Warum möchte Ferrari aussteigen?

Ferrari wehrt sich gegen die Einführung einer Budgetobergrenze und ganz besonders der damit verbundenen Zweiklassen-F1. Ab dem kommenden Jahr, so sieht es Max Mosleys Regelwerk vor, dürfen Teams wählen, ob sie entweder wie bisher mit einem unbegrenztem Budget antreten oder mit einer überwachten Budgetobergrenze von 40 Millionen Pfund (exklusive Ausgaben für Motoren, Marketing, Fahrergehälter und Streckenbewirtung). Wer sich für das Budgetlimit entscheidet, erhält als Zuckerl einige technische Freiheiten eingeräumt, welche die anderen Teams nicht erhalten.

"Wenn die Regeln für 2010 nicht geändert werden, wird Ferrari seine Autos nicht für die nächste Formel 1 WM einschreiben", drohte die Scuderia am Dienstag in einem Presseschreiben, das die offizielle Meinung von Präsident Luca di Montezemolo und des Ferrari-Vorstands ausdrückte.

Was macht Ferrari so besonders?

Ferrari ist in Italien ein Heiligtum., Foto: Sutton
Ferrari ist in Italien ein Heiligtum., Foto: Sutton

Ferrari ist das einzige Team respektive der einzige Hersteller, der ununterbrochen seit der allerersten Formel-1-Saison vor 60 Jahren in der Königsklasse vertreten ist. Zwar verpasste Ferrari den ersten Grand Prix 1950 in Silverstone, trat aber danach ab dem zweiten Rennen bei fast allen Grand Prix an. Gleichzeitig rankt ein Mythos um den Rennstall aus Maranello, der in Italien von den Tifosi vergöttert und fast schon zur Religion ausgerufen wird. Einen großen Teil trug dazu der Gründer Enzo Ferrari bei, der allen nur als Commendatore in Erinnerung geblieben ist. Insgesamt gewann das Team 16 Konstrukteurs- und 15 Fahrer-WM-Titel.

Warum wollte Ferrari schon mal aussteigen?

Es ist nicht das erste Mal, dass Ferrari mit den Säbeln rasselt. Vor einigen Jahren schlossen sich die Hersteller zur GPWC (später GPMA) zusammen. Das Ziel war es, eine gerechtere Einnahmenverteilung zu erzielen und notfalls eine eigene Rennserie zu gründen, für welche sogar schon erste Pläne ausgearbeitet wurden. Letztlich kam es zu einer Einigung zwischen der GPMA, der FIA und dem Rechteinhaber CVC. Ferrari wechselte die Seiten und erhielt im Gegenzug bestimmte Mitspracherechte, unter anderem ein Vetorecht bei Regeländerungen, darauf pocht Luca di Montezemolo bei der Budgetgrenze. Max Mosley stellt diese hingegen als eine Alternativlösung mit Belohnung für alle Teilnehmer dar. Wer nicht mitmache, für den verändere sich auch nichts.

Enzo Ferrari begründete den Mythos von Maranello., Foto: Phipps/Sutton
Enzo Ferrari begründete den Mythos von Maranello., Foto: Phipps/Sutton

Ferrari veranstaltete aber schon viel früher Drohgebärden. 1986 baute Konstrukteur Gustav Brunner ein Ferrari Indycar nach CART-Reglement, das einen 2,65 V8 Ferrari Turbo Motor besaß und sogar den Journalisten präsentiert wurde. Das Debüt verzögerte sich und angeblich wollte man damit die FIA unter Druck setzen, um auch weiterhin V12-Motoren zu erlauben. Bis dahin waren für das Motorenreglement ab der Saison 1989 nur 3,5 Liter V8-Motoren vorgesehen. Letztlich ließ die FIA Zwölfzylinder erlaubt, so dass Ferrari einige Jahre länger am Heiligtum festhalten und Hersteller wie Honda und Renault die bald dominierenden Zehnzylinder bauen konnten.

