Adrian, ein paar Tage danach, wie fühlt es sich an?
Adrian Newey: Wenn man am Montag mit einem Doppel-Sieg im Gepäck aufwacht, hat man immer was zu lachen. Das Ergebnis bringt einen riesigen Schub Selbstvertrauen für jeden im Werk - wenn man weiß, dass man ein Auto ins Rennen bringen kann, dass Erster und Zweiter werden kann, ohne das Ergebnis zu erben, weil jemand Probleme hatte. Das ist eine tolle Belohnung für die harte Arbeit, die nicht nur wir, sondern auch Renault und all unsere technischen Partner geleistet haben.

Wo hast du das Rennen angesehen?
Adrian Newey: Ich habe es zu Hause in meiner Küche angesehen. Es war Zeit, die ich mit meiner Frau Marigold verbracht habe. Sie fand es aber zu stressig, mit mir zu schauen und ging in ein anderes Zimmer. Später kam dann meine Tochter zu mir. Innerhalb von ein paar Minuten nach dem Zieldurchlauf kamen die Nachbarn vorbei und obwohl es recht früh war, genehmigten wir uns zur Feier einen Drink. Es wäre schön gewesen, in China zu sein, aber ich freue mich einfach für alle, dass wir das Ergebnis geholt haben, das wir verdienen.

Hattest du Sorge, dass die Autos es nicht ins Ziel schaffen könnten, da es vorher am Wochenende technische Probleme gab?
Adrian Newey: Wir waren recht zuversichtlich, dass wir das Problem gelöst hatten, das bei einem Teil der Antriebswellen-Teile bestand. Aber man kann sich der Zuverlässigkeit nie sicher sein, also schien die letzte halbe Stunde des Rennens ewig zu dauern.

Der RB5 vpn Melbourne war nicht der gleiche wie in Shanghai, Foto: Sutton
Der RB5 vpn Melbourne war nicht der gleiche wie in Shanghai, Foto: Sutton

Wie hat sich der RB5 seit Saisonstart entwickelt?
Adrian Newey: Wir hatten ein Aero-Update, bestehend aus einem neuen Diffusor und einem modifizierten Vorderflügel, für den letzten Test vor Melbourne. Das brachte einen guten Fortschritt bei der Leistung. Für China hatten wir dann weitere neue Teile, die ein wenig mehr Leistung brachten. Im trockenen Qualifying waren wir in Melbourne und Malaysia hinter den Brawns, aber in China viel näher, wenn man sich die benzinkorrigierten Zeiten ansieht. Unser Setup in China war dem von Malaysia ziemlich ähnlich, also dürfte der Rest der Leistung streckenbedingt gewesen sein. Dazu muss man sich nur die Lücken von wenigen Zehnteln ansehen, was man auch bei McLaren und Ferrari in den vergangenen Jahren sehen konnte.

Das Ergebnis von China wurde ohne Doppel-Diffusor erreicht, ist dieses Thema also weniger wichtig als die Leute glauben?
Adrian Newey: Es gibt keinen Zweifel, dass der Doppel-Diffusor Leistung bringt. Wie viel Leistung hängt davon ab, wie man die Regeln interpretiert und wie man ihn anpasst, damit er auf das eigene Auto passt. Dadurch werden einige Teams mehr damit gewinnen als andere. Es zahlt sich aber für jeden im Feld aus. Unsere Herausforderung ist es, einen anzupassen, damit er auf unserem Auto funktioniert.

Wann wird der RB5 den Doppel-Diffusor haben?
Adrian Newey: Wie bereits spekuliert wurde, ist es durch das Design des RB5 nicht die leichteste Aufgabe, ihn ans Auto zu bringen. Während wir an diesem Teil arbeiten, müssen wir auch noch an der allgemeinen Entwicklung des Autos feilen, damit wir in anderen Bereichen nicht zurückfallen. Das Einzigartige an den Red-Bull-Autos ist die Hinterradaufhängung mit Zugstange, was eine gute Lösung ist, wenn man keinen Doppel-Diffusor hat. Sie mit dem Diffusor zum Arbeiten zu bekommen, wird schwieriger. Wir werden vor Monaco keinen Doppel-Diffusor haben.

