann, wenn die Erwartungshaltung steigt, wenn man wirklich ans Limit muss, wenn es an die allerletzten Zehntel geht. Dann kommt der Druck - und dann macht man auch ganz schnell Fehler. Das sieht man auch ein bisschen bei Buemi - anfangs sehr gut, und jetzt zuletzt, als es noch besser werden sollte, als der Druck kam, dann ging die Kurve ein bisschen nach unten...