Was steht auf der Tagesordnung?

Alles spricht nur über die Entscheidung in der Lügen-Affäre rund um McLaren und Lewis Hamilton, "aber es geht nicht nur darum, es gibt noch viele andere Themen", betont Norbert Haug. Alle sind nicht bekannt, einige aber schon: So wird der Weltrat über die neuesten Regeländerungen für die Saison 2010 und darüber hinaus befinden. Möglicherweise wird die von Max Mosley vorgeschlagene Budgetobergrenze festgezurrt, obwohl sich die Teamvereinigung FOTA Bedenkzeit erbeten hat, um bei ihrem nächsten Meeting am 6. Mai über eine genaue Summe zu diskutieren. Bislang wurde über 33 Millionen Euro gesprochen, wobei alle Teams, die sich dieser Grenze unterwerfen, besondere technische Freiheiten erhalten sollten.

Wer sitzt im FIA World Motor Sport Council?

Der WMSC entscheidet über eine Bestrafung von McLaren und neue Regeln., Foto: FIA
Der WMSC entscheidet über eine Bestrafung von McLaren und neue Regeln., Foto: FIA

Der WMSC ist für alle Aspekte des internationalen Motorsports verantwortlich und trifft sich mindestens vier Mal im Jahr, um über Regeln, Sicherheitsbestimmungen und die Entwicklung des Rennsports zu entscheiden. Er setzt sich zusammen aus dem FIA-Präsidenten Max Mosley, dessen Stellvertreter für Sport, den sieben Vizepräsidenten und 17 Mitgliedern, die einer nationalen Sporthoheit angehören müssen, die mindestens ein Event im internationalen Rennkalender ausrichtet. Zu den insgesamt 27 Mitgliedern gehören auch Bernie Ecclestone und der Präsident der Herstellerkommission respektive ein Vertreter von Ferrari. Für McLaren wird nur Teamchef Martin Whitmarsh an der Anhörung teilnehmen.

Warum ist McLaren vorgeladen?

Jarno Trulli kam in der letzten Safety-Car-Phase des Australien GP von der Strecke ab und wurde von Lewis Hamilton überholt. Dieser ließ den Italiener wieder vorbei. Vor den Rennkommissaren dementierte Hamilton, dass er Trulli freiwillig vorbeigelassen habe, womit dieser eine 25 Sekunden Zeitstrafe erhielt und Hamilton auf Platz 3 vorrückte. Toyota legte gegen diese Entscheidung Protest ein und ging gegen die Abweisung der Kommissare in Berufung, zog diese aber in der Woche danach zurück. Stattdessen gab es in Malaysia eine neuerliche Anhörung mit den Rennkommissaren aus Australien. Das Ergebnis: Hamilton soll auf Anweisung von Sportdirektor Dave Ryan die Rennkommissare absichtlich falsch informiert haben. Trulli bekam seinen 3. Platz zurück, Hamilton wurde disqualifiziert.

Was sind die Anklagepunkte?

McLaren soll Artikel 151c des Internationalen Sporting Codes gebrochen haben. Dieser besagt, dass jedes "betrügerische Verhalten oder Handeln, das gegen die Interesse eines Mitbewerbers oder des Motorsports im Allgemeinen ist", bestraft werden darf. Es gibt fünf Anklagepunkte:

  • McLaren sagte den Rennkommissaren in Melbourne am 29. März, dass sie Hamilton nicht angewiesen haben, Trulli zu überholen, als beide hinter dem Safety Car waren, und sie wussten, dass diese Aussage falsch war.
  • McLaren hielt Hamilton dazu an, diese unwahre Aussage zu unterstützen und sie gegenüber den Rennkommissaren zu bestätigen.
  • McLaren versuchte nicht, die Situation richtig zu stellen, in dem sie die FIA kontaktierten, obwohl sie wussten, dass ein anderer Fahrer und ein andres Team (Trulli und Toyota) in Folge der unwahren Aussage unfairerweise bestraft wurden.
  • Bei einer zweiten Anhörung beim Malaysia GP am 2. April hielt McLaren daran fest, dass ihre Aussage richtig sei, obwohl ihnen eine Aufnahme vorgespielt wurde, in der das Team Hamilton anwies, Trulli vorbeizulassen.
  • McLaren hielt Hamilton auch in Malaysia dazu an, "die Korrektheit der falschen Aussage aufrechtzuerhalten, während man bereits wusste, dass das, was er den Rennkommissaren sagte, nicht wahr war".

