Können Sie erklären, warum die Reifen so einen Einfluss auf die Leistung haben?
Pascal Vasselon: Die Reifen haben so einen großen Einfluss auf die Leistung des Autos, weil sie ganz einfach der einzige Kontakt zum Boden sind. Um das Auto schnell zu machen, muss man Beschleunigung erreichen und diese Kräfte gehen durch die Reifen. Man kann am Auto haben, was man will, aber wenn die Reifen nicht den nötigen Reibungskoeffizienten bringen, fährt man nirgendwo hin. Das ist zu einem der wichtigsten Leistungsfaktoren in der Formel 1 geworden.

Wie unterschiedlich ist die Herausforderung, wenn man einen Hersteller hat im Vergleich zu einem Reifenkrieg?
Pascal Vasselon: In der jüngeren Vergangenheit wurden die Reifen der wichtigste Leistungsfaktor vor der Aerodynamik, als es noch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Herstellern gab. Im Moment ist Bridgestone der einzige Lieferant, also entwickeln wir die Reifen nicht mehr; man muss sie nur richtig einsetzen. Ich würde nicht sagen, dass es einfach ist, aber es ist einen Schritt weniger schwierig, als sie zu entwickeln. In dieser Situation wird das Leistungs-Ranking anders und die Aerodynamik wird am wichtigsten; das Reifen-Handling liegt auf Platz zwei. Alles ist einfacher, denn die Reifen sind immer gleich und man hat Zeit zu lernen, wie man mit ihnen umgeht; man ist nicht in einem Prozess, in dem man ständig sein Wissen auf den neuesten Stand bringen muss, wie das bei Reifen-Entwicklung der Fall ist. Mit den Einheitsreifen, wie wir sie jetzt haben, ist es immer noch wichtig, das Verhalten der Mischungen zu verstehen, aber es ist leichter, das in den Griff zu bekommen.

Welche Charakteristika braucht ein Auto, um die Reifen so gut wie möglich zu nutzen?
Pascal Vasselon: Man hält die Reifen in einem passenden Temperaturfenster, damit sie ihren Grip entwickeln, ohne zu überhitzen. Ein Reifen, der zu kalt ist, entwickelt keinen Grip und ein Reifen, der zu heiß ist, wird zu schnell abbauen und Leistung verlieren. Man muss sie in ihrem Fenster physikalischer Widerstandsfähigkeit halten, damit man sie nicht überbelastet, bis sie auseinanderfallen. Man passt also immer das Setup des Autos an, um die Reifen in ihren Leistungs-Fenstern zu halten und die höchst mögliche Leistung aus ihnen zu holen.

Ohne Reibung kein Grip, Foto: Sutton
Ohne Reibung kein Grip, Foto: Sutton

Ist das Reifen-Management diese Saison schwieriger?
Pascal Vasselon: Das Reifen-Management ist dieses Jahr schwerer als vorige Saison, weil die Reifen neu sind und wir wieder lernen müssen. Bei jedem Rennen entdecken wir mehr darüber, wie sich die Mischungen verhalten. In Sepang hatten wir beispielsweise einen neuen harten Reifen, mit dem wir keine Test-Erfahrung hatten; wir hatten nur die Trainings, um sie kennenzulernen. Wir haben im Winter mit den anderen drei Mischungen getestet, also wissen wir mehr darüber, aber wir haben dafür auch keine Daten aus vorherigen Saisonen wie im vorigen Jahr. Das macht es etwas fordernder. Wir haben auch von Rillenreifen zu Slicks gewechselt und die reagieren nicht gleich auf Graining und Temperaturen. Insgesamt ist es schwierig, aber auch sehr interessant.

Macht der größere Unterschied zwischen den Mischungen bei den Rennen die Strategie-Arbeit schwieriger?
Pascal Vasselon: Dieses Jahr bringt Bridgestone zu jedem Rennen sehr verschiedene Mischungen, was Steifheit und Temperatur-Arbeitsbereich betrifft. Voriges Jahr hatten wir in Malaysia beispielsweise den mittleren und den harten Reifen, aber diese Saison verwendeten wir weich und hart. Dadurch soll das Reifen-Management schwieriger werden und das tut es potentiell auch. Wir haben das vor allem in Melbourne gesehen, wo wir beim Reifenverhalten sehr aufmerksam sein mussten. Das war in Melbourne besonders stark zu merken.

Warum war das in Melbourne so auffällig und in Malaysia nicht?
Pascal Vasselon: Die Situation in Melbourne war so, dass keine der Mischungen völlig für die Strecke und die Bedingungen passte. In Melbourne waren wir in einer Situation, in der der superweiche Reifen zu weich war und der mittlere zu hart. Dadurch war es schwer, diese Reifen im optimalen Fenster zum Arbeiten zu bekommen. Das war in Sepang völlig anders, denn beide Mischungen haben im richtigen Fenster funktioniert, also war das Reifen-Management viel einfacher.