In der Saison 1964 protestierte Ferrari auf andere Weise, diesmal nicht gegen den Weltverband, sondern gegen den italienischen Automobilverband. Weil es Streitigkeiten bei der Homologation des neuen Ferrari gab, trat das Team in den letzten beiden Rennen nicht im traditionellen Ferrari-Rot an, sondern im Weiß und Blau des NART-Teams aus den USA.

Steigt Ferrari Ende 2009 aus?

Noch vor der Ausstiegsandrohung der Scuderia im Falle einer Zweiklassen-F1 ließ Bernie Ecclestone durchblicken, dass es nie soweit kommen werde. "Ferrari ist nicht dumm. Sie wollen die Formel 1 nicht verlassen und wir wollen sie nicht verlieren", wurde er in der Times zitiert. In Reihen der FIA gab man sich ebenfalls gelassen, schließlich gab das Presseschreiben genau das wieder, was Montezemolo bereits zuvor in seinem Briefwechsel mit Mosley kundgetan hatte.

Alte Verbündete, neue Feinde: Ferrari und die FIA liegen sich in den Haaren., Foto: Sutton
Alte Verbündete, neue Feinde: Ferrari und die FIA liegen sich in den Haaren., Foto: Sutton

Grundsätzlich ist klar: Ferrari sagt nur das öffentlich, was alle anderen Teams denken und mit Toyota sowie Red Bull am vergangenen Wochenende auch ein Hersteller und ein Privatteam schon gesagt haben - eine Zweiklassen-F1 gibt es nur über ihren Ausstieg. Ob die von einander unabhängigen Äußerungen nun ein cleveres Spiel sind oder nur die Uneinigkeit in der FOTA wiedergeben, bleibt dahingestellt. Wichtig ist: Die Budgetgrenze an sich ist nicht das Problem, höchstens die Höhe und vor allem die Begleiterscheinungen (zweigeteiltes Reglement).

"Es sind wohl Drohgebärden", meint Ex-Teamchef Eddie Jordan. "Früher hat die Formel 1 Ferrari gebraucht, heute ist es durch die vielen neuen Teams so spannend, dass Ferrari die Formel 1 braucht." Demnach glaubt er nicht an einen Rückzug. "Sie werden nie aussteigen, sie stecken bis zum Hals in der Formel 1. Es ist ihr einziges Marketingprogramm."

Im Presseschreiben kündigte Ferrari versteckt an, dass man sich nach anderen Betätigungsfeldern im Motorsport umsehen werde. Mit der A1GP Serie beliefert man bereits seit der kürzlich beendeten Saison 2008/2009 eine andere Rennserie und auch im GT-Sport ist Ferrari vertreten. Etwas Ebenbürtiges zur Formel 1 wird man jedoch nirgends finden, noch nicht einmal ein ernstzunehmender Ersatz für das Indycar-Druckmittel vergangener Streitigkeiten scheint vorhanden zu sein.

Was ist der Ausweg?

Ferrari zieht die meisten Fans an die Strecke., Foto: Sutton
Ferrari zieht die meisten Fans an die Strecke., Foto: Sutton

Die Lösung wird wohl wie immer in einem Kompromiss liegen: Alle Teams schließen sich einer neu definierten Budgetgrenze an, die vielleicht etwas höher liegt als jetzt (Ecclestone und Mosley haben hier bereits Verhandlungsbereitschaft angedeutet) und über die kommenden Jahre kontinuierlich gesenkt wird (das bezeichnen FOTA-Verantwortliche wie Briatore und Theissen als einzige vernünftige Lösung).

Das würde bedeuten: Es gäbe keine zwei verschiedenen Reglements, die Fans verwirren und Ergebnisse strittig machen würden, und die Budgets würden im Jahr 2010 mit 50 oder 60 Millionen Pfund plus die Extras (Motoren, Marketing, Fahrergehälter) gar nicht so weit von den heutigen entfernt liegen. Damit könnten sich auch große Teams wie BMW Sauber, McLaren Mercedes und wohl auch die Scuderia Ferrari anfreunden.