So schön, so neu, so sparsam wollte sich die Formel 1 2009 beim Saisonauftakt in Melbourne präsentieren, aber in Wahrheit tut sie derzeit vor allem eines: Sie poduziert Streit, Ärger und unnötige Zusatzkosten ohne Ende, letzteres durch den endlosen Diffusorstreit. Der Schuldigen gibt es dabei sicher mehrere, aber was in Melbourne immer klarer wurde, lässt den Ärger der sieben anderen Teams doch in einem ganz anderen Licht erscheinen als dem, dass da eben nur ein paar Große schimpfen, die eine geniale Idee übersehen hätten.

Brawn trickst alle aus

Angesichts der unklaren Regelsituation, die erstmals in jener Arbeitsgruppe aufgefallen war, die sich mit der Überholproblematik beschäftigte, gab es schon vor einiger Zeit in der Technical Working Group der FOTA eine Übereinkunft, die vielleicht theoretisch möglichen, aber kostspieligen und extremen Wege nicht zu gehen, über die jetzt gestritten und protestiert wird. Nur mit dem Ergebnis, dass dann vor allem Ross Brawn, ausgerechnet der Chef dieser Gruppe, doch ausbrach und alle mit einem Auto überraschte, das komplett auf dieses Design ausgerichtet ist. Entstanden ist das Konzept übrigens nicht einmal bei Honda selbst, sondern damals noch bei Super Aguri...

Der Brawn-Diffusor sorgt für Aufruhr., Foto: P. Filisetti
Der Brawn-Diffusor sorgt für Aufruhr., Foto: P. Filisetti

Auch Toyota und Williams, von einem "Überläufer" von Honda zu Toyota auf die Idee gebracht, bewegen sich ja in dieser Grauzone, allerdings bei weitem nicht so extrem, wie sich auch an den Zeiten zeigt - mit ihren "Versionen" hätte die Konkurrenz wohl zähneknirschend leben können.

Brawn fährt allen davon

Aber schon das erste Auftauchen von Brawn GP vor drei Wochen bei den Tests in Barcelona ließ alle Alarmglocken schrillen. Brawn, vor allem in Deutschland immer als das "Superhirn" hinter den Erfolgen von Michael Schumacher gefeiert, aber mit seinen Autos bei Benetton 1994 und in der Ferrari-Zeit bekanntermaßen des öfteren in dunkelgrauen Zonen unterwegs, hatte das Ganze noch mindestens eine Stufe weiter getrieben. Mit dem Ergebnis, dass nun alle anderen dumm da standen und stehen.

Jenson Button und Rubens Barrichello in den beiden Brawn-Autos fahren derzeit dem Rest der Welt realistisch gesehen mit mindestens einer halben Sekunde Vorsprung pro Runde um die Ohren, wenn sie denn nur wollen oder nicht gerade wie Barrichello dumme Fehler machen, am Start den falschen Knopf drücken und dann rabiat versuchen, das wieder gut zu machen, dabei andere von der Strecke schieben und sich selbst das Auto verbiegen.

Die Kosten erhöht

Brawn konnte sich in Melbourne nur selbst schlagen., Foto: Sutton
Brawn konnte sich in Melbourne nur selbst schlagen., Foto: Sutton

Aber auch an die FIA muss ein klarer Vorwurf gehen: Hätte man es wirklich gewollt, dann wäre diese ganze Angelegenheit schon vor dem Saisonstart geklärt gewesen, die Teams hätten zumindest gewusst, woran sie sind. Was jetzt passiert, nach zunächst abgelehntem Protest und für den 14. April angesetzter Berufungsverhandlung in Paris, ist eine unnötige Produktion von Kosten ohne Ende: Sieben Teams müssen mit voller Kraft ihre eigene Entwicklung eines Diffusors à la Brawn vorantreiben - was größere Umbauten am Konzept des ganzen Autos erfordert, bei dem ein oder anderen vielleicht gar nicht wirklich möglich ist - für den Fall, dass das Berufungsgericht die Legalität bestätigt.

