Nick Heidfeld erachtet eine Einschätzung der Rangordnung der Formel 1 in dieser Saison als noch schwieriger als in den vergangenen Jahren. Eine ungefähre Ahnung wollte er am Donnerstag in Melbourne aber bereits haben. "Für mich ist Brawn ganz klar die Spitze mit einem recht guten Vorsprung. Dann kommt eine zweite Gruppe angeführt von Ferrari, Toyota, Red Bull, wahrscheinlich auch Renault, obwohl es mir schwer fällt, die genau einzuschätzen", meinte er. In dieser Gruppe sah er auch BMW Sauber. Dahinter folgten für ihn Williams und McLaren, wobei er Toro Rosso nicht genau einordnen konnte.

"Ich bin nicht viel mit ihnen zusammen gefahren. Das Auto sieht recht ähnlich aus wie der Red Bull. Man könnte vermuten, dass sie in einem ähnlichen Bereich fahren, aber sie haben natürlich nicht viele Kilometer gefahren", sagte Heidfeld über das kleinere der beiden Red-Bull-Teams. Ganz am Ende sah er nach wie vor Force India. In Stein gemeißelt ist die Reihung für ihn ohnehin nicht. So habe McLaren bislang bereits große Fortschritte gemacht, um überhaupt auf dem Niveau von Williams zu sein und er schloss nicht aus, dass das Team seit dem letzten Test noch weiter nach vorne gekommen ist.

Brawn GP ernüchternd

Heidfeld bezeichnete sein Bauchgefühl als gut, aber nicht fantastisch. "Leider sagt das in der Formel 1 nicht viel aus", erklärte er. Und über Brawn GP, Bauchgefühl hin oder her, konnte er ohnehin nur staunen. Deren Abschneiden bei den Tests nannte er ernüchternd. "Damit rechnest du nicht. Das grenzt an ein Wunder. Wir hatten zum einen den Testvorsprung, zum anderen hatten sie auch eine Phase, in der sie nicht wussten, wie es weitergeht, auch wenn sie schon früh begonnen hatten, das Auto zu entwickeln. Das war sicher auch kein Vorteil." Er gab aber zu Bedenken, dass der umstrittene Diffusor ein Hauptgrund für die Stärke des Teams sei und dabei es deswegen noch abzuwarten gelte.

Das Training lief gut, Foto: BMW
Das Training lief gut, Foto: BMW

0,5 Sekunden soll der Vorteil durch den Diffusor betragen weswegen Heidfeld auch glaubte, dass die Entscheidung im Protest gegen Brawn GP, Williams und Toyota die ganze Saison beeinflussen könnte. Ungeachtet dessen geht der BMW-Sauber-Pilot mit den gleichen Vorsätzen wie immer in die Saison. "Wie jedes Jahr setze ich mir aber nicht das Ziel, dass ich diese Saison Weltmeister werde. Natürlich will ich einmal Weltmeister werden, aber erst müssen wir schauen, wie stark unser Auto ist. Mein Ziel ist es immer, das Maximum zu bringen; mit dem Auto, mit den Bedingungen, die es im Rennen und Qualifying gibt. Dann bin ich entweder glücklich oder nicht - egal ob Platz eins oder zehn."

Bei der Anpassung weiter

Helfen soll ihm die gute Vorbereitung im Winter. Die Tests liefen gut, auch wenn er vielleicht nicht so viele Runden fahren konnte, wie er das wollte. Auch das Training war ansprechend, er wurde nicht krank und konnte gut 3,5 Kilogramm abnehmen. Auch die Slicks kommen ihm entgegen, da sie natürlicher zu seinem Fahrstil passen. "Bislang war es nicht so viel Arbeit wie voriges Jahr. Ich habe das Gefühl, dass ich bei der Anpassung ans Auto und an die Reifen weiter bin als vor einem Jahr."

Aufgrund der geänderten Autos erwartet er sich auch ein wenig mehr Action auf der Strecke. Zwar haben sich die Bremspunkte nur minimal verschoben, aber er kann dank der Aerodynamik knapper auffahren und hat KERS zur Verfügung, was einige Andere nicht haben. "Wenn alle es haben, gibt es wieder keinen Unterschied." Weitere Hilfe bietet der verstellbare Vorderflügel, der das dichte Auffahren ebenfalls erleichtert. Ganz überzeugt von den Überhol-Maßnahmen war Heidfeld aber nicht. "Beim Testen habe ich gesehen, dass ich näher und näher kam, aber nicht vorbei."

Pro & Contra KERS

Größter Knackpunkt ist ohnehin KERS. In Melbourne erwartet der Deutsche nur wenig Hilfe, auf Kursen wie Monza oder Malaysia schon mehr. "Dann gibt es auch beim Start einen Vorteil. Hier weniger, weil der Weg zur ersten Kurve recht kurz ist. Wir hoffen, dass es im Zweikampf im Rennen helfen wird, aber das werden wir erst herausfinden", so Heidfeld. Nur Vorteile hat das Energierückgewinnungssystem ohnehin nicht. "Der Schwerpunkt ist damit höher, die Gewichtsverteilung schlechter und es gibt die Gefahr von technischen Problemen. Beim Bremsen muss es perfekt funktionieren. Außerdem ist es komplett neu. Das sind negative Dinge, die man gegen das Positive abwägen muss." Ein großer Negativpunkt ist vor allem das Gewicht, mit dem Heidfeld weniger Probleme hat als der größere und damit schwerere Robert Kubica. Der Pole wird deswegen KERS erst einmal auch nicht fahren. Heidfeld meinte dazu: "Es ist fair, dass wir aussuchen dürfen, es zu nehmen oder nicht, aber es ist nicht fair, dass andere Fahrer bestraft werden, weil sie schwerer sind."