Die ersten beiden Rennen sind gefahren, die neuen Regeln haben ihr Ziel erreicht: Das in den vergangenen Jahren etablierte Kräfteverhältnis wurde gehörig durcheinander gewirbelt. Aus der roten und silbernen Zwei-Team-Show wurde ein bunter Haufen, der sich um Siege, Podestplätze und Punkteränge balgt - und all das noch vor den Weltmeisterteams Ferrari und McLaren.

Aber halt: Ist das Bild der ersten beiden Rennen wirklich aussagekräftig? Immerhin besitzt der Albert Park in Melbourne als Straßenkurs eine eigene Charakteristik, die sich nicht so einfach auf andere Strecken übertragen lässt - das haben die Leistungsunterschiede zwischen Australien und Malaysia in den vergangenen beiden Jahren bewiesen. Apropos Malaysia: Die Strecke an sich lässt zwar viel mehr Rückschlüsse zu, aber nach so einem Regenchaos wie am Sonntag ist ein klares Bild doch eher schwierig auszumachen.

Neue Machtverhältnisse

Brawn GP behält noch etwas Performance in der Hinterhand., Foto: Brawn GP
Brawn GP behält noch etwas Performance in der Hinterhand., Foto: Brawn GP

Mario Theissen sagt trotzdem: "Nach diesem Wochenende sehen wir einigermaßen klar." Allerdings nicht zugunsten von BMW Sauber. Stattdessen betont Theissen immer wieder, dass die Teams mit einem zweistufigen Diffusor, sprich Williams, Toyota und allen voran Brawn GP einen immensen Vorteil hätten, mindestens eine halbe Sekunde soll das Bauteil am Heck der besagten Autos bringen.

"Es ist schwierig, in diese Phalanx einzubrechen", betont Theissen, der Brawn klar vorne sieht, was die Rennerergebnisse von Melbourne und Sepang untermauern: Zwei Pole Positions, zwei Siege und eindeutige Anzeichen, dass Jenson Button nie an die Grenzen gegangen ist, bei Bedarf noch viel schneller hätte fahren können. "Der Toyota ist das zweitschnellste Auto und dann kommt eine Gruppe von vier Autos", meint Theissen.

In dieser Vierergruppe sieht der BMW-Motorsportdirektor den Williams als drittes der Doppel-Diffusor-Autos, aber auch Red Bull, Ferrari und BMW Sauber. Red Bull ist es mit Sebastian Vettel sogar einige Male gelungen, in die Gruppe der Diffusor-Truppe einzudringen. Allerdings vereitelte er sich mit seiner Kollision mit Robert Kubica in den Schlussrunden von Australien einen sicheren Podestplatz und ein gutes Ergebnis in Malaysia. Denn die Strafversetzung um 10 Startplätze kostete ihn Startplatz 3. Was von dort vorne bei einem solchen Chaos- und Abbruchrennen möglich gewesen wäre, wird er sich am besten gar nicht ausmalen.

Der Pechvogel

Nico Rosberg trat den Beweis an, dass durchaus auch ein Nicht-KERS-, wenn auch ein Doppel-Diffusor-Auto, einen Grand Prix vor den überlegenen Brawn anführen kann. Der Deutsche ist jedoch so etwas wie der Pechvogel der ersten beiden Rennwochenenden. Nicht weniger als fünf der möglichen sechs Trainingsbestzeiten, zwei Top-Startpositionen, eine Klasse-Anfangsphase in Melbourne, ein Superstart und sogar Führungsrunden beim Malaysia GP stehen für ihn zu Buche. Punkte gab es jedoch nur magere 3,5. In Melbourne vermasselten ihm die massiv abbauenden Reifen ein besseres Ergebnis, in Sepang kam der Regen gänzlich ungünstig.

Wie sieht es also aus in der Formel 1 des Jahres 2009? Brawn GP überlegen, Williams weiter vorne dabei, als noch beim letzten Test vor Saisonbeginn selbst erhofft, Red Bull als bestes Nicht-Diffusor-Team und BMW Sauber zwischen den Welten. Fehlt nur noch Toyota. Die hatten sich mal wieder den ersten Sieg zum Ziel gesetzt und scheinen tatsächlich erstmals in der Lage zu sein, Wort zu halten. Je ein Podestplatz in Australien und Malaysia, schnell bei Tests, in den Trainings, in den Qualifyings und in den Rennen. Jarno Trulli und Timo Glock haben sich unauffällig an die Spitze herangekämpft.

Die Verlierer

Ferrari hatte nicht immer den Durchblick., Foto: Sutton
Ferrari hatte nicht immer den Durchblick., Foto: Sutton

Weit davon entfernt sind jene Teams, die sich gerne ganz vorne sehen würden. Renault möchte Weltmeister werden, ist aber nicht dazu in der Lage. Ferrari zeigte zwischendurch Speed, war aber weder schnell noch standfest genug - und machte obendrein ebenso unerklärliche wie ungewohnte Strategiefehler.

Und McLaren? Sie sprechen selbst nur vom "letzten Drittel" des Feldes und eröffneten mit der Lügen-Affäre von Melbourne mal wieder einen unnötigen Nebenkriegsschauplatz. Selbst Toro Rosso hat mehr Punkte als McLaren und der WM-Letzte Ferrari zusammen. Wirklich konstant ist nur Force India. Sie bilden auf der Strecke weiterhin mit Abstand die rote Laterne. Da hilft auch kein Mercedes-Motor.

WM-Entscheidung in Paris

Am 14. April könnte sich dieses mühsam erarbeitete und bunt gemischte Bild schon wieder ändern. Dann wird vom FIA-Berufungsgericht über die Legalität der Doppel-Diffusoren entschieden. "Das wird entscheidend sein für die WM", mahnt Kimi Räikkönen. Die Folgen stehen schon fest: Wenn der Diffusor legal bleibt, wird sich an den Kraftverhältnissen so schnell nichts ändern. Dafür werden die Nicht-Diffusor-Teams weiter viel Geld in eine eigene Lösung stecken, womit sie so oder so schon längst begonnen haben.

"Das geht aber nicht über Nacht", betont Theissen. Und wird nicht sofort eine halbe Sekunde bringen, weil das gesamte Fahrzeugkonzept nicht darauf ausgelegt ist. Es ist nicht möglich, Teile vom einen Auto auf das andere zu übertragen und sofort riesige Sprünge zu machen. "Zudem legen die anderen nicht die Hände in den Schoss", erinnert Theissen. "Sie entwickeln weiter und werden versuchen, ihren Vorsprung zu verteidigen." Die Aufholjagd der letzten 15 Rennen hat begonnen.