Die anderen drei müssen sich schon mal dranmachen, "Zurückentwicklung" zu betreiben, sollte das passieren, was einige Experten auch für möglich und sinnvoll halten: Eine "Klarstellung der Regel", die zwar die bisherigen Ergebnisse unangetastet lässt, die strittigen Diffusoren aber für die Zukunft verbietet.

Alles andere als ein Kleiner

Das sich Max Mosley nicht wirklich darum bemühte, hat natürlich auch Gründe. Erstens lässt sich die Geschichte wunderschön verkaufen: Die Underdogs, die bis vor drei Wochen nicht einmal wussten, ob sie als Team überleben würden, und die jetzt die Großen ärgern, das passt ja gut in seine Vorstellung einer WM der Privatteams, auch wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen.

Button siegte für ein ehemaliges Werksteam, kein Privatteam., Foto: Sutton
Button siegte für ein ehemaliges Werksteam, kein Privatteam., Foto: Sutton

Schließlich war dieses Auto, das heute der Konkurrenz um die Ohren fährt, bereits zu 95 Prozent fertig, als sich Honda Ende 2008 aus der Formel 1 zurückzog, finanziert mit einem Jahresbudget von über 300 Millionen Euro, wurde dann durch den Mercedes-Motor noch stärker als es mit dem schwachen Honda-Triebwerk je gewesen wäre - und noch hat das Team in Brackley auch mindestens genauso viele Mitarbeiter wie alle anderen Großen auch, die übrigens die ganze Zeit der währenden Unsicherheit im Winter auch konsequent weiterarbeiteten.

Die FOTA entzweit

Und zweitens schaffen Mosley und Bernie Ecclestone es so, die trotz aller Beteuerungen gerade der großen Werksteams sowieso fragile Einigkeit der FOTA, ihres politischen Gegenspielers, weiter zu untergraben. Was im übrigen auch der Grund ist, warum die meisten sich noch zurückhalten, Brawn mehr als nur hinter vorgehaltener Hand des Bruches dieser Absprache anzuklagen - das wäre ja das Eingeständnis, wie weit es mit der Einigkeit der FOTA her ist.

Die beiden "Macher" mit ihren Stör- und Spaltungsversuchen haben aber durchaus schon einige "vielversprechende" Ansatzpunkte gefunden. Bei Williams, offenbar, wo im Moment dauernd heftige Verbal- und auch Protestattacken gegen die Großen gefahren werden. Und natürlich bei Brawn, wo anscheinend sogar noch mehr "im Anmarsch" ist: Den ersten Versuch von Bernie Ecclestone, sich dort einzukaufen, wehrte die FOTA noch ab - es gab Druck auf Brawn und den damals noch alle Verhandlungen führenden Nick Fry, das nicht zuzulassen, wohl auch mit dem sanften Hinweis darauf, woher schließlich die Motoren für das Team kommen sollten.

Bernies Hintertür: Virgin?, Foto: Sutton
Bernies Hintertür: Virgin?, Foto: Sutton

Aber jetzt mehren sich die Gerüchte, dass Ecclestone bei Brawn sehr wohl doch noch die Finger ins Spiel bekommen hat. Was dafür spricht: Der Brawn-Deal mit Virgin und Richard Branson, von dem Ecclestone ja ganz stolz verkündet, dass er ihn eingefädelt habe. Während Branson schon vor Wochen, als sein Name erstmals als Käufer des Ex-Honda-Teams ins Gespräch kam, betonte, er käme nur in eine Formel 1, in der Ecclestone das Sagen habe. Jetzt deutete er schon an, es könne in ein paar Wochen bei Brawn noch einmal eine "wichtige Änderung" geben. Insofern, dass Branson doch Anteile übernimmt - als "Strohmann" von Ecclestone?