Der Formel-1-Tross nähert sich Europa. Nach den Überseerennen in Australien, Malaysia und China ist die lustige Reisetruppe im Mittleren Osten angekommen. Für die europäischen Fans bedeutet dies vor allem eins: Nur eine Stunde Zeitunterschied. Bahrain ist Mitteleuropa sogar um eine Stunde voraus. Für die Piloten bedeutet es hingegen, dass sie auf einer Wüsteninsel fahren und neben hohen Temperaturen auch viel Sand in Kauf nehmen müssen.

"Der Wind kann in Sakhir eine wichtige Rolle spielen, denn er beeinflusst die Balance der Autos", erklärt Robert Kubica." Das gilt jedoch auch in Barcelona und auf vielen anderen Rennstrecken. "Zusätzlich bläst der Wind Sand auf Teile der Strecke, was für variierende Grip-Bedingungen sorgt." Das ist in Bahrain besonders knifflig. In der Regel verbessert sich die Strecke zwar im Verlauf des Tages, "nichtsdestotrotz kann wegen des Sandes der Reifenverschleiß recht hoch sein", erklärt Willy Rampf. "Das spielt bei der Rennstrategie eine wichtige Rolle."

Eine Frage der Strategie

Also mitten rein ins Vergnügen: Für eine optimale Rennstrategie zeichnen immer mehrere Faktoren verantwortlich. Dazu gehören die Länge der Boxenstraße und deren An- sowie Ausfahrt, der Spritverbrauch, der Reifenverschleiß und nicht zuletzt die Wahrscheinlichkeit von Safety-Car-Phasen. Letztere ist in Bahrain eher gering. Schließlich handelt es sich um eine permanente Rennstrecke, zwar in der Wüste, aber dennoch permanent, ohne gefährliche Mauern oder sonstige Stadtkurs-ähnliche Elemente.

Ferrari hat zusammen mit Toyota und BMW Sauber schon mit den neuen Autos in Bahrain getestet., Foto: Sutton
Ferrari hat zusammen mit Toyota und BMW Sauber schon mit den neuen Autos in Bahrain getestet., Foto: Sutton

Entsprechend gab es seit dem Debütrennen 2004 nur eine einzige Safety-Car-Phase in Bahrain, nämlich im Jahr 2007. In den ersten drei Saisonrennen dieses Jahres gab es hingegen schon deren fünf! Das letzte Rennen in China wurde sogar hinter dem Safety Car gestartet.

Aber zurück zu den restlichen Faktoren, welche die Strategie beeinflussen. Die Fahrer verlieren in der Boxengasse rund 23 Sekunden, was bezogen auf die anderen 16 Strecken dieses Jahres der fünfthöchste Wert ist. Für die gut 5 Kilometer lange Strecke benötigen die Fahrzeuge im Normalfall rund 2,66 kg Sprit, was einem Durchschnitt von 2,42 kg für 5 Kilometer auf allen Saisonstrecken gegenübersteht. Damit ist die Strecke die viertsparsamste im gesamten Kalender.

Eine Frage des Mutes

Die Fahrermeinungen zum Kurs variieren. "Ich mag die Strecke, auch wenn sie nicht allzu anspruchsvoll ist", sagt etwa Robert Kubica. "Es gibt einige lange Geraden und drei charakteristische langsame Kurven, die man hart anbremsen muss." Fernando Alonso hält den Bahrain International Circuit hingegen sehr wohl für anspruchsvoll. "Es gibt einige gute Überholmöglichkeiten, vor allem vor Turn 1 und Turn 4. Der Kurs beansprucht die Bremsen sehr stark, weil wir pro Runde mehrfach aus hohen Geschwindigkeiten verzögern."

Bahrain bot deshalb in den vergangenen Jahren oftmals den Schauplatz für spannende Rennen und verhältnismäßig viele Überholmanöver, nur im letzten Jahr gab es die berüchtigte Ausnahme von der Regel - und ein realtiv ereignisloses Rennen. Jenson Button bestätigt dennoch Alonsos Einschätzung: "Die Strecke ist gut für Überholmanöver."

Die erste Kurve nach der langen Geraden sei geradezu dafür prädestiniert. "Man bremst aus über 300 km/h im siebten Gang an und schaltet in den ersten Gang herunter", erklärt der Spanier. "Die Fahrer tendieren dazu, überraschend früh zu bremsen und so kann man wichtigen Boden gutmachen, wenn man mutig genug ist." Vertrauen in die Bremsen sei der Schlüssel für eine schnelle Runde in Bahrain. "Man muss an die Performance des Autos glauben und volles Vertrauen darin haben, dass man effektiv bremsen kann."

Eine Frage des Kompromisses

Bei der aerodynamischen Abstimmung für den Kurs in Bahrain müssen die Teams laut Willy Rampf einen Kompromiss eingehen. "Einerseits verlangen die vielen langsamen Kurven hohen Abtrieb, andererseits ermutigt die außergewöhnliche Breite der Strecke die Fahrer zum Überholen, deshalb darf man die Höchstgeschwindigkeit nicht vernachlässigen", erklärt der Ingenieurschef von BMW Sauber.

Die Teams müssen einen Setupkompromiss eingehen., Foto: Sutton
Die Teams müssen einen Setupkompromiss eingehen., Foto: Sutton

Wegen der langsamen Kurven spielen auch Traktion und Bremsbalance eine große Rolle. "Der Bremsverschleiß ist auf diesem Kurs besonders groß, insbesondere in der Kurve nach der Start-Ziel-Geraden und in der Kurve 4", erläutert Rampf. In der Formel 1 gibt es für alles Zahlen und Daten, so auch für den "Average turn angle", also den durchschnittliche Kurvenwinkel einer Strecke in Grad. Je höher dieser Wert ist, desto schärfer sind die Kurven und desto mehr neigen die Autos zum Untersteuern.

In Bahrain beträgt der "Average turn angle" 123.560. Das ist der fünfthöchste Wert der Saison. Der Durchschnitt liegt bei 1.100. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit am Ende der längsten Geraden mischt Bahrain im Vorderfeld mit. Mit 303 km/h erzielen die Piloten auf der Strecke den achtschnellsten Wert des Rennkalenders. Dies beeinflusst die Flügeleinstellung im Bezug auf Downforce und Luftwiderstand. "Es ist schwierig, die richtige Abstimmung zu finden; wir fahren hier mit mittlerem Abtrieb, das bedeutet immer einen Kompromiss beim Setup", wiederholt Heikki Kovalainen.

Eine Frage des KERS

Rein theoretisch müssten die langen Geraden und die harten Bremszonen ein Paradies für KERS sein. Das Energie-Rückgewinnungssystem sammelt bekanntlich Energie beim Bremsen, die später in Form von 80 Zusatz-PS freigegeben werden kann.

"Die Streckencharakteristik mit langen Geraden, an deren Enden jeweils hart abgebremst wird, sollte KERS entgegenkommen", meint Lewis Hamilton. "In Bahrain werden die Bremsen härter belastet als bisher in dieser Saison und ich bin gespannt, wie wir KERS im Laufe der Runde nutzen können."

Dabei steht noch gar nicht fest, ob McLaren damit fahren wird. Zunächst wurde dies in Frage gestellt, dann milderte Norbert Haug die Spekulationen ab. Auch Renault hat sich noch nicht entschieden, möchte aber von Strecke zu Strecke neu evaluieren. Nur Ferrari wird KERS wohl wieder einbauen. Der Versuche ohne KERS in China war ernüchternd: Das Auto war noch schlechter als mit KERS.