Welche Strafen sind möglich?

Der Place de la Concorde in Paris wartet auf den Tag der Entscheidung., Foto: Sutton
Der Place de la Concorde in Paris wartet auf den Tag der Entscheidung., Foto: Sutton

Das Strafmaß ist nicht festgelegt. Es reicht von einer simplen Ermahnung über Geldstrafen und Punktabzüge bis hin zu Rennsperren und einem WM-Ausschluss. Neben dem Team könnte auch Hamilton bestraft werden. In der Saison 2007 wurden McLaren in Folge der Spionageaffäre (nach Artikel 151c) alle Konstrukteurs-WM-Punkte aberkannt und das Team zu einer Geldstrafe von 100 Millionen US-Dollar verdonnert. In der Saison 2005 wurde British American Racing wegen eines irregulären Tanks beim San Marino GP für zwei Rennen gesperrt.

Was sind mögliche Folgen einer Bestrafung?

Sollte McLaren als "Wiederholungstäter", wie das Team von einigen Experten und selbst Bernie Ecclestone bezeichnet wird, erneut eine harte Strafe erhalten, droht Motorenpartner und Teilhaber Mercedes mit einem Rückzug aus der Formel 1. "Bei einem unangemessenen Urteil der FIA könnten wir unser Formel 1-Engagement überdenken", kündigte Daimler-Vorstand Dieter Zetsche an. Wenige Tage zuvor hatte Betriebsratschef Helmut Lense einen Rückzug aus der Königsklasse gefordert, weil die Belegschaft angeblich nicht dahinter stehe.

Wie fällt das Urteil aus?

McLaren baute in den letzten Tagen und Wochen vor: Sportdirektor Dave Ryan wurde entlassen. Er soll Hamilton zu der Falschaussage verleitet haben. Martin Whitmarsh schrieb einen Entschuldigungsbrief an FIA-Präsident Max Mosley. Den Inhalt wollte er vor der Sitzung in Paris nicht öffentlich bekannt geben. Gleichzeitig kündigte Whitmarsh an, alles zu tun, was die FIA wolle und alleine zur Anhörung zu erscheinen - ohne Anwälte und Teammitglieder im Schlepptau.

Die Reue und demütige Haltung sollen Insidern zu Folge positiven Einfluss auf ein mildes Urteil haben. Das erwartet auch Bernie Ecclestone. "Ich bin absolut überzeugt, dass Mercedes dies als fair für alle ansehen wird und sollte es eine Strafe geben, dann wird sie fair sein und ich bin mir sicher, jeder wird das unterstützen", konterte er die Rückzugsspekulationen.

Ebenfalls helfen soll der komplette Rücktritt von Ex-Teamboss Ron Dennis, der am 1. März die Position des Teamchefs an Whitmarsh übergeben hat und vor dem China GP auch als McLaren-Boss zurücktrat. Dennis ist seit Jahren Widersacher von Mosley und obwohl er offiziell meinte, seine Entscheidung habe nichts mit der Verhandlung zu tun, ist davon auszugehen, dass McLaren auf diese Weise einer erneuten Bestrafung wegen der Reizfigur Dennis aus dem Weg gehen wollte. Schon in der Vergangenheit wurde darüber spekuliert, dass die McLaren-Strafen nur wegen der Antipathien zwischen Mosley und Dennis so hoch ausfielen.

"Wir können momentan nur spekulieren, ob McLaren Mercedes bestraft wird", sagt Ex-Weltmeister Jackie Stewart, selbst kein guter Freund des FIA-Präsidenten. "Sollte die FIA eine Strafe aussprechen, dann hoffe ich, dass das Ausmaß realistisch bleibt. Ich bin gegen Lügen, aber dennoch sollte es bei der Strafe gerecht zugehen."