Mit den Augen eines Racefans betrachtet, erleben wir in den letzten drei Saisonen die beste Formel 1 seit Jahrzehnten. Da war wirklich alles dabei: von verrückten Rennen, aufgehenden Sternen, gigantischen Stallduellen und vor allem: es war nie langweilig. Was für eine wohltuende Abwechslung zu den jahrelangen Prozessionen der Senna/Prost und dann der Schumacher-Ära. Die Formel 1 hat alles, um positive Schlagzeilen zu schreiben. Es fehlt ihr an nichts, um Hoffnungsmärkte zu erobern und eine Fanbasis nachwachsen zu lassen, die sie durch die nächsten Jahrzehnte trägt.

Rennen fahren sie auch...

Die F1-Saison 2009 bietet genügend Spannung auf der Strecke., Foto: Sutton
Die F1-Saison 2009 bietet genügend Spannung auf der Strecke., Foto: Sutton

Aber die Realität sieht anders aus: Tage und Wochen vor dem wichtigsten Rennen des Jahres sind die Zeitungen weltweit voll von Meldungen über angedrohte Ausstiege und Grabenkämpfe. Der sportliche Wettkampf - gerade in Monte Carlo immer noch ein wahnwitziges Unterfangen wie vor 50 Jahren - tritt völlig in den Schatten. Die Namen Mosley und Ecclestone haben fünf Mal mehr Presse als die Namen Button, Alonso oder Hamilton.

So nebenbei fährt man in China vor de facto leeren Rängen, wenn man die zwangsvergatterten Soldaten und Schulkinder mal abzieht. Einem hunderte Millionen teuren Projekt mit eingebautem Öko-Wahnsinn (meterhohe Styroporbasis unter der Rennstrecke mitten im Sumpf) wurde von Ecclestone bereits der verbale Todesstoß versetzt ("OK, Shanghai did not work"). In Nordamerika hat man es nach dem Indy-Debakel nun endgültig geschafft, die (gar nicht so kleine) Fangemeinde los zu werden. Im Mutterland England fährt man dem Zuseher mitten mit der Faust ins Gesicht. Menschen, die seit Jahrzehnten ein halbes Monatsgehalt hinlegen, um drei Tage im Regen von Silverstone zu frieren, sagt man mehr oder weniger: "Euch brauchen wir schon gar nicht. Hauptsache, wir können die anderen in unserem Privatduell vernichten."

Wo ist der Fannachwuchs?

Einen deutschen Sieganwärter., Foto: Sutton
Einen deutschen Sieganwärter., Foto: Sutton

Wen wundert es da, dass der Formel 1 das neue Fansegment weg bricht? Die jüngste nachweisbare Fanschicht ist heute über 30 Jahre alt. Das sind Menschen, die als Kinder für Senna geschwärmt haben und sich so richtig verliebt haben, als Schumacher seine Rekorde einfuhr. Aber wo sind die Teenies, die mit roten Ohren vor dem Fernseher sitzen, wenn ihr Star ein Rennen anführt? Die am Freitag Schule schwänzen, um heimlich Formel 1 zu schauen? Die Formel 1 hat vor lauter Größenwahn in den letzten 15 Jahren ihre Kinder vergessen. Und da es sowieso immer nur ums Geld geht, wundere ich mich, dass sich die Vorstände der Autokonzerne das gefallen lassen. In den USA gilt seit jeher - auch jetzt in der Krise - "win on Sunday, sell on Monday".

Dass Giganten wie Toyota, Renault oder Mercedes kein Angebot an junge Autokäufer bieten wollen, ist mir einfach nur schleierhaft. Natürlich gibt es jugendliche Ausnahmen - und einige davon werden wie üblich im Forum sehr pointierte und gute Kommentare loslassen. Ihnen sei gesagt: Ihr seid die löbliche Ausnahme, aber als ich ein Teenager war, wussten alle meine Klassenkameraden, dass Niki Lauda einen TAG-Turbo im Heck hat, den Porsche gebaut hatte. Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Und das ist nicht abwertend gemeint. Der Fußball hat es ja geschafft. Dort strömen seit Jahren immer mehr Jugendliche und Frauen in die Stadien. Und Cristiano Ronaldo kennt sogar meine Mutter.

