Sie sind die Weltmeister der letzten beiden Jahre, sie fahren für die beiden Topteams des vergangenen Jahrzehnts und sie haben in diesem Jahr einen Rückschlag nach dem anderen erlebt, zuletzt den schweren Qualifying-Unfall von Felipe Massa am Samstag. "Jetzt konzentrieren wir uns auf unsere Arbeit, das Rennen, danach fahren wir wieder zu Felipe ins Krankenhaus", sagte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali in der Startaufstellung. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass in den kommenden 70 Runden am Hungaroring das alte Duell McLaren Mercedes gegen Ferrari, Lewis Hamilton gegen Kimi Räikkönen wieder aufleben würde.

Bereits am Start zeigten die beiden Ex-Champions der Jahre 2007 und 2008, dass mit ihnen zu rechnen sein würde, nicht zuletzt dank KERS. Hamilton schoss von Startplatz 4 nach vorne, Räikkönen erwischte von Platz 7 sogar einen noch besseren Start. Vor der ersten Kurve kamen sie sich beinahe ins Gehege, Räikkönen ließ Hamilton gewähren und bis auf Platz 2 nach vorne kommen.

Zur gewünschten Wiederholung des Nürburgrings-Starts bis in Führung kam es nicht, dafür verlief das Rennen nach der ersten Kurve besser: Niemand schlitzte Hamiltons Reifen auf, er überholte zunächst Mark Webber und schloss danach zu Fernando Alonso auf, der das Rennen bis zu seinem Boxenstopp anführte. Nach Alonsos Ausfall führte Hamilton das Rennen souverän an und kam nie in Verlegenheit, sich gegen seine Verfolger verteidigen zu müssen. Sein ärgster Verfolger Räikkönen verspielte bei seinem zweiten Boxenstopp die Chance auf eine bessere Ausgangslage in den Schlussrunden. Der Finne konnte nicht sofort losfahren und verlor so wertvolle Sekunden.

Sensation in Silber

"Das ist ein unglaubliches Gefühl", jubelte Hamilton. "Besonders nach der langen Durststrecke. Wir haben gekämpft, ich bin stolz auf jeden im Team. Jeder hat alles gegeben, niemand hat aufgegeben. Wir haben nicht mit diesem Sieg gerechnet, aber das Auto war fantastisch." Das konnte Norbert Haug nur bestätigen. "Es war eine Sensation", freute sich der Motorsportchef. "Lewis war eine Klasse für sich - ein historischer Sieg, der erste mit KERS Hybrid in der Formel 1 - die Silberpfeile fliegen wieder!" Gleichzeitig erinnerte Haug an Massa: "Wir denken an Felipe - er wäre heute ein Siegkandidat gewesen, wie sein Teamkollege gezeigt hat - wir alle wünschen gute Besserung."

Kimi Räikkönen freute sich derweil nach einem schwierigen Wochenende über sein bestes Saisonergebnis. "Ich hatte einen guten Start, das hat sehr viel geholfen, denn ich musste viele Plätze gutmachen." Nachdem er an Webber vorbei war, versuchte er Hamilton einzuholen, "aber er war mindestens genauso schnell wie wir", so Räikkönen. "Der Abstand blieb gleich und beim letzten Stopp hatten wir noch ein Problem. Trotzdem: Es war ein gutes Rennen."

Ausfall für Vettel

Lange Gesichter gab es bei den neuen Spitzenteams und Titelanwärtern von Red Bull und Brawn GP. Jenson Button und Rubens Barrichello traten das gesamte Rennen über nie in Szene. Barrichello fuhr mit einem schweren Auto im Mittelfeld spazieren, Button duellierte sich am Ende um die letzten Punkteränge. Der Brite funkte während des Rennens sogar einmal entsetzt an die Box: "Ich habe extremes Übersteuern. Wie kann das Auto auf einmal so schlecht sein?" Vor einigen Rennen teilte er seinem Team noch mit, dass es ein Monster von Auto gebaut habe, das immer besser und besser werde.

