Rubens Barrichello wollte gewinnen. Schon am Samstag kündigte er einen Kampf um den Sieg an, trotz Startplatz drei. Genau so legte er los: Noch vor der ersten Kurve schob er sich von Position 3 an Sebastian Vettel und Jenson Button vorbei in Führung. Bis zum ersten Boxenstopp schien alles für den Brasilianer zu laufen. Dann stellte sein Teamkollege Button auf Plan B um.

Während Barrichello auf drei Stopps setzte, wechselte Button auf zwei Stopps und ging so in Führung. Bis zu seinem zweiten Stopp konnte Barrichello noch schnelle Rundenzeiten fahren, danach verlor er zu viel Zeit, um Button hinter sich zu halten. Dennoch reichte es zum Doppelsieg für Brawn GP, wenn auch nur knapp: Mark Webber kam nur 0,8 Sekunden hinter Barrichello ins Ziel. "Ich kam an Rubens ran, aber er fuhr genauso viele Runden wie ich und ich kam nicht mehr vorbei", sagte Webber.

"Drei Stopps waren der erste Plan", erklärte Ross Brawn seine Taktik. "Aber wir mussten mit Jenson auf zwei gehen, weil er im Verkehr steckte." Button zweifelte zunächst an dieser Variante. "Aber es hat geklappt und ich konnte gute Runden abspulen. Der Sieg beim Europaauftakt bedeutet mir sehr viel. Es ist ein super Gefühl", freute sich Button. "Das gibt mir Zuversicht und Selbstvertrauen für den Rest der Saison

Für den Speedeinbruch bei Barrichello machte Brawn einen schlechten zweiten Reifensatz verantwortlich. "Zu Beginn hatte ich ein gutes Gefühl, war schneller als Jenson und hatte zwei Runden mehr Sprit als er, aber dann konnte ich mit dem zweiten Reifensatz die Pace nicht aufrecht erhalten und hatte auch mit dem letzten Reifensatz zu kämpfen, das Auto auf der Strecke zu halten." So gesehen sei er erleichtert über Platz 2.

Chaos am Start

Jenson Button hatte in der ersten Kurve Chaos befürchtet, doch glaubte er, dass Felipe Massa mit KERS für Unruhe sorgen würde. Stattdessen knallte es dahinter: Nico Rosberg zwang Jarno Trulli nach rechts, von wo er zurück kam und in Adrian Sutils Force India krachte. Der Deutsche war nur in dieser Position, weil er die erste Kurve abkürzte. Hinter Trulli und Sutil rauschten die beiden Toro Rosso ineinander. Nach wenigen hundert Metern waren somit vier Autos aus dem Rennen.

"Mein Start war recht schlecht, weil der Motor stecken blieb", erklärte Trulli. "Ich habe Positionen verloren und in der ersten Kurve waren Alonso und Rosberg nebeneinander. Rosberg musste aufmachen, Alonso und ich blieben auf der Strecke, aber Rosberg war zu schnell, als er wieder auf die Strecke kam und fuhr in mich rein. Ich habe dann das Auto verloren, wenn überhaupt war es Rosbergs Schuld."

Adrian Sutil bemerkte das Übel erst, als es schon zu spät war. "Jarno hat sich voll in mein Auto reingedreht", so Sutil. "Bis zum Einschlag habe ich nichts mitbekommen. Das ist sehr enttäuschend, denn wir müssen die Rennen zu Ende fahren, um eine Chance zu bekommen."

Spritdrama bei Ferrari

Die Pace war besser, doch das Glück war Ferrari erneut nicht hold. Kimi Räikkönen fiel früh wegen eines technischen Defekts aus, wobei sein KERS von Beginn an nicht funktioniert hat. Felipe Massa lag vor Sebastian Vettel auf Platz 4, bekam in den letzten 15 Runden jedoch immer wieder Funksprüche, dass er Benzin sparen müsse, um nicht noch einen Stopp einlegen zu müssen. Vier Runde vor Ende musste Massa den Red Bull ziehen lassen, um in den Schlussrunden genügend Sprit zu sparen. In der letzten Runde kassierte auch Fernando Alonso den schleichenden Ferrari von Massa.

"Das war nur eine Benzingeschichte. Es war für ihn schwer, an mir vorbeizukommen", erklärte Massa. "Er war das ganze Rennen hinter mit. Ich musste am Ende zurückstecken, sonst wäre ich ohne Sprit dagestanden." Niki Lauda sah sich in seiner Meinung bestätigt: "Die Ferraristi sind wieder voll italienisch", ulkte Lauda. "Jean Todt ist weg. Der hat die aus der Nummer raus gebracht und mit Michael Schumacher ein Rennen nach dem anderen gewonnen. Sie müssen schauen, dass sie das wieder hinbekommen. Der Speed ist wieder da, jetzt müssten sie halt noch genug ins Auto tanken."

Während sich Massa und Vettel das gesamte Rennen über duellierten, war Mark Webber der lachende Dritte: Der Australier stoppte erst in Runde 50 zum zweiten Mal und fuhr so an beiden vorbei auf den letzten Podiumsplatz. Vettel verpasste seine Chance im Kampf um die vorderen Plätze zum zweiten Mal in Folge am Start. Sowohl Barrichello als auch Massa überholten den Deutschen noch vor der ersten Kurve.

"Wir sind zufrieden, zwei Autos im Ziel zu haben, mit der Platzierung sind wir es aber nicht", bilanzierte Helmut Marko. "Ferrari hat unser Rennen zerstört. Es ärgert uns auch, dass Ferrari so wenig Benzin eingefüllt hat, nur um vorne zu bleiben. Wir hätten Brawn attackieren können."

Hinter Vettel, Alonso und Massa gingen die letzten beiden Punkteränge an Nick Heidfeld und Nico Roserg. Lewis Hamilton scheiterte als Neunter knapp an einem Pünktchen, wurde vom Sieger Button sogar überrundet. "Wenn nicht mehr als Platz neun samt Überrundung geht, dann ist das meilenweit von unseren Zielen entfernt - in spätestens zwei Monaten muss das ganz anders aussehen", forderte Norbert Haug. "Brawn ist weiter klar die Messlatte im Feld und wir freuen uns natürlich sehr, dass wir bei vier Siegen in bisher fünf Rennen mit unserem Motor den Antrieb liefern konnten."