Ein gutes Rennen, ein großer Schritt, aber ein Schritt auf einem sehr langen Weg. Für Sebastian Vettel ist der Sieg in China dank der kurzen Zeitspanne seither noch mitten ins Gedächtnis gebrannt. Es wird ihm aber auch schwer gemacht, nicht daran zu denken, schließlich wird er ständig danach gefragt. Dabei war für den Deutschen selbst eigentlich kaum Zeit, um sich selbst darüber Gedanken zu machen. "Ich hatte gar keine Zeit, alles so zu realisieren. Wir waren natürlich am Abend noch feiern, haben alles ausklingen lassen, ein bisschen gefeiert, ein bisschen was getrunken. Ich habe mich da aber zurückgehalten, um in Bahrain nicht all zu schlecht dazustehen. Aber als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, hatte ich natürlich ein breites Grinsen im Gesicht und habe mich gefreut", erzählte Vettel gegenüber RTL.

Der Pokal und der aufgehobene Rennanzug vom Sieg halfen dabei, den Tag danach gut beginnen zu lassen und Erinnerungsstücke wie diese beiden machen ihm eine besondere Freude. "Das hat weniger was mit Aberglauben zu tun, als viel mehr mit der Erinnerung an das Ereignis selbst, egal ob man Erster, Zweiter oder Zehnter damit geworden ist. Wer weiß, in fünf, zehn Jahren kann man zurückschauen und sagen, diesen Anzug habe ich damals in China getragen, als ich das erste Rennen für Red Bull Racing gewonnen habe." Die eigentlichen Gefühle direkt nach dem Sieg sind mittlerweile aber wieder Alltag gewichen, denn Bahrain stand sofort wieder auf dem Programm und die Vorbereitung darauf hatte Priorität. So spürte er zwar etwas mehr Rückenwind und Selbstvertrauen, aber im Endeffekt musste er sich rasch auf das nächste Rennen konzentrieren und hinter China einen Haken setzen, meinte Vettel.

SMS, Telefon, E-Mail...

Dank der Reaktionen aus der Heimat wurde das dem Deutschen aber nicht so einfach gemacht. Als das Rennen in Shanghai zu Ende war, begann in Deutschland gerade erst der Tag, weswegen Vettel die ganze Nacht Nachrichten bekam. Rund 80 SMS zählte er am Ende und das Telefon klingelte ohnehin ständig. E-Mails von Fans seien auch viele gekommen. "Alle hätten es vor Spannung kaum ausgehalten, haben sie meist geschrieben. Und wenn man so etwas hört, gibt es einem natürlich noch mehr Selbstvertrauen", erzählte er. Mit seiner Familie kam Vettel allerdings nur schwer in Kontakt, da er im Paddock die ganze Zeit eingespannt war und im Hotel dann ständig das Telefon läutete. "Dann habe ich natürlich als Erstes mit meiner Familie telefoniert, ganz klar! Da gibt es aber keine spezielle Reihenfolge. Klar redet man mit Mama, Papa und mit dem kleinen Bruder, wenn der da ist. Ansonsten habe ich nach dem Sieg am Sonntag noch mit Didi Mateschitz gechattet, der sich natürlich auch gefreut hat, dass sein Team gewonnen hat."

Schnell musste Vettel wieder in den Alltag zurückkehren, Foto: Sutton
Schnell musste Vettel wieder in den Alltag zurückkehren, Foto: Sutton

Denn auch für Mateschitz sei es die Verwirklichung eines Traums gewesen, musste Vettel anmerken. Auch ehemalige Rennfahrer-Kollegen aus früheren Formel-Serien durften mit dem China-Sieger kommunizieren. Gefeiert hätte er aber am liebsten mit der Familie, die früher zu Kart-Zeiten immer dabei war, jetzt aber klarerweise nicht jedes Rennen besuchen kann. In Europa wird sie aber ein paar Mal zu Besuch sein. Und dort wird Vettel wohl auch groß gefeiert werden, vor allem wenn in Deutschland gefahren wird. Auf seine Heimat freut er sich zwar sehr ("Zuhause ist es am schönsten."), als Star fühlt er sich aber nicht. "Es ist für mich immer noch komisch, wenn mich jemand erkennt und dann nach einem Autogramm fragt. Ich bin da sehr schüchtern in der Hinsicht. Im Prinzip möchte ich hier mein Zeug machen und ich genieße mein Leben, meinen Sport und lebe für meinen Sport. Es ist mir in der Hinsicht eher ein bisschen unangenehm. Wie ein Superstar fühle ich mich überhaupt nicht", sagte er.

Man kann es nicht jedem Recht machen

Er selbst hielt sich auch nicht für besonders bekannt und erwartete von niemandem, dass er seinen Namen kennt. Viel mehr sei es für ihn eine Überraschung, wenn ihn jemand anspreche. "Es ist ja auch in gewisser Weise eine Ehre, wenn man von jemand angesprochen wird, der dein Autogramm haben will. Das freut auch. Das ist schon OK, wenn mal jemand kommt und fragt." Wichtiger als Autogramme ist für Vettel aber sein klares Ziel und das, was er dafür machen muss. Neben dieser Einstellung sei er einfach der, der er sei, was seiner Ansicht nach manchen gefallen mag und anderen nicht. "Man kann es nicht jedem Recht machen. So wie ich aufgewachsen bin, weiß ich aber ganz genau, dass ich keinen Grund habe, in irgendeiner Weise abzuheben oder mich für was Besseres zu halten", betonte er.

Er sah es viel mehr so, dass er wohl das Glück hatte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein und nun mit der Sache, die ihm am meisten Spaß mache, Geld verdienen könne. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Egal ob im Sport oder in irgendeinem anderen Beruf: Wenn man jeden Tag aufwacht mit dem Gefühl, befreit leben zu können und keinen Zwang verspürt, ist das das Beste, was einen passieren kann." Noch besser wäre es nur, wenn er noch irgendwann den Weltmeister-Titel holen könnte, denn das ist Vettels großer Traum. Geld spielt beim Punkt "Wünsche oder Träume" für ihn keine große Rolle. "Sicher gibt es Sachen, die man sich zur Belohnung kauft. Hier in Bahrain waren wir auch in einem Einkaufszentrum und da habe ich mir eine Pyjama-Hose gekauft. Das ist wohl eher bescheiden, aber ich finde sie bequem. Und so was freut mich dann. Es sind eher noch bescheidene Träume. Ich träume nicht von Yachten. Das ist für mich viel zu weit weg."