Den Zug verpasst

Außenseiter an der Spitze., Foto: Sutton
Außenseiter an der Spitze., Foto: Sutton

Wie ahnungslos und betriebsblind Entscheidungsträger sein können, zeigt das Beispiel Honda. Das ist für mich der Treppenwitz der Geschichte. Bei allem Respekt für japanische Management-Schule, aber es hätte viele Szenarien gegeben, den Brawn-Erfolg für Honda zu reklamieren. Schließlich hat man den Laden doch auch hochgefahren und die Rechnungen bezahlt. Stattdessen reden alle vom Genie Ross Brawn und Honda lässt sich von Ecclestone sogar noch die rechtmäßig erworbenen TV- und Preisgelder aus der Tasche ziehen. Dabei sind die Japaner wenigstens noch mit Herzblut dabei. Als bei einer Ford-Vorstandssitzung vor etwa 10 Jahren die Gehälter der Spitzenmanager im Konzern diskutiert wurden, zog einer eine Liste mit den Top-Verdienern hervor. Auf Platz 2 war einer, den einige Herren im Vorstand noch nie gehört hatten. "Wer, verdammt noch mal, ist dieser Edmund Irvine?", soll einer gesagt haben. Eddie Irvine fuhr damals gut bezahlt im Jaguar-Team, das zum Konzern gehörte.

Geld für Bernie

In Monaco steht ein heißes Wochenende bevor. Die interne Machtaufteilung ist zerbrochen. Ein Patriarchat mit Übervater Bernie an der Spitze funktioniert nicht mehr. Bernie ist bald 80. Da wird man für Jüngere irgendwann zum leichten Gegner. Und seine Freunde von CVC, denen er den Laden für immenses Geld verscherbelt hat, japsen im Moment nur nach Luft. Sie sind das Paradebeispiel jener, die für die weltweite Krise mitverantwortlich gemacht werden.

Ehemalige Topteams auf der Jagd., Foto: Sutton
Ehemalige Topteams auf der Jagd., Foto: Sutton

Bernie selbst, der zu Recht im Glauben ist, die wunderbare Welt der Formel 1 sei sein Werk, ist angeschlagen. Eine Milliarde weniger durch die Scheidung muss auch er mal verkraften. Die Teams befreien sich langsam aus dem Würgegriff. Der Vorschlag, die Teams sollten doch dafür zahlen, wenn sie in Silverstone so gerne fahren wollen, kam auch nicht so gut an. Ist doch schließlich nicht Bernies Problem. Und Valencia und Singapur legen ihm ja auch 50 Millionen auf den Tisch. Jedes Jahr. Fragen?

Es gibt nur eine Formel 1

Für mein Dafürhalten wird es trotzdem keine Konkurrenzserie geben. Genau so wenig wie die zwei unterschiedlichen Reglements durch das Budget Cap. Die Teams sind intern stärker vernetzt denn je. Und dafür ist nur Ferrari zuständig. Die Mauer des Schweigens über Geheimabkommen mit der FIA (als einziges Team Vetorecht bei Änderungen im technischen Reglement!) ist zerbröckelt. Ferrari spielt in der Post-Todt-Ära mit offeneren Karten. Denn Luca di Montezemolo ist ein kluger Mann. Es hat ihn jahrelang offensichtlich angekotzt, dass man für den Preis der Erfolgs jeden Pakt mit dem Teufel einging. Man mag auf Ferrari heuer hinhauen, weil da einiges unrund läuft. Aber mir ist dieses Team zehnmal lieber als noch vor fünf Jahren.

Ferrari hat übrigens zuletzt wie immer Rekord-Umsätze gemeldet. Die allgemeine Wirtschaftskrise hat zwar Auswirkungen auf die Formel 1. Aber wie oben angeführt sind die meisten Probleme hausgemacht. Oder wussten Sie, dass der Toyota-Konzern - ein gnadenloser Geldverbrenner - jährlich mehr Geld nur an Bankzinsen verdient als in der Formel 1 ausgegeben werden?