Die Teamzentrale von Brawn GP in Brackley unweit Silverstone wird am kommenden Wochenende zum Party-Hauptquartier. Mitarbeiter mit ihren Familien und Partner des Teams werden sich dort bei Barbecue und Getränken das Rennen auf Großbildschirmen ansehen. Und natürlich werden sie darauf hoffen, dass Brawn GP seinen Siegeszug beim Heimrennen fortsetzt. Allen voran wird natürlich auf Jenson Button gehofft, der beim Heim Grand Prix seines Teams selbst zu Hause fährt. Sollten er oder Rubens Barrichello wirklich den Triumph mitnehmen, wäre es aber wohl auch der Sieg von Ross Brawn, der mittlerweile beinahe schon den Status eines Übergurus besitzt.

Die Geschichte vor dieser Saison ist hinlänglich bekannt. Im Winter stieg Honda aus der Formel 1 aus, lange musste die Mannschaft zittern, bevor es als Brawn GP weiterging. Der Erfolg kam und Brawn war der Mann, dem er zugeschrieben wurde. Das volle Vertrauen, das er heute besitzt, hatte er im Team aber nicht immer. "Wenn du ein Typ im Werk bist und jemand mit einem großen Namen taucht auf, dann erwartest du, dass er alles zum Besseren wendet. Zwölf Monate, nachdem ich angekommen war, lagen wir am Ende der WM und hatten ein mieses Auto. Ich sagte: 'Seid geduldig, wir schaffen das.' Aber wenn jemand dich nicht gut kennt, er das Detail nicht sieht, braucht das viel Vertrauen", erzählte Brawn dem Telegraph.

Keinen Unterschied gemacht

Dementsprechend sagten ihm damals auch ein paar Mitarbeiter, dass er eigentlich kaum einen Unterschied gemacht habe. Das respektierte Brawn auch, weil er versuchte, ihren Blickwinkel einzunehmen. "Als Honda ging, gab es wohl eine ganze Menge an Leuten, die dachten, ich hätte keinen Unterschied gemacht. Das war zu der Zeit sehr frustrierend." Dabei hatte er kurz davor noch große Pläne gehabt, um auch mit Honda nach vorne zu kommen. Er wollte die beste Ingenieure aus Japan auswählen und sie nach Brackley holen, um dort besser und schneller arbeiten zu können. Als er sich im November 2008 mit dem Honda-Vorstand traf, wollte er sich das absegnen lassen. "Stattdessen hieß es arrivederci. Ich kam mit einem Aktenkoffer voller neuer Pläne. Ich kam nicht dazu, ihn aufzumachen. Das war ein Schock."

Bei Ferrari und mit Michael Schumacher erlebte Ross Brawn eine tolle Zeit, Foto: Sutton
Bei Ferrari und mit Michael Schumacher erlebte Ross Brawn eine tolle Zeit, Foto: Sutton

Mittlerweile hat sich alles ein wenig geändert. Dem Schock ist der Erfolg gewichen und auch die Mitarbeiter in Brackley stehen voll hinter Brawn. Die Grafikabteilung kam sogar mit der Idee, Lorbeerkränze an die Wand zu hängen, wenn gewonnen wurde. Bei Ferrari seien zu diesen Anlässen immer Fahnen aufgehängt worden, erinnerte er sich. Ferrari will Brawn auch nie vergessen, es sei eine fantastische Erfahrung gewesen, die er nie bedauert habe. "Wundervolle Leute. Das wird mich nie verlassen. Ich habe immer noch viele Freunde dort; ich habe noch ein Haus in Italien. Als ich zu Ferrari kam, war ich bereit, eine andere Kultur zu erleben, war bereit eine andere Herausforderung anzunehmen. Für mich war das damals eine wundervolle Zeit."

Wahre Freunde

Als er dann eine freiwillige Pause bei der Scuderia einlegte, war ihm schon klar, dass er etwas Anderes tun wollte, auch wenn das Team das lange nicht glauben wollte. "Michael [Schumacher] war sich darüber aber immer im Klaren. Ich habe ihn nie gefragt, ob das bei seiner Rücktritts-Entscheidung einen Unterschied gemacht hat. Wir standen uns aber nahe. Ich weiß, wenn ich eine Krise in meinem Leben hatte, gab es nur wenige Leute, an die ich mich wenden konnte. Jean Todt ist einer, Michael wäre ein anderer, sie sind im wahrsten Sinne Freunde, bei denen man bedingungslose Unterstützung finden konnte", sagte Brawn.

Auf fahrerischer Seite hat er nach Schumacher nun einen anderen Piloten, der, zumindest in diesem Jahr, ähnlich dominieren kann. Und Brawn ist ebenfalls einer derjenigen, die Button hoch schätzen. So wusste er zunächst zwar nicht, wie es sein würde, mit ihm zu arbeiten, aber er hatte schon vor diesem Jahr einige starke Leistungen seines Landsmannes erlebt. "2004 war das einzige Team, das Ferrari und Michael das Leben etwas schwerer machte, BAR mit Jenson. Er hat uns in Imola im Qualifying geschlagen. Er machte keine Fehler und widerstand dem Druck. Was ich fand, als ich herkam, war ein Typ, der offen und ehrlich ist; eine echte, ehrliche Person. Michael war für mich genauso, sehr geradeheraus", erzählte Brawn.

Dieses Kribbeln

So habe er mit Schumacher immer offen über seine Gedanken sprechen können und Schumacher sei seinerseits auch immer ehrlich gewesen. "Wenn er einen Fehler machte, gab er das zu. Jenson ist genauso. Ich hasse es, wenn ein Fahrer sagt, er versteht nicht, was passiert ist, dass etwas falsch gelaufen sein muss. So verschwendet man Stunden. Voriges Jahr war das zweite in einem mittelmäßigen Auto - das kann einen fertigmachen. Dieses Jahr fließt auf natürliche Weise und es ist sehr beeindruckend. Die Qualifying-Leistungen bringen dir dieses Kribbeln. Er [Button] macht es ohne irgendwelche Umstände. Man sieht es einfach nicht kommen. Man würde nicht wissen, dass er auf einer fliegenden Runde ist. Es passiert einfach. Unglaublich."