Wir schreiben das Jahr 2009. Taschenrechner machen Kopfrechnen überflüssig, das Internet ersetzt dicke Wälzer im Regal und absurde Buchstabenkürzel in Textform verdrängen verständliche Kommunikation via Sprache. Die Wunder der modernen Technik machen es möglich.

Auch in der Formel 1 wird den Fahrern immer mehr abgenommen. Computerberechnungen und Simulationen ersetzen die Abstimmungsarbeit auf der Strecke, Renningenieure und Strategieexperten bestimmen die Boxenstoppzeitpunkte und Kommunikationschefs geben den exakten Wortlaut der "eigenen" Aussagen vor. Selbständiges Denken und Handeln sind nicht gefordert, vielleicht manchmal auch nicht erwünscht.

Umso erfreulicher war die Denkarbeit zweier deutscher Lenkraddreher. "Das Team überließ mir die Reifen-Entscheidung und ich entschied, es drauf ankommen zu lassen und das Risiko einzugehen, Intermediates aufzuziehen", verriet Timo Glock nach seiner grandiosen Regenfahrt im Weltuntergang von Malaysia. Er wusste, dass seine Kollegen auf Regenreifen unterwegs waren. "Es war ein Risiko, aber ich dachte, dass es sich auszahlen würde."

Das tat es. Nach seinem Wechsel auf Intermediates fiel er aus den Top-10 heraus, doch schon bald war er schneller als alle anderen, fuhr fast zehn Sekunden bessere Rundenzeiten und pflügte durch das Feld wie später durch die Wassermassen. In nur wenigen Runden kam er von außerhalb der Top-10 auf Platz 2 nach vorne. "Das war unglaublich und sehr aufregend", fand Glock.

Der Lohn für die Denkarbeit: Ein Podium für Timo Glock., Foto: Sutton
Der Lohn für die Denkarbeit: Ein Podium für Timo Glock., Foto: Sutton

Christian Danner stimmte stolz zu: "Timo hat das Wetter beobachtet und dann seine Entscheidung getroffen. Das war sehr gut", sagte der Ex-F1-Pilot. "Du darfst das Denken im Auto nicht einstellen!"

Was ein bisschen Nachdenken (in Kombination mit dem Glück des Denkenden) bewirkt, bewies mit Nick Heidfeld ein weiterer Deutscher. "Das Team wollte mich endlich reinholen und ich war 200 oder 300 Meter vor der Boxeneinfahrt, als es richtig anfing zu pissen", berichtete er. "Dann habe ich entschieden und im Funk gesagt, dass ich draußen bleibe." Die Entscheidung war goldrichtig. Heidfeld machte Erfahrung, persönliche Eignung und Glück als Hauptzutaten aus, so wie bei Glock. "Er hat ein bisschen riskiert und absolut die richtige Entscheidung getroffen." Am Ende wurde Glock nur von Button und eben Heidfeld geschlagen.

Dass blindes Vertrauen in die Anweisungen des Teams und Berechnungen des Computers nicht immer vorteilhaft ist, musste Kimi Räikkönen erfahren. Während Glock und Heidfeld mit ihren Entscheidungen Podestkurs setzten, soff Räikkönen mit den zu früh aufgezogenen Regenreifen auf trockener Strecke ab.

Selbst nach Rennende zahlt sich ein bisschen Nachdenken gewürzt mit einer eigenen Meinung und einer Prise Rechtsbewusstsein aus, zum Beispiel bei einer Anhörung bei den Rennkommissaren. Schließlich entschuldigte sich Lewis Hamilton für seine widersprüchlichen Aussagen mit den Worten: "Jedes Mal, wenn mir etwas vom Team gesagt wurde, habe ich es getan." So auch in Melbourne. In Anlehnung an Christian Danners Worte sollte man das Denken wohl auch außerhalb des Autos nicht einstellen...