Red Bull konnte von der Schwächephase der Brawn nur bedingt profitieren. Sebastian Vettel verpatzte mal wieder den Start und verlor zudem Plätze, weil er in Kurve eins von Kimi Räikkönen berührt wurde. "Die erste Kurve war ganz eng", so Vettel. "Ich war auf der Innenseite, hatte eigentlich freie Fahrt, aber Kimi kam quer und fuhr mir ins Auto." Die Rennkommissare kündigten eine Untersuchung des Zwischenfalls nach dem Rennen an.

Die Kollision führte bei Vettels erstem Boxenstopp dazu, dass ein Rad klemmte. "Im zweiten Stint gab es urplötzlich einen Schlag und etwas war an der linken Vorderradaufhängung kaputt. Wir haben es noch mal probiert, aber es gab keine Chance, das Auto zu reparieren. Sonst hätte ich vielleicht noch ein oder zwei Punkte mitnehmen können." Das sei bitter, "weil wir aufholen müssen und jeder Punkt uns hilft. Wenn man nicht ankommt, kann man keine Punkte holen."

Sein Teamkollege Mark Webber machte es einen Tick besser und begrenzte als Dritter hinter Hamilton und Räikkönen den Schaden in der WM-Wertung. Er holte sogar Punkte auf Button auf und überholte Vettel. Webber geht somit als WM-Zweiter in die Sommerpause. "Das Ergebnis ist ein bisschen überraschend", gestand Webber. "Wir hatten uns schneller erwartet, aber wir wussten, dass uns die Jungs im Nacken sitzen würden." Insgesamt ist er mit Platz 3 zufrieden. "Vielleicht hätten wir mit einer anderen Reifenstrategie Kimi mehr fordern können, aber das weiß man vorher nie. Wichtig ist: Die Jagd geht weiter."

Hinter Webber fuhr Nico Rosberg als Vierter knapp am angepeilten Podestplatz vorbei. Platz 5 belegte der zweite McLaren-Fahrer Heikki Kovalainen vor Timo Glock und Jenson Button. Den letzten Punkt ergatterte Jarno Trulli.

Turbulenter Start

Besonders viel Bedeutung kam dem Start zu. Angesichts der nahezu nicht vorhandenen Überholmöglichkeiten am Hungaroring mussten die Fahrer versuchen am Start, so viele Plätze wie möglich gutzumachen. Einen Vorteil hatten die drei KERS-Autos von McLaren und Ferrari. Den besten Start legte Räikkönen von Startplatz 7 hin. Der Finne hätte Webber auf Position 2 angreifen können, wenn da nicht Hamilton von der anderen Seite gekommen wäre.

Räikkönen ließ Hamilton den Vortritt, der danach kurzzeitig auf Platz 2 lag, dann aber Webber ziehen lassen musste. Der Finne wich unterdessen einer Kollision nach rechts aus, wodurch Vettel nach einem schwachen Start noch weitere Plätze verlor. Bei der Berührung trug Vettels Red Bull eine Beschädigung davon, die später sein Rennen beenden sollte. Von allem unbeeindruckt fuhr Fernando Alonso von der Pole Position davon.

Alonsos Chancen auf das erhoffte Podium zerschlugen sich bei seinem ersten Boxenstopp, den er als erster Fahrer in Runde 12 absolvierte. Das rechte Vorderrad wurde nicht richtig befestigt und der Spanier verlor auf seiner Outlap zunächst die Radkappe und dann das komplette Rad. Alonso schlich zwar auf drei Rädern an die Box zurück und probierte sich noch einmal mit einer geänderten Strategie, gab dann jedoch eine Runde später auf. Vor ihm hatte bereits Adrian Sutil seinen Force India in der Box abgestellt.

"Die Wassertemperatur war zu hoch, der Motor ist zu heiß geworden", erklärte Sutil seinen Ausfall. "Wir haben das schon auf der Einführungsrunde bemerkt und es am Start einfach probiert, aber es war klar, dass ich an die Box musste, sonst hätten wir den Motor verloren - das war es nicht wert."