Wenn du auf die ersten drei Rennen blickst, was ist dir dabei am meisten ins Auge gesprungen?
Adrian Newey: Am offensichtlichsten ist, wie anders die Reihung im Feld im Vergleich zu den vergangenen Saisonen ist. Die großen Teams wie Ferrari, BMW und McLaren sind momentan zurück, aber das werden sie nicht lange bleiben. Ich denke, das ist erfrischend und gesund für die Formel 1. Es entsteht mehr Interesse, wenn man andere Teams und Fahrer vorne sieht.

Ob BRawn GP in Bahrain wieder vorne ist, weiß Adrian Newey noch nicht, Foto: Sutton
Ob BRawn GP in Bahrain wieder vorne ist, weiß Adrian Newey noch nicht, Foto: Sutton

Können wir den aktuellen WM-Spitzenreiter wieder vorne erwarten, wenn das Wochenende in Bahrain völlig trocken ist?
Adrian Newey: Das ist schwer zu wissen, da streckenspezifische Vorteile dabei mitspielen. Aus unserer Sicht wissen wir noch nicht, was die verschiedenen Stärken und Schwächen unseres Autos im Vergleich zur Konkurrenz auf einzelnen Strecken sind.

Du hast gesagt, die großen Teams werden zurückkämpfen. Glaubst du, sie werden euch überrennen, weil sie mehr Ressourcen haben?
Adrian Newey: Ich hoffe nicht. Mit großen Regeländerungen wie diesen gibt es Möglichkeiten für die Teams mit weniger Ressourcen, die eine intelligenten Art zu denken haben, wenn es darum geht, wie die Regeln gelesen und auch umgesetzt werden, um ein cleveres Design und ein gutes Auto zu entwerfen. Wenn die Regeln für eine Zeit stabil bleiben, dann haben die Teams mit mehr Ressourcen bessere Chancen, um zusätzliche Optionen auszuloten, wodurch sie einen Vorteil bekommen. Das soll aber nicht heißen, dass ein kleineres Team seinen Vorteil nicht behalten kann und die zukünftigen Regeln sind so ausgelegt, dass die Entwicklung noch weiter eingeschränkt wird, um das Wettrennen einzudämmen, dass die Formel 1 in den vergangenen Jahren geprägt hat.

Wie lässt sich dieser Sieg mit anderen in deiner Laufbahn vergleichen?
Adrian Newey: Zunächst muss ich sagen, dass dies nicht unser erster Sieg ist. Red Bull Technology hatte schon voriges Jahr ein Auto-Design, das gewonnen hat und in Monza sehr gut von der Scuderia Toro Rosso eingesetzt wurde. Emotional war es für jeden in Milton Keynes sehr zufriedenstellend. Ich war schon nach Monza im vorigen Jahr glücklich und aufgeregt und dieser Sieg in China war speziell, denn wir schafften einen Doppelsieg und hatten das auch im Qualifying fast so hinbekommen. Was diesen Sieg außerdem noch so speziell macht, sind die großen Regeländerungen. Wir haben als Team gezeigt, dass wir die Regländerungen verstanden haben und ein Auto gebaut, dass von Beginn an gut an sie angepasst war. Das macht es besonders schön, denn wir haben wegen der Regeln als Gruppe neun Monate lang nur für uns gearbeitet, ohne wirklich zu wissen, was die anderen Teams taten. Wir wussten nicht, wo unser Produkt stehen würde, wenn man es mit den anderen vergleicht, da die ganzen Referenzpunkte und Basiswerte andere waren.

Jetzt müsst ihr aber das Design des RB5 überdenken, um die Entscheidung von Paris zum Diffusor zu berücksichtigen. Findest du es schlimm, dass du mit der metaphorischen Motorsäge an das Original-Konzept des Autos gehen musst?
Adrian Newey: Es wird in jedem Fall viel Arbeit brauchen. Die Herausforderung ist es nun, den neuen Diffusor in den Rest des Autos zu integrieren. Aber ich sehe das nicht als schlimm, ich sehe es als neue Herausforderung. Leider wird sie auch weitere lange Abende verlangen. Das ist die Formel 1: man kann es sich nicht leisten, herumzusitzen und sich selbst zu bedauern, man muss einfach